Freitag, 3. Januar 2020

Opulente Festessen auf Steuerzahlers Kosten – trotz Hungerjahren

«Kosten bei der Entgegennahme der Huldigung». So lautet der Titel des Stücks Nr. 27 im Band Neuamt der «Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen», einem regelrechten Jahrhundertprojekt des Schweizerischen Juristenvereins.

Eine Spesenabrechnung aus teurer Zeit

Nummer 27 ist sozusagen eine Spesenabrechnung, umfassend mehrere Seiten, in denen detailliert aufgeführt wird, was die Amtseinführung des neuen Obervogtes Rahn im Neuamt so alles gekostet hat. Samt Verpflegung für Dutzende von Amtsträgern, die selbstverständlich an diesem feierlichen Treueschwur, genannt Huldigung, besonders in die Pflicht genommen wurden.

Der Hauptanlass mit einem Essen für über 70 Personen fand in Niederglatt statt, wo sich das Zentrum der Obervogtei befand. Ein Nebenanlass wurde offenbar jeweils in Weiach organisiert, mit einem anschliessenden Festessen im Pfarrhaus, wo auch die Amtsträger der Gemeinde eingeladen waren, unter anderem Untervogt (Gemeindepräsident), Geschworne (Richter des Dorfgerichts) und Ehgaumer (Sittenpolizist).

Viele Leckereien aufgetischt

Anfangs November 1690, in der Amtszeit von Pfr. Seeholzer, nahmen mindestens 24 Personen an diesem Mahl zu Ehren des neuen Obervogtes Rahn teil. Es scheint so gewesen zu sein, dass das Catering vom selben Wirt übernommen wurde, der auch in Niederglatt für die Bewirtung der Gäste zuständig war. Er hat jedenfalls die Rechnung für die Leckereien gestellt, die an diesem Abend in Weiach aufgetischt wurden:

1 hasen, 3 par güggel, 1 ganß, 5 par tauben, Ein 4 pfündig grüne und ein tigne (leicht gedörrte) zungen, 1 schwynene hammen [...], 38 lib fleisch, sowie Wein für 24 Personen.

Zusätzlich mussten noch sieben Pferde verpflegt werden.

Das alles hinterlässt einen etwas schalen Beigeschmack, wenn man weiss, dass in diesen Jahren die normale Bevölkerung ziemlich schmal durchs Leben gehen musste und sich dergleichen in der Regel nicht leisten konnte, die wenigen Wohlhabenden ausgenommen. Bearbeiter Thomas Weibel schreibt dazu in Anmerkung 5 zu Nr. 27: «Die Jahre 1689 bis 1695 waren in der Ostschweiz ausgesprochene Hungerjahre». Entsprechend viel kostete das Essen dann auch.

Die hohen Herren übernachteten im Pfarrhaus

Interessant für die Geschichte des ältesten Gebäudes in der Gemeinde wird es, wenn man eine weitere Fussnote am Ende von Stück Nr. 27 liest. In Anmerkung 3 schreibt der Bearbeiter Thomas Weibel:

«Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts übernachteten die Obervögte mit ihrem Gefolge im Pfarrhaus, wo sie und die eingeladenen Gäste auch verpflegt wurden. (StAZH A 135.3 Nr. 224, 230, 232, A 135.4 Nr. 67b, 88b und 92b).» (Rechtsquellen Neuamt, Nr. 27, Anmerkung 3, S. 103)

Die Signatur A 135.3 enthält Dokumente aus den Jahren 1573 bis 1660, A 135.4 aus den Jahren 1661 bis 1797. Es ist nicht klar, ob die in der Anmerkung genannten Fundstellen alle Weiach betreffen.

Klar ist aber, dass 1690 nach dem Nachtmahl und einem Schlaftrunk mindestens sieben Personen im Pfarrhaus übernachtet haben. Darunter Obervogt Rahn. Pfr. Seeholzer erhielt dafür «Nach altem brauch für das nachtläger» 1 fl. 32 ß

Solche hohen Herren haben gewisse Ansprüche an den Komfort. Da bietet sich das repräsentativste Haus am Platz natürlich an. Und das war und ist das heutige Pfarrhaus, das bereits damals (noch vor dem Bau der neuen Kirche) im Bühl gestanden hat.

Das alte Pfarrhaus, das wahrscheinlich in der Chälen stand, ist 1658 abgebrannt. Danach brauchte man einen Ersatz. Nicht geklärt ist bislang, ob die Zürcher Obrigkeit diesen kurz darauf oder erst später im 1564/65 erbauten heutigen Pfarrhaus fand.

Quelle
  • Weibel, Th.: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. I. Abteilung. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil. Rechte der Landschaft; Erster Band. Das Neuamt – Aarau 1996.

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