Dieses Zitat der an der Universität Freiburg im Uechtland tätigen Juristin Carola Göhlich beschreibt in der jungen Online-Zeitschrift Contra Legem die Auswirkungen der gefährlichen Liaison zwischen Strafrecht und Risikomanagement. Was da versucht wird, ist nämlich letztlich die Vermählung zweier unvereinbarer Konzepte (vgl. dazu Göhlich 2018).
Trotzdem ist Prävention via Justizsystem seit einigen Jahren schwer im Trend. Moderne Schamanen des Justizbetriebs (auch bekannt als forensische Psychiater) betätigen sich als Weissager und verdienen sich daran eine goldene Nase. Auf der Strecke bleiben fundamentale Prinzipien des Rechtsstaats.
Dass die Tendenz, einen als unangepasst empfundenen Menschen via Justizapparat und/oder Administrativbehörden aussortieren zu lassen, im 19. und 20. Jahrhundert schon da war, das zeigen auch Fälle aus Weiach (vgl. für das Jahr 1817 Zuchthausstrafe für Unangepasste nicht verlängert, WeiachBlog Nr. 1134 oder für 1931 Abhülfe für ungebührliches Verhalten verlangt, WeiachBlog Nr. 1279)
Neapolitaner sind gefährlich
Als gefährlich empfundene Personen will man natürlich noch viel eher hinter Schloss und Riegel sehen. Auch dafür gibt es aus unserer Gemeinde ein Beispiel: Konrad Baumgartner, ein Veteran der Schweizertruppen in Diensten des Königreichs beider Sizilien, die im Volksmund «Neapolitaner» genannt wurden.
Baumgartner und ein weiterer ehemaliger Angehöriger dieser Truppe standen im Juli 1860 vor dem Schwurgericht in Zürich (aus je separaten Gründen).
Von den Verhandlungen dieses Gerichts berichtet die Züricherische Freitagszeitung (nach ihrem Verleger David Bürkli «Bürkli-Zeitung genannt):
«Fernere schwurgerichtliche Fälle sind:
[...]
Konrad Baumgartner, 32 Jahre alt, auch ein Neapolitaner, dem der Gemeinderath Weiach das Zeugniß gibt, „er kennzeichne sich durch Ausübung aller Laster, welche ihn zum Ekel und Scheusal der Menschheit machen", sollte aus Bosheit einen Waldbrand angestiftet haben, hatte denselben aber jedenfalls, bevor Schaden entstund, freiwillig selbst wieder gelöscht — er wurde freigesprochen und die Gemeinde muß also das „Scheusal" behalten.» (Freitagszeitung, 13. Juli 1860)
Ohne die Akten dieses Falles genauer zu kennen (v.a. Protokoll des Schwurgerichts 1860, StAZH YY 26.8 bzw. dessen Prozedurenverzeichnis (Geschäftsregister) StAZH YY 47) kann man nicht abschätzen, weshalb die Geschworenen zu einem Freispruch kamen.
Aber es war wohl so, dass kein Beweis für Brandstiftung vorlag und man den Angeklagten trotz seines offensichtlich schlechten Rufs von diesem Vorwurf entlasten musste.
Zum Leidwesen der Gemeinde Weiach. Und zur Schadenfreude des Gerichtskorrespondenten der Bürkli-Zeitung. Der Versuch «Preventive Justice» wirken zu lassen war offensichtlich gescheitert.
Quellen
- Züricherische Freitagszeitung, Nr. 28, 13. Juli 1860, S. 3
- Göhlich, Carola: Preventive Justice – An Oxymoron. Why the concept of dangerousness is a danger to justice. In: ContraLegem, 2018/2 (ISSN: 2624-6902)
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