Donnerstag, 2. Januar 2020

Ökosparmassnahme? Nein, ein Schuss ins eigene Knie

Eine Ära ist definitiv zu Ende gegangen: die der gemeinsamen Informationsplattform aus einer Hand für alle Einwohnerinnen und Einwohner von Weiach.

Die Januar-Nummer des Mitteilungsblatts Gemeinde Weiach (MBGW, oder wie die Publikation nun offiziell heissen mag, vgl. WeiachBlog Nr. 1391, Abschnitt «Name nicht reglementskonform»,  Katalog Swissbib und die beiden Bilder unten) läutet die neue Zeit ein.


Am Auftakt zu den 20er-Jahren beginnt in Weiach eine Art Zweiklassengesellschaft bei der Information:
  • Auf der einen Seite eine Gruppe von Haushalten, die sich aktiv darum bemüht haben, weiterhin wie bisher im Push-Verfahren jeden Monat das Mitteilungsblatt in physischer Form in den Briefkasten gelegt zu bekommen.
  • Und auf der anderen eine Gruppe, die - aus welchen Gründen auch immer - sich bei der Gemeindeverwaltung nicht gemeldet hat und nun nicht mehr beliefert wird.
Wie gross die beiden Gruppen sind, wird noch Gegenstand einer Nachfrage bei der zuständigen Gemeindemitarbeiterin sein.


Ein angeblicher Vorteil, sonst nur Nachteile

Dass dieses Verfahren jeden Monat viel Papier und etwas Steuergeld spart - vom Gemeinderat in jeder Ausgabe der letzten Monate gross herausgestrichen (vgl. z.B. MBGW Dezember 2019, S. 5, s. oben) - ist der einzige vordergründig positive Punkt der Neuerung. Leider bringt die Veränderung durchs Band weg deutliche Verschlechterungen, sogar punkto Umweltschutz:

1. Reichweite: Alle Haushalte?
2. Ungleichbehandlung Print vs. Elektronisch!
3. Einheitliches Publikationsorgan ade
4. Erinnerungseffekt durch Push-Verfahren fällt weg
5. Reduktion der Zettelflut? Ziel von 1982 gefährdet

Die fünf Punkte hängen eng zusammen, wir gehen sie trotzdem einzeln durch:

1. Reichweitensenkung inbegriffen

Der Entscheid, nicht mehr automatisch alle Haushalte zu beliefern hat Folgen für die Attraktivität des Publikationsmittels. Bislang war es so, dass, wer redaktionelle Inhalte in den MGW publizieren liess, sicher sein konnte, dass sie alle Haushalte auch wirklich erreicht.

Klar, das bedeutet nicht, dass sie auch gelesen werden. Man kann das aber auch von den Grossauflagen der Regionalzeitungen nicht behaupten, die in alle Haushalte gelangen. Wer sicherstellen will, dass ALLE Haushalte eine Nachricht erhalten, der hat mit dem Push-Verfahren die Garantie der Reichweite.

Der Gemeinderat mag nun einwenden, man könne das Mitteilungblatt doch jeden Monat von der Website herunterladen. Ja, das kann man. Aber Hand aufs Herz, wer macht das wirklich? De facto wohl die wenigsten. Die, die sie sich daran erinnern.

Für die Vereinigung Gewerbe Weiach bedeutet dieser Reichweitenverlust eine signifikante Einbusse an Attraktivität des Werbeplatzes. Denn für Werbetreibende ist nun nicht einmal mehr klar, wie viele Haushalte noch erreicht werden - geschweige denn wie deren Zusammensetzung ist. Man kann nur noch mutmassen, das seien diejenigen, die sich noch halbwegs für das Geschehen im Dorf interessieren. Mehr nicht.

2. Print vs. Elektronisch. Der Internet-User als Stiefkind

Es fing letztes Jahr bereits an. Als die Website der Politischen Gemeinde als deren offizielles Publikationsorgan bezeichnet wurde. Und man die Kategorie Amtliche Publikationen auf der Website einführte. Seither ist nicht mehr sichergestellt, dass all das, was elektronisch auf der Website amtlich publiziert worden ist, auch seinen Niederschlag in der nächsten Nummer des Mitteilungsblattes findet.

Und es geht weiter: seit heute wird die Gruppe der Print-Besteller anders behandelt als die Nicht-Besteller. Wer den Talon eingeschickt hat, der bekommt wie bisher die Print-Ausgabe.

Wer aber - im Sinne des Gemeinderates ökologisch denkend - nur noch die elektronische Ausgabe will, der muss sich SELBER jeden Monat daran erinnern, sie sich herunterzuladen.

Von einem e-mail-Erinnerungsdienst, den man abonnieren kann, liest man in der Mitteilung der Frau Orschel kein Wort. Den gibt es schlicht nicht. Notabene auch für die Amtlichen Publikationen nicht