Nun kursieren ja noch weitere Baujahrdaten: 1564, 1658 und 1707. Was ist an denen dran? In welches Jahrhundert werden die Wehrbauten von verschiedenen Autoren eingeordnet, welchem Anlass werden sie zugeordnet? Sehen die Autoren die martialische Mauer mit Schiessscharten als Teil des gesamten heutigen Kirchenbezirks, oder schreiben sie auch schon dem heutigen Pfarrhaus für sich allein eine solche Mauer zu?
In diesem Beitrag sollen zu Dokumentationszwecken sämtliche aktuell bekannten Fundstellen aus der Literatur zu Weiacher Pfarrhäusern in chronologischer Folge aufgeführt werden. Am Schluss wird im Fazit ein Resümee gezogen.
1) Ausgangspunkt Vogel, 1845
Da wäre als erster der in früheren Artikeln bereits mehrfach genannte und zitierte Friedrich Vogel, «Sekretair des Bau-Departements» mit «Die alten Chroniken oder Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich von den ältesten Zeiten bis 1820», erschienen in Zürich 1845 bzw. 1857:
«Das Pfarrhaus wurde 1591 erbaut, und war, da man es bei Kriegszeiten als einen Vertheidigungspunkt betrachtete, mit festen Mauern umschlossen.» (Vogel, S. 818)
Abgesehen vom Baujahr wird hier die Ummauerung hervorgehoben, die insofern bemerkenswert ist, als alle anderen Gebäude in Weiach auch im 18. Jahrhundert nur Holzzäune oder Hecken als Begrenzung aufgewiesen haben dürften.
Aus der Wortwahl («umschlossen») kann man auch den Schluss ziehen, es habe früher um das heutige Pfarrhaus herum eine Ringmauer gegeben. In der tatsächlich anzutreffenden Bausituation stellt das Pfarrhaus jedoch einen von vier verstärkten Eckpunkten dar, welche durch Mauern miteinander verbunden wurden.
Vogel weist richtigerweise auf den Wehrcharakter hin, der allerdings erst mit dem Bau der Kirche und der Schiessscharten (in Umfassungsmauern und der Nordostmauer der Pfarrscheune noch heute erkennbar) für den Beginn des 18. Jahrhunderts mit Quellen aus dieser Zeit verknüpft ist: das Konzept stammt (durch Primärquellen im Zusammenhang mit dem Bau der Bachser Kirche indirekt belegt) von Festungsingenieur Hans Caspar Werdmüller.
Dass das heutige Pfarrhaus im Gründungsjahr der selbständigen Pfarrei erbaut worden sei, behaupten in der Folge viele, teils namhafte Autoren:
2) Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, 1878
Der letzte Artikel einer heimatkundlichen Serie des Volksfreunds (ab 1957: Neues Bülacher Tagblatt) über die Gemeinden des Zürcher Unterlands kopiert paraphrasierend die Formulierung von Vogel, lässt jedoch das Baujahr weg. Sie ist damit nach heutigem Kenntnisstand korrekter:
«Das Pfarrhaus, mit festen Mauern umschlossen, betrachtete man in Kriegszeiten als einen Vertheidigungspunkt.» (BDV, 16. März 1878, S. 2)
3) Wirz' Etat des Zürcher Ministeriums, 1890
Auch Kaspar Wirz übernimmt in seinem Werk «Etat des Zürcher Ministeriums von der Reformation bis zur Gegenwart. Aus gedruckten und ungedruckten Quellen zusammengestellt und nach Kirchgemeinden geordnet», das 1890 in Zürich erschienen ist, tel quel die Position Vogels:
«Von der Zeit der Reformation bis 1591 war Weiach eine Filiale, die von Zürich aus besorgt, dann aber auf Bitten der Gemeinde zur Pfarrei erhoben wurde. Die Kollatur gehörte dem Rathe. Das 1591 erstellte Pfarrhaus wurde mit festen Mauern umgeben, um für Kriegszeiten als Vertheidungspunkt verwendet zu werden.» (Wirz, S. 196)
4) Nur eine Fluchtburg: Geographisches Lexikon der Schweiz, 1910
Der 1910 in Neuenburg erschienene sechste Band des Geographischen Lexikons der Schweiz beschränkt sich auf die Fluchtburgfunktion und lässt den Verteidigungscharakter unter den Tisch fallen. Auch hier wird kein Baujahr genannt:
«Das Pfarrhaus wurde mit festen Mauern umgeben, damit es in kriegerischen Zeiten zum Schutz diene.» (GLS, Bd. 6, S. 592)
5) Dändliker lanciert die «Kappelerkriege-Hypothese», 1910
Während Vogel und Wirz keine bestimmte Zeit für die Erstellung der «festen Mauern» angeben, legt sich Karl Dändliker auf eine bestimmte Ursache fest: die religiösen Spannungen. Diese begannen mit dem Wirken der Reformatoren (in Zürich Zwingli ab 1519).
Dändliker erwähnt als Zürcher Reaktion auf die mit dem Goldenen oder Borromäischen Bund von 1586 verstärkte Bedrohung durch die katholische Seite beispielhaft den Bau des Weiacher Pfarrhauses im Büel:
«Daher [aufgrund des Goldenen Bundes und der damit drohenden Wiederholung der Kappelerkriege 1529 und 1531] wurde z.B. 1591 das neu erbaute Pfarrhaus in Weiach befestigt, weil es als ein militärischer Stützpunkt (gegen die Grafschaft Baden und Kaiserstuhl) angesehen wurde.» (Dändliker, Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich, Bd. II, S. 384, Fussnote **)
Für ausführliche Zitate zu dieser Kappelerkriege-Hypothese und eine Einordnung Dändlikers in die Historiographie, siehe den vorangehenden Blogeintrag: WeiachBlog Nr. 1465.
