Sonntag, 26. Januar 2020

Frauenverein Weiach schon in den 1870er-Jahren gegründet

«Den Frauenverein Weiach gibt es seit 1928». So steht es auf einer der Webseiten der Gemeinde Weiach, auf der sich im Dorf tätige Vereine kurz vorstellen und für ihre Aktivitäten werben dürfen.

Nun ist das allerdings mit den Gründungsdaten so eine Sache. Denn dieser Verein (oder wenn man so will: die Vereinsidee) ist ein echtes Überlebenstalent, wie wir in diesem Beitrag noch sehen werden.

Seit den Recherchen für den Artikel Weiacher Geschichte(n) Nr. 59 vom Oktober 2004 ist klar, dass dieser Frauenverein bereits wesentlich früher schon Aktivitäten entfaltet hat.

Statuten von 1908 und ein Sparheft von 1901

Die Statuten vom November 1929, die sozusagen den Startschuss für den Verein in seinem heutigen Gewand gegeben haben, wurden nämlich mit den folgenden Worten angebahnt:

«Ferner wurde die Anregung gemacht, der Frauenverein möchte zu einem Wohltätigkeitsverein
umgestaltet werden. Wie die Sache organisiert werden sollte, möchte der Verein in der am folgenden Sonntag stattfindenden Versammlung beschliessen.»  (Protokoll vom 23. Oktober 1929)

Es gab den Verein also bereits. Und hervorgegangen ist er – nach den Protokollen zu schliessen, die sich noch heute im Besitz des Frauenvereins Weiach befinden – aus dem «Frauenverein der Arbeitschule Weiach», von dem noch Statuten vom Mai 1908 vorliegen.

Auch diesen Verein, dem die Aufsicht über die Handarbeitslehrerin oblag, gab es damals bereits einige Jahre. Dies beweist das Sparheft N° 6711 der Bezirkssparkasse Dielsdorf, das am 9. April 1901 für die «Tit. Frauenkommission der Arbeitschule Weiach» lautend auf deren Quästorin «Bertha Meierhofer-Meierhofer, Schneiderin» eröffnet worden ist und danach während einem Dreivierteljahrhundert treue Dienste leistete (vgl. WG(n) Nr. 59, Gesamtausgabe S. 164).

Retrodigitalisierungen der Nationalbibliothek decken ältere Spur auf

Seit einigen Jahren werden nun zunehmend Dokumente aus früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten mit elektronischen Mitteln der Forschung zugänglich gemacht. Wo man früher einen versteckten Hinweis auf ein Weiacher Thema höchstens per Zufall nach tagelangem Lesen gefunden hätte, da reicht heute – Retrodigitalisierung sei Dank – eine simple Suchanfrage.


Fündig wird man bezüglich Weiach in der Bibliographie der schweizerischen Landeskunde; Faszikel V, 10f, erschienen in Bern 1910-1912. Die Autoren Ernst und Hans Anderegg haben sich in diesem Band «Armenwesen und Wohltätigkeit» vorgenommen. Gemäss seinen Angaben ist die Materialsammlung «Abgeschlossen Ende 1900». Auf Seite 558 findet man folgenden Eintrag:

«Frauenverein, Weiach. Hülfsleistung an Arme, unterstützungsbedürftige Kranke und Wöchnerinnen; Weihnachtsbescheerungen ärmerer Arbeitsschülerinnen, etc. Gegründet in den 1870er Jahren; eingegangen.
Rechnungen des Frauenvereins für arme Kranke von Weiach. Nicht gedruckt.»

Die Grundlage dieser Notizen sind also von Hand geschriebene Rechnungsabschlüsse eines «Frauenvereins für arme Kranke von Weiach». Dessen Tätigkeitsgebiete decken sich in vielen Punkten mit denen der in Weiacher Geschichte(n) Nr. 59 beschriebenen Vereine.

Gibt es eine Kontinuität von den 1870ern bis heute?

Wie, wo und durch wen die Andereggs vor 1900 Einblick in diese Abrechnungen erhalten haben und was sie dazu veranlasst hat, den von ihnen beschriebenen Verein als «eingegangen» zu bezeichnen, das entzieht sich der Kenntnis des Autors dieser Zeilen.

Es ist wohl keine allzu gewagte These, wenn hier postuliert wird, dass es doch eine (wie auch immer geartete) Kontinuität gegeben haben dürfte, welche über den Wechsel ins 20. Jahrhundert hinweg eine Verbindung zum Sparbuch von 1901 ergibt.

In diesem Sinne würde der Frauenverein Weiach im Jahre 2020 also bereits mindestens das 140-, wenn nicht gar 150-jährige Bestehen feiern können.

Der in den 1870ern gegründete Frauenverein war im Unterland in diesen Jahren keineswegs eine Einzelerscheinung, wie man der Bibliographie Andereggs ebenfalls entnehmen kann:

Gründungen ähnlicher Vereine in der Nachbarschaft erfolgten in Glattfelden im Jahre 1860, in Regensberg in den 1860er Jahren, in Dielsdorf 1878 und in Windlach 1889, um nur einige zu nennen.

Überalterungssorgen im 21. Jahrhundert

Wie WeiachBlog von der Präsidentin, Martha Müller Bollier, am 10. Dezember 2019 telefonisch erfahren hat, zählte der Verein zwar immerhin noch 31 Mitglieder (gemäss Website der Gemeinde: 33). Allerdings seien «fast alle 60 und älter». Überspitzt gesagt: der Verein stirbt langsam aus.

Warum das so ist, zeigt sich, wenn man den Vereinszweck mit dem vieler anderer Frauenvereine in der Umgebung vergleicht. In Weiach wurden die statutarischen Bestimmungen nicht auf Programmpunkte und Themen ausgedehnt, die jüngere Frauen ansprechen und bei ihnen auf aktives Interesse stossen, insbesondere Kinderhütedienst, etc. Dieser Bereich «Kinder» wurde in den letzten Jahren durch das F.O.R.U.M Weiach (gegr. 2007, vgl. WeiachBlog Nr. 552) und heute durch den Familienverein Weiach (gegr. 2019) abgedeckt.

Man sieht an diesen drei Vereinen deutlich, welche Bedeutung persönliche Bekanntschaften haben. Die Gründergeneration des F.O.R.U.M ist mittlerweile in einem Alter, in dem bei vielen die Kinder bereits ausgeflogen sind. Da liegt dann das Thema Kinderhütedienst verständlicherweise nicht mehr so nah wie bei der Gründung. In die Lücke ist die Neugründung Familienverein Weiach vorgestossen (vgl. auch WeiachTweet Nr. 2474, 2475, 2476 und 2477 vom 2. Oktober 2019).

So oder ähnlich kann man sich auch die Geschichte der verschiedenen Frauenvereine in Weiach von 1870 bis 1930 vorstellen. Als Abfolge von Aktivitäten von sich folgenden Generationen von Frauen, die altersspezifische Interessenbereiche abdecken. Das wäre dann eine Ergänzung zur oben formulierten These.

Was passiert, wenn der Gemeindesaal zugeht?

Aktuell wird in der Gemeinde ja ein Bauvorhaben der Superlative diskutiert: der Abriss der Mehrzweckhalle von 1976 und Erstellung eines nagelneuen Ersatzbaus. Abriss aber heisst: es gibt dann für einige Zeit weder Gemeindesaal noch Turnhalle!

Präsidentin Müller Bollier macht sich grosse Sorgen, dass der Frauenverein bei ersatzlosem Wegfall des Gemeindesaals (voraussichtliche Bauzeit: ca. zwei Jahre) untergehen wird. Denn für die wesentlichen Eckpfeiler seines Tätigkeitsprogramms DONNeCUCINA, Senioren-Essen sowie Suppen- und Wähentag ist ein Saal mit angeschlossener Küche ein absolutes Muss. So etwas gibt es seit der Betriebsschliessung des Gasthofs Sternen kein zweites Mal in Weiach.

Da sind also kreative Lösungen gefragt, will die Gemeinde keine Kollateralschäden riskieren. Ein gemeindefinanzierter Taxidienst nach Kaiserstuhl ins Schulhaus Blöleboden? Eine Kooperation mit dem Familienverein? Wer weiss...

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