Mit dieser Steilvorlage hat Professor Dändliker die herrschende Lehrmeinung für die nächsten sechs Jahrzehnte vorgegeben.
Anmerkung: Dändliker bezeichnet das Städtchen Kaiserstuhl sozusagen als feindliche Bastion, der man fortifikatorisch etwas entgegensetzen musste. Diese Formulierung, die von späteren Publikationen immer wieder verwendet wird, bildet das eigentliche Verhältnis zwischen Weiach und dem Städtchen jedoch nicht korrekt ab.
Das Einvernehmen mit den Kaiserstuhlern war in der Regel gut bis sehr gut (was sich beispielsweise beim Blinden Lärmen von 1703 gezeigt hat, vgl. die Zeugenaussage von Maag in Weiacher Geschichte(n) Nr. 56, S. 151). Religiöse Meinungsverschiedenheiten interessierten die lokalen Führungseliten nicht wirklich, für sie stand das gegenseitige wirtschaftliche Auskommen im Vordergrund.
6) Wettsteins Heimatkunde, 1913
«Unter der Herrschaft Zürichs wurde das Pfarrhaus Weiach mit festen Mauern umgeben, um in Kriegszeiten zum Schutze zu dienen, mündet doch das Tal in die militärisch wichtige Rheinlinie.»
(Wettstein, 1913, S. 196-197)
Im Gegensatz zu militärstrategischen Überlegungen, die mit den Napoleonischen Kriegen gang und gäbe wurden, war es zu Zeiten des Ancien Régime für den Zürcher Stadtstaat eher unüblich, den Rhein als Verteidigungslinie zu sehen.
7) Das HBLS bringt das Baujahr 1707 ins Spiel, 1934Im Gegensatz zu militärstrategischen Überlegungen, die mit den Napoleonischen Kriegen gang und gäbe wurden, war es zu Zeiten des Ancien Régime für den Zürcher Stadtstaat eher unüblich, den Rhein als Verteidigungslinie zu sehen.
Das Historisch-biographische Lexikon der Schweiz (HBLS) von 1934 erwähnt im Artikel über Weiach: «Das Pfarrhaus, 1591 erbaut, war mit festen Mauern und Torbogen umgeben, sollte es doch im Jahrh. des Kappelerkrieges bei der Spannung zwischen Katholiken und Reformierten als militär. Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden und Kaiserstuhl dienen.» (HBLS, Bd. 7, S. 434)
Auf welche Quellen sich diese Interpretation abstützt, wird leider nicht erwähnt, weder in Dändlikers Standardwerk noch im HBLS.
Im selben HBLS-Artikel weiter unten wird zudem ein völlig neues Baudatum eingebracht: «Schwere Feuersbrünste 1647 und 1658. Bei der letzteren verbrannte auch das Pfarrhaus (1707 neu erbaut).»
1707? Man würde gerne wissen, auf welche Quelle sich dieses Baudatum stützt. Implizit wird damit nämlich behauptet, dass das heutige Pfarrhaus ein Wiederaufbau an der Stelle eines 1658 verbrannten Vorgängerbaues war.
Fragt sich nur, wo die Pfarrer dann während eines halben Jahrhunderts gewohnt haben. Und wo sie standesgemäss die Obervögte nach der Huldigungszeremonie bewirtet und für eine Nacht einquartiert haben sollen (vgl. WeiachBlog Nr. 1458).
8) Hedingers Pfarrhaus-plus-Kirche-These, 1937
In Weiterentwicklung der Vorlage von Vogel, aber interessanterweise ohne die Sichtweise des HBLS aufzunehmen, hat Heinrich Hedinger im Wanderatlas der Zürcher Jllustrierten Nr. 10A. Zürich Nord-West auch die Kirche ins Baugeschehen Ende des 16. Jahrhunderts aufgenommen!
«Pfarrhaus von 1591. Damals auch Kirchenbau und Einrichtung der ganzen Anlage zu einem militärischen Stützpunkt, daher Friedhofmauern mit noch sichtbaren Schießscharten.»
Nach dieser Lesart, die er später (z.B. im Heimatbuch über das Zürcher Unterland von 1971, vgl. unten Quelle 21) nicht mehr vertritt, ist die Kirche im Bühl bereits 1591 gebaut worden. Diese Ansicht ist nur von wenigen Autoren weiterverwendet worden, so 1964 in der Zeitung Volksrecht und durch Baldinger 1967/69 (vgl. WeiachBlog Nr. 1459, Abschnitte 16a und 17a, ganz am Schluss des Beitrags), die die Kausalkette aber umgekehrt darstellen und (zumindest in der Formulierung des Volksrechts) dadurch das Baujahr des Pfarrhauses offenlassen.
9) Hermann Fietz setzt auf Dändliker, 1943
Mit dem Architekten Hermann Fietz und seinem Band II der Reihe Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich über die Bezirke Bülach, Dielsdorf, Hinwil, Horgen und Meilen, beginnt eine lange Reihe von Dändliker-Jüngern (zumindest bezüglich dessen «Kappelerkriege-Hypothese»):
«Das Pfarrhaus war 1591 erbaut worden und war mit festen Mauern umgeben, da es als militärischer Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden und gegen Kaiserstuhl dienen sollte.» (Fietz, II, 144)
10) Paul Kläui folgt ebenfalls Dändliker, 1944
Auch Paul Kläui, eine unangefochtene Kapazität der Zürcher Geschichtsschreibung und für sorgfältige Quellenarbeit bekannt, übernimmt 1944 in der Chronik der Bezirke Bülach, Dielsdorf und Pfäffikon die Ansichten von Dändliker:
«In diesem Jahr [1591, dem der Errichtung der selbstständigen Pfarrei] wurde ein Pfarrhaus erbaut und mit festen Mauern umgeben, da es in der Zeit der konfessionellen Spannung als militärischer Stützpunkt gegen Kaiserstuhl und die Grafschaft Baden dienen sollte.»
Man sieht: auch sonst seriöse Historiker prüfen nicht jede Jahrzahl nach, was in diesem Fall in den Zürcher Ratsmanualen allerdings nicht schwierig gewesen wäre. Die Formulierung «ein Pfarrhaus» würde immerhin noch die Hintertüre öffnen, dass damit die Befestigung des ersten Pfarrhauses in der Chälen gemeint gewesen sein könnte. Daran dachte Kläui aber wohl nicht.
11)-15) Dändlikers These breiter Konsens bis 1971
Angesichts dieser von Autoritäten gegebenen Vorlagen war die 1591er-These bis anfangs der 1970er-Jahre sozusagen in Stein gemeisselt:
«In diesem Jahr [1591, dem der Errichtung der selbstständigen Pfarrei] wurde ein Pfarrhaus erbaut und mit festen Mauern umgeben, da es in der Zeit der konfessionellen Spannung als militärischer Stützpunkt gegen Kaiserstuhl und die Grafschaft Baden dienen sollte.»
Man sieht: auch sonst seriöse Historiker prüfen nicht jede Jahrzahl nach, was in diesem Fall in den Zürcher Ratsmanualen allerdings nicht schwierig gewesen wäre. Die Formulierung «ein Pfarrhaus» würde immerhin noch die Hintertüre öffnen, dass damit die Befestigung des ersten Pfarrhauses in der Chälen gemeint gewesen sein könnte. Daran dachte Kläui aber wohl nicht.
11)-15) Dändlikers These breiter Konsens bis 1971
Angesichts dieser von Autoritäten gegebenen Vorlagen war die 1591er-These bis anfangs der 1970er-Jahre sozusagen in Stein gemeisselt:
In «Heimatkundliches aus dem Zürcher Unterland» vertritt alt Postdirektor Emil Rüd 1945 dieselbe Ansicht: «Das damals [1591] erbaute Pfarrhaus war mit festen Mauern mit einem Torbogen umgeben und diente zugleich als militärischer Stützpunkt gegen allfällige Angriffe von Kaiserstuhl-Hohentengen her.» Das neue Element mit dem Torbogen zeigt, dass er die Literatur gelesen hat (v.a. auch die über den Abbruch des Tores im Jahr 1838, vgl. Memorabilia Tigurina von 1841).
Das Heimatbuch «Kanton Zürich» (Band I) aus dem Jahre 1948 von Paul Kläui, Emanuel Dejung und Werner Ganz kopiert 1:1 die Version von 1944: «In diesem Jahr [1591] wurde ein Pfarrhaus erbaut und mit festen Mauern umgeben, da es in der Zeit der konfessionellen Spannung als militärischer Stützpunkt gegen Kaiserstuhl und die Grafschaft Baden dienen sollte.»
Das Heimatbuch «Kanton Zürich» (Band I) aus dem Jahre 1948 von Paul Kläui, Emanuel Dejung und Werner Ganz kopiert 1:1 die Version von 1944: «In diesem Jahr [1591] wurde ein Pfarrhaus erbaut und mit festen Mauern umgeben, da es in der Zeit der konfessionellen Spannung als militärischer Stützpunkt gegen Kaiserstuhl und die Grafschaft Baden dienen sollte.»
Das «Zürcher Pfarrerbuch 1519-1952», erschienen 1953, an dem Emanuel Dejung ebenfalls beteiligt war, notiert unter dem Eintrag von Pfarrer Johann Rudolf Erni (1637 bis 1659 Pfr. in Weiach): «dort entstand im Jahre 1658 eine große Feuersbrunst, bei der auch das Pfarrhaus abbrannte.» Und unter dem Stichwort «Baugeschichte» steht: «Bau einer neuen Kirche 1705, eines Pfarrhauses 1591.»
Marcel Hintermann schliesst sich dem in «Rund um Kaiserstuhl. Kaiserstuhl, Fisibach, Bachs, Weiach, Hohentengen, Herdern, Günzgen, Stetten, Lienheim» (erschienen im Selbstverlag, Oberglatt 1955) selbstverständlich an: «Das Pfarrhaus stammt aus dem Jahre 1591.» (Weiach: S. 40-44)
Auch Johann Jakob Ess setzt in seinem von der Zürcherischen Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege ZAW im NZZ-Verlag herausgegebenen Führer Auf Wanderwegen im Zürcher Unterland, Rafzerfeld und Weinland auf die herrschende Lehrmeinung (1. Aufl., 1958; 2. Aufl., 1964): «Pfarrhaus von 1591.»
16) Nussberger/Schneiter auf den Spuren Hedingers, 1962
Auch Johann Jakob Ess setzt in seinem von der Zürcherischen Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege ZAW im NZZ-Verlag herausgegebenen Führer Auf Wanderwegen im Zürcher Unterland, Rafzerfeld und Weinland auf die herrschende Lehrmeinung (1. Aufl., 1958; 2. Aufl., 1964): «Pfarrhaus von 1591.»
16) Nussberger/Schneiter auf den Spuren Hedingers, 1962
Die Neuausgabe des Heimatbuchs «Kanton Zürich. Heimatgeschichte und Wirtschaft. Neu bearbeitet und weitergeführt von Paul Nussberger und Eugen Schneiter. Bezirkschroniken des Kantons Zürich. Band V. Pfäffikon Bülach Dielsdorf» aus dem Jahre 1962 bringt gegenüber 1944 neben stilistischen Änderungen auch eine inhaltliche, wenn auch möglicherweise unbeabsichtigt:
«Im gleichen Jahre (1591) baute man das Pfarrhaus, das mitsamt der Kirche und dem Kirchhof mit einer Mauer umgeben wurde. Man wollte dadurch eine Art militärischen Stützpunkt anlegen, und zwar zum Schutze des zürcherischen Gebiets gegen allfällige, im Gefolge religiöser Spannungen mögliche Angriffe aus der Gegend von Kaiserstuhl.»
Die Formulierung des ersten Satzes erweckt den Eindruck, es sei 1591 ein Pfarrhaus gebaut worden und die (anscheinend bereits bestehenden Elemente) Kirche und Friedhof seien damals mit der Wehrmauer umgeben worden. Eine Interpretation, die sozusagen auf den Spuren von Hedinger 1937 wandelt. Und bemerkenswert angesichts des Umstandes, dass der Autor der 1944er Bezirkschroniken, Paul Kläui († 18. Juli 1964), zu diesem Zeitpunkt noch unter den Lebenden war.
Überdies erscheint der Begriff «militärischer Stützpunkt» – am Höhepunkt des Kalten Krieges – doch etwas dick aufgetragen.
17) Meierhofer-Nauer, 1963
Der damalige Weiacher Gemeindepräsident Albert Meierhofer-Nauer schrieb im Vorwort des Weiacher-Kies-Buches von 1963: «Das Pfarrhaus, 1591 erbaut, war mit festen Mauern und Torbogen umgeben. Es sollte als Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden und gegen Kaiserstuhl dienen (Reformationskriege)». Er übernimmt damit die Ansichten des HBLS von 1934.
«Im gleichen Jahre (1591) baute man das Pfarrhaus, das mitsamt der Kirche und dem Kirchhof mit einer Mauer umgeben wurde. Man wollte dadurch eine Art militärischen Stützpunkt anlegen, und zwar zum Schutze des zürcherischen Gebiets gegen allfällige, im Gefolge religiöser Spannungen mögliche Angriffe aus der Gegend von Kaiserstuhl.»
Die Formulierung des ersten Satzes erweckt den Eindruck, es sei 1591 ein Pfarrhaus gebaut worden und die (anscheinend bereits bestehenden Elemente) Kirche und Friedhof seien damals mit der Wehrmauer umgeben worden. Eine Interpretation, die sozusagen auf den Spuren von Hedinger 1937 wandelt. Und bemerkenswert angesichts des Umstandes, dass der Autor der 1944er Bezirkschroniken, Paul Kläui († 18. Juli 1964), zu diesem Zeitpunkt noch unter den Lebenden war.
Überdies erscheint der Begriff «militärischer Stützpunkt» – am Höhepunkt des Kalten Krieges – doch etwas dick aufgetragen.
17) Meierhofer-Nauer, 1963
Der damalige Weiacher Gemeindepräsident Albert Meierhofer-Nauer schrieb im Vorwort des Weiacher-Kies-Buches von 1963: «Das Pfarrhaus, 1591 erbaut, war mit festen Mauern und Torbogen umgeben. Es sollte als Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden und gegen Kaiserstuhl dienen (Reformationskriege)». Er übernimmt damit die Ansichten des HBLS von 1934.
18) Volksrecht, 1964
Ein in der Zeitung Volksrecht erschienener Artikel über Weiach enthält eine Mischung aus Dändliker (vgl. oben Abschnitt 5) und Hedinger (vgl. oben Abschnitt 8):
«Als die Gemeinde im Jahre 1591 eine eigene Kirche erhielt, musste das Pfarrhaus fast wie eine Burg ausgebaut werden, weil seit den Kappeler Kriegen (1529 bis 1531) immer noch Ausfälle aus der Grafschaft Baden befürchtet wurden.»
Man kann die Formulierung so deuten, dass sich der Autor nicht auf ein Baujahr 1591 für das Pfarrhaus festlegt.
19) Maurer, 1965
Emil Maurer steht in seinem 1965 von der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde herausgegebenen Broschüre «Die Kirche zu Weiach» noch in der alten Tradition, hat also den Hinweis von Staatsarchivar Largiadèr auf das Ratsmanual 1591 (damals wohl noch im Pfarrarchiv liegend) nicht gekannt:
«In den Zeiten der Konfessionskriege diente Weiach als Sammelplatz der Unterländer Truppen, da Zürich diesem «unserem Lande gefährlichen Pass» besondere Aufmerksamkeit schenkte. Daher wurde auch das Pfarrhaus befestigt.» (S. 7) und etwas weiter hinten: «[1591] wurde das Pfarrhaus erbaut und mit einer Mauer umgeben. Man wollte damit einen militärischen Stützpunkt anlegen zum Schutze des zürcherischen Gebietes gegen allfällige, im Gefolge der religiösen Spannungen möglichen Angriffe aus der Gegend von Kaiserstuhl.» (Maurer 1965, S. 8)
20) Baldinger 1967 u. 1969
Die Zeitung Die Tat vom 19. Januar 1967 war das erste von vier Presseerzeugnissen, das einen Artikel von Ernst Baldinger über Weiach unter dem völlig irreführenden Titel «Als Weiach die Badener fürchtete» veröffentlichte:
«Als Weiach 1591 seine erste Kirche bauen konnte, musste das Pfarrhaus fast burgartig angelegt und befestigt werden, weil seit den Kappelerkriegen von 1529 und 1531 noch immer Ausfälle aus der altgläubigen Grafschaft Baden befürchtet wurden.» (Die Tat, 19.1.1967, S. 4)
Im Gegensatz zur ähnlich gelagerten Passage im Volksrecht (vgl. oben Abschnitt 18) vermittelt Baldinger durch seine Formulierung den Eindruck, Pfarrhaus und Kirche seien samt Befestigung 1591 erbaut worden.
Die zweite Fundstelle in der Heinrich Hedinger sich in gedruckter Form zu Weiach äussert (zur ersten vgl. oben Abschnitt 8) ist das Büchlein Das Zürcher Unterland (Reihe Schweizer Heimatbücher, Nr. 153. Verlag Paul Haupt, Bern 1971):
«Erst 1591 erfolgte die Einrichtung einer eigenen Kirchgemeinde. Damals wurde der Friedhof zu einem militärischen Stützpunkt ausgestaltet.»
Das Pfarrhaus erwähnt Hedinger gar nicht mehr. Lediglich den Friedhof. Allerdings in falschem zeitlichen Zusammenhang. Der Friedhof lag zu dieser Zeit – archäologisch nachgewiesen (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 120) – noch an seinem früheren Standort, bei der 1705 abgebrochenen Kirche im Oberdorf.
22) Zollinger findet Largiadèrs Hinweis und schwenkt um
Erst Walter Zollinger setzt 1972 in seiner Monographie «Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach, 1271-1971» all diesen (voneinander abgeschriebenen) Datierungen etwas entgegen, wenn auch fast unmerklich, nämlich dadurch, dass er erwähnt, es habe sich 1591 um den Ankauf eines bestehenden Hauses gehandelt.
Unklar ist, ob Zollinger annahm, beim damals erworbenen Pfarrhaus handle es sich um das heutige – oder ob er schon geahnt hat, dass sie nicht identisch sein können. Dazu äussert er sich nämlich überhaupt nicht:
Unklar ist, ob Zollinger annahm, beim damals erworbenen Pfarrhaus handle es sich um das heutige – oder ob er schon geahnt hat, dass sie nicht identisch sein können. Dazu äussert er sich nämlich überhaupt nicht:
«Erst am 23. Januar 1591, wohl auf wiederholtes Drängen hin, wurde durch Ratsbeschluss und «auf einer lieben, getreuen Gmeind Wyach im Neuampt unttertänig Bitten, Ansuchen und Erbieten...» Weiach zu einer selbständigen Pfarrei erhoben. Hans Felix Schörrli war deren erster Pfarrer. Es wurde ihm «ein kürzlich angekauftes Haus mit Umgelände als Pfrundlokalität» angewiesen. In einem Ratsmandat vom 17. März 1591 heisst es dazu: «Der Kauf um Mathys Schöüblis Haus zu Weyach, den neuen Pfarrer darein zu setzen, wird bestätigt. Es soll nach und nach dieses Haus, was die Notdurft erfordert, erbaut und verbessert und dem Prädikanten etwas Zinses daran jährlich zu geben auferlegt werden.»» (Zollinger 1972, S. 30)
Mit dem «Ratsmandat» ist das Ratsmanual (d.h. das Beschlussprotokoll von Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich) gemeint, entsprechend einem heutigen Regierungsratsbeschluss (RRB). Die zum letzten Zitat gehörende Anmerkung 37 lautet: «Wiederum nach Pfr. E. Wipf (im Pfarrarchiv Weiach).» Verwiesen wird damit auf die wohl von Pfr. Kilchsperger dem Dossier Wipf beigelegte Mitteilung Largiadèrs von 1934.
Mit dem «Ratsmandat» ist das Ratsmanual (d.h. das Beschlussprotokoll von Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich) gemeint, entsprechend einem heutigen Regierungsratsbeschluss (RRB). Die zum letzten Zitat gehörende Anmerkung 37 lautet: «Wiederum nach Pfr. E. Wipf (im Pfarrarchiv Weiach).» Verwiesen wird damit auf die wohl von Pfr. Kilchsperger dem Dossier Wipf beigelegte Mitteilung Largiadèrs von 1934.
Nachwirkungen Dändlikers bis 1992
Mit Zollingers impliziter Falsifizierung von Dändlikers «Kappelerkriege-Hypothese» war die Mär vom Baujahr 1591 zumindest schwer angeschlagen, wenn nicht bereits erledigt. Aufgrund der schieren Menge an Publikationen der obgenannten teils renommierten Autoren wird sie natürlich auch danach noch über Jahre hinweg kolportiert.
23) Kunstführer durch die Schweiz, 1975
So beispielsweise im Kunstführer durch die Schweiz, 6., durchges. Aufl., 1975 – Bd. 1, S. 845:
23) Kunstführer durch die Schweiz, 1975
So beispielsweise im Kunstführer durch die Schweiz, 6., durchges. Aufl., 1975 – Bd. 1, S. 845:
«Als militärischer Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden und gegen Kaiserstuhl unter Einbeziehung des Pfarrhauses von 1591 und des Friedhofes vollständig neuerb. 1705-06 von Hans Casp. Werdmüller»
Diese Formulierung lässt den Schluss zu, dass der Friedhof bereits vor 1705 in der Nähe des Pfarrhauses lag, was nachweislich nicht der Fall ist.
24) VZGV-Jubiläumsschrift, 1981/1990
Auch der Weiacher Gemeindeschreiber Hans Meier hat 1981 in seinem Beitrag für «Die Gemeinden im Kanton Zürich» (Jubiläumsbroschüre des Vereins Zürcherischer Gemeinderatsschreiber und Verwaltungsbeamter) eine Anleihe bei Dändliker gemacht. Man kann zumindest auf die Idee kommen, der Ausbau des Friedhofs zum militärischen Stützpunkt sei schon zu Zeiten der Kappeler-Kriege erfolgt, nicht erst 1705/06 im Vorfeld des Zweiten Villmergerkriegs:
«Mit der Grafschaft Kyburg kam Weiach 1424 zu Zürich. In den folgenden Zeiten der Konfessionskriege diente es als Sammelplatz der Unterländer Truppen. Deshalb wurde der Friedhof bei der Kirche zu einem militärischen Stützpunkt ausgebaut und auch das Pfarrhaus befestigt.» (Meier VZGV, 1./2. Aufl. 1981, 3. Aufl. 1990)
Der letzte Satzteil erweckt überdies den Eindruck, das Pfarrhaus sei separat zum Friedhof befestigt worden, wo es in Wahrheit integraler Teil der Gesamtanlage ist.
25) Wehrkirchen-Buch aus deutschem Verlag, 1983
Karl Kolb hat in seinem Werk Wehrkirchen in Europa. Eine Bild-Dokumentation, erschienen im Echter Verlag, Würzburg 1983, die Weiacher Kirche erwähnt:
«In Weiach ZH wurde sogar die alte Kirche abgerissen und 200 Meter weiter an einer taktisch günstigeren Stelle eine neue von dem Züricher Festungingenieur Hans Caspar Werdmüller errichtet. Zusammen mit dem Pfarrhaus von 1591 und dem Friedhof entstand so ein Fort. Von dieser Kirchenfestung des 18. Jahrhunderts zeugen noch die Schießscharten in der hohen Friedhofsmauer.» (Kolb 1983, S. 133)
Auch hier wieder die Interpretation, das Pfarrhaus sei bereits 1591 als solches erbaut worden. Vgl. dazu meine Besprechung dieses Buches aus dem Jahre 2006 in WeiachBlog Nr. 296.
26) Ein vierter Wanderführer, 1986
Nach Hedinger 1937 (vgl. oben Abschnitt 8) und Ess 1958 und 1964 (vgl. oben Abschnitt 11-15) legte Gottfried Bär 1986 eine fünfte, überarbeitete Auflage unter demselben Titel Auf Wanderwegen im Zürcher Unterland, Rafzerfeld und Weinland vor:
«Sehr bewegt ist die Geschichte des Ortes im Mittelalter. Später wurde er zum Truppensammelplatz, wovon noch heute die 1705/06 erstellte Wehranlage, die Friedhofmauer mit Schiessscharten, zeugt. Zu gleicher Zeit wurde die Kirche erbaut und mit dem Pfarrhaus von 1591 mit in die Anlage einbezogen.» (Bär, 5. Aufl., 1986)
Nicht nur die Mauer selber, sondern auch die in den Ecken derselben stehenden Gebäude (mit Ausnahme des 1857 erstellten Alten Gemeindehauses) weisen Schiessscharten auf. Bei der Pfarrscheune sind sie heute noch zu sehen. Immerhin hat Bär hier eine Formulierung gewählt, die die zeitlichen Verhältnisse korrekt darstellt. Einzige Ausnahme: das damals schon seit fast anderthalb Jahrzehnten überholte Baudatum 1591 für das Pfarrhaus.
27) Weiacher Schulklasse ignoriert Zollingers Chronik, 1989
Die jüngste Publikation, die noch das Baujahr 1591 für das Pfarrhaus kolportiert, ist in dem vom Pestalozzianum 1992 in Zürich herausgegebenen Band «Panorama Kanton Zürich. Schulklassen sehen ihre Gemeinde» (Hrsg.: Ch. Doelker) enthalten. Unter der Rubrik «H Was wir auch noch zeigen wollten: Aussergewöhnliches, anders als anderswo.» steht da auf S. 199 unter dem Titel «Schiessscharten in der Friedhofmauer» u.a. folgender Text:
«Die neue Kirche von Weiach wurde 1706 aus militärischen Gründen neben dem Pfarrhaus von 1591 erbaut. Die Friedhofmauer mit ihren Schiessscharten diente zusammen mit der Kirche, dem Pfarrhaus und dem Pfarrschopf als "Burg".»
Auch die Weiacher 5./6. Klasse des Jahrgangs 1989 unter dem Lehrer Claudio Bernasconi von der dieser Beitrag stammt, hat das Pfarrhaus noch mit dem von Vogel eingebrachten Baujahr belegt. Das Baujahr der Kirche und die aus dem Textzusammenhang hervorgehende Einordnung der Wehranlage am Beginn des 18. Jahrhunderts hingegen folgen den heutigen Erkenntnissen. Dass die Pfarrscheune explizit als Teil der Fortifikation genannt wird zeichnet diese Wortmeldung besonders aus.
Allerdings muss man leider festhalten, dass Zollingers Chronik (vgl. oben Abschnitt 22) offensichtlich nicht gelesen und rezipiert worden ist. Ja, man muss sogar annehmen, dass kein Exemplar in der Schulbibliothek auflag. Wahrscheinlich in der Meinung, dass 1972 ja jeder Weiacher Haushaltung ein Exemplar zugestellt worden sei, bzw. der Gemeindeschreiber den Neuzuzügern bei der Aushändigung des Schriftenempfangsscheins eins in die Hand gedrückt habe.
Allerdings muss man leider festhalten, dass Zollingers Chronik (vgl. oben Abschnitt 22) offensichtlich nicht gelesen und rezipiert worden ist. Ja, man muss sogar annehmen, dass kein Exemplar in der Schulbibliothek auflag. Wahrscheinlich in der Meinung, dass 1972 ja jeder Weiacher Haushaltung ein Exemplar zugestellt worden sei, bzw. der Gemeindeschreiber den Neuzuzügern bei der Aushändigung des Schriftenempfangsscheins eins in die Hand gedrückt habe.
28) Kantonale Denkmalpflege auf HBLS-Pfaden, 1995
Nach 1992 scheint keine Publikation mehr das Baujahr 1591 zu verwenden (vgl. den Nachtrag am Schluss dieses Beitrags). Dafür wurde nun das Ersatzjahr aus dem Historisch-biographischen Lexikon der Schweiz herangezogen, wie man am Bericht der Zürcher Denkmalpflege für die Jahre 1983 bis 1986 sieht (publiziert im Jahre 1995):
«WEIACH - BÜELSTRASSE 17
Reformiertes Pfarrhaus Vers. Nr. 245
Reformiertes Pfarrhaus Vers. Nr. 245
Das Weiacher Pfarrhaus dürfte zu Beginn des 18. Jh. als dreigeschossiger Massivbau neu erstellt worden sein. 1838 wurde der nordöstlichen Traufseite ein zweigeschossiger Anbau in Mischbauweise angegliedert, welcher unter anderem zur Unterbringung des Aborts diente; gleichzeitig erfolgte ein Waschhausneubau. 1983 Fassaden‑ und Dachrenovation. 1987 trat der Kanton die Liegenschaft an die reformierte Kirchgemeinde Weiach ab.
Literatur: Kdm Kt. ZH, Bd. 2, S. 144; ‑ W. Zollinger, Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach 1271‑1971, Weiach 1971, S. 30.»
(ZÜRCHER DENKMALPFLEGE: 11. BERICHT 1983‑1986. Kanton Zürich und von der kantonalen Denkmalpflege betreute Objekte in den Städten Winterthur und Zürich, S. 196)
(ZÜRCHER DENKMALPFLEGE: 11. BERICHT 1983‑1986. Kanton Zürich und von der kantonalen Denkmalpflege betreute Objekte in den Städten Winterthur und Zürich, S. 196)
Man sieht, dass die Fachexperten Zollingers 1972 publizierte Erkenntnisse sehr wohl rezipiert haben, jedoch in Ermangelung besserer Daten einstweilen eine vorsichtige Annäherung an die vom HBLS 1934 genannte Bauzeit vorgenommen haben.
29) Kunstführer durch den Kanton Zürich, 2008
Die aktuellste Ausgabe des Kunstführers durch die Schweiz (Bd. 1 von 2005) erwähnt das Weiacher Pfarrhaus nicht mehr. Wohl aber der davon abgeleitete, 2008 publizierte Kunstführer durch den Kanton Zürich. Dort findet man auf S. 249 die folgenden Zeilen zum Pfarrhaus:
«BÜHLSTRASSE Nr. 17, ref. Pfarrhaus. Erb. 1564d als Wohnhaus, seit 1594 Pfarrhaus; Umbauten 18./19. Jh.; Aussenrenov. 1997.»
Hier wird erstmals in der gedruckten Literatur eine Datierung des Pfarrhauses vor der Einrichtung der selbstständigen Pfarrei vorgenommen! Eine dendrochronologische Analyse des Dachstuhls hatte inzwischen 1564d ergeben, d.h. ein Baujahr zwischen 1564 und 1566, wenn man von der früher üblichen Praxis ausgeht, frisches oder erst vor kurzem dem Wald entnommenes Holz zu verbauen.
Warum in diesem Kunstführer die Strassenbezeichnung auf hochdeutsch umgepolt werden musste, ist völlig unverständlich. Zumal der am Kunstführer durch den Kanton Zürich beteiligte Roland Böhmer bei der Kantonalen Denkmalpflege tätig ist (1995 hat die gleiche Behörde das nämlich noch richtig hinbekommen; vgl. vorstehenden Abschnitt 28).
Hier wird erstmals in der gedruckten Literatur eine Datierung des Pfarrhauses vor der Einrichtung der selbstständigen Pfarrei vorgenommen! Eine dendrochronologische Analyse des Dachstuhls hatte inzwischen 1564d ergeben, d.h. ein Baujahr zwischen 1564 und 1566, wenn man von der früher üblichen Praxis ausgeht, frisches oder erst vor kurzem dem Wald entnommenes Holz zu verbauen.
Warum in diesem Kunstführer die Strassenbezeichnung auf hochdeutsch umgepolt werden musste, ist völlig unverständlich. Zumal der am Kunstführer durch den Kanton Zürich beteiligte Roland Böhmer bei der Kantonalen Denkmalpflege tätig ist (1995 hat die gleiche Behörde das nämlich noch richtig hinbekommen; vgl. vorstehenden Abschnitt 28).
Fazit
Eingangs habe ich die Baujahrdaten 1564, 1658 und 1707 erwähnt. Nach aktuellem Stand der Erkenntnisse ist aufgrund einer Dendrodatierung des Dachstuhls das älteste der genannten Jahre anzunehmen. Es bleibt zu hoffen, dass der Kunstführer durch den Kanton Zürich zumindest bezüglich des Baujahrs des heutigen Pfarrhauses breite Rezeption findet. Das seit Vogel 1845 kursierende, nachweislich falsche Baujahr 1591 muss nun wirklich nicht weiter durch die Literatur geistern.
Gleiches gilt für die zeitliche Einordnung der Wehrbauten. Die Einordnung an den Beginn des 18. Jahrhunderts hatte lange Jahre Konkurrenz durch die Kappelerkriege-Hypothese Dändlikers, der auch gleich den Anlass dafür präsentierte. Nach heutiger Lesart war der Anlass 1705 die (nach Ansicht des damaligen Pfarrers) zu kleine Kirche im Oberdorf.
Und so kann man nun mutmassen, dass dort entweder der Platz für eine grössere Kirche nicht verfügbar war, oder man unabhängig davon den Wunsch hatte, die Kirche neben dem bereits bestehenden Pfarrhaus im Büel platziert zu sehen. Zu welchem Zeitpunkt der Entscheid für die fortifikatorischen Elemente getroffen wurde (nach der Wahl des Bauplatzes oder schon vorher), ist eine offene Frage.
Die martialische Mauer mit Schiessscharten, die heute noch die Besonderheit des Weiacher Kirchenbezirks ausmacht, wird von etlichen Autoren (auch aufgrund von Dändlikers Hypothese) dem heutigen Pfarrhaus schon für das ausgehende 16. Jahrhundert zugeschrieben. Auch das ist nach wie vor eine offene Frage, wie dieses «mit festen Mauern umschlossen» (Vogel 1845) konkret ausgesehen hat.
Hinweis: Die Diskussion der Frage, ab wann das Gebäude Büelstrasse 17 tatsächlich zum Pfarrhaus wurde, bereits 1594 (wie vom Kunstführer durch den Kanton Zürich behauptet), oder erst später, ist einem kommenden WeiachBlog-Beitrag vorbehalten.
Nachtrag vom 19. Januar 2020, 17:30
Der vorstehende Beitrag bespricht die gedruckte Literatur. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Autor dieser Zeilen selber im Jahre 2000 das heutige Pfarrhaus mit dem 1591 angekauften verwechselt hat:
«Das Pfarrhaus kam 1591 in den Besitz der Zürcher Regierung und wahrscheinlich gehörte schon eine Scheune dazu.» (Weiacher Geschichte(n) Nr. 4, Gesamtausgabe S. 6. Publiziert in: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW), März 2000).
Einige Jahre später war dann klar, dass es zwei Pfarrhäuser gegeben haben muss:
«Das Pfarrhaus wurde im Jahre 1591 von der Zürcher Regierung gekauft, um den ersten in Weiach ansässigen Pfarrer dort einzuquartieren. Man plante, das Haus nach und nach zu renovieren. Das heutige Pfarrhaus ist also entweder älter (es gibt Dachbalken von 1564!) oder doch erst aus den Jahren 1706/07. Um 1650 soll es nämlich einmal abgebrannt sein. Die Frage des Alters dieses Hauses ist aber nach wie vor ein ungelöstes Rätsel.» (Weiacher Geschichte(n) Nr. 89, Gesamtausgabe S. 330. Publiziert in Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW), April 2007).
Eingangs habe ich die Baujahrdaten 1564, 1658 und 1707 erwähnt. Nach aktuellem Stand der Erkenntnisse ist aufgrund einer Dendrodatierung des Dachstuhls das älteste der genannten Jahre anzunehmen. Es bleibt zu hoffen, dass der Kunstführer durch den Kanton Zürich zumindest bezüglich des Baujahrs des heutigen Pfarrhauses breite Rezeption findet. Das seit Vogel 1845 kursierende, nachweislich falsche Baujahr 1591 muss nun wirklich nicht weiter durch die Literatur geistern.
Gleiches gilt für die zeitliche Einordnung der Wehrbauten. Die Einordnung an den Beginn des 18. Jahrhunderts hatte lange Jahre Konkurrenz durch die Kappelerkriege-Hypothese Dändlikers, der auch gleich den Anlass dafür präsentierte. Nach heutiger Lesart war der Anlass 1705 die (nach Ansicht des damaligen Pfarrers) zu kleine Kirche im Oberdorf.
Und so kann man nun mutmassen, dass dort entweder der Platz für eine grössere Kirche nicht verfügbar war, oder man unabhängig davon den Wunsch hatte, die Kirche neben dem bereits bestehenden Pfarrhaus im Büel platziert zu sehen. Zu welchem Zeitpunkt der Entscheid für die fortifikatorischen Elemente getroffen wurde (nach der Wahl des Bauplatzes oder schon vorher), ist eine offene Frage.
Die martialische Mauer mit Schiessscharten, die heute noch die Besonderheit des Weiacher Kirchenbezirks ausmacht, wird von etlichen Autoren (auch aufgrund von Dändlikers Hypothese) dem heutigen Pfarrhaus schon für das ausgehende 16. Jahrhundert zugeschrieben. Auch das ist nach wie vor eine offene Frage, wie dieses «mit festen Mauern umschlossen» (Vogel 1845) konkret ausgesehen hat.
Hinweis: Die Diskussion der Frage, ab wann das Gebäude Büelstrasse 17 tatsächlich zum Pfarrhaus wurde, bereits 1594 (wie vom Kunstführer durch den Kanton Zürich behauptet), oder erst später, ist einem kommenden WeiachBlog-Beitrag vorbehalten.
Nachtrag vom 19. Januar 2020, 17:30
Der vorstehende Beitrag bespricht die gedruckte Literatur. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Autor dieser Zeilen selber im Jahre 2000 das heutige Pfarrhaus mit dem 1591 angekauften verwechselt hat:
«Das Pfarrhaus kam 1591 in den Besitz der Zürcher Regierung und wahrscheinlich gehörte schon eine Scheune dazu.» (Weiacher Geschichte(n) Nr. 4, Gesamtausgabe S. 6. Publiziert in: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW), März 2000).
Einige Jahre später war dann klar, dass es zwei Pfarrhäuser gegeben haben muss:
«Das Pfarrhaus wurde im Jahre 1591 von der Zürcher Regierung gekauft, um den ersten in Weiach ansässigen Pfarrer dort einzuquartieren. Man plante, das Haus nach und nach zu renovieren. Das heutige Pfarrhaus ist also entweder älter (es gibt Dachbalken von 1564!) oder doch erst aus den Jahren 1706/07. Um 1650 soll es nämlich einmal abgebrannt sein. Die Frage des Alters dieses Hauses ist aber nach wie vor ein ungelöstes Rätsel.» (Weiacher Geschichte(n) Nr. 89, Gesamtausgabe S. 330. Publiziert in Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW), April 2007).
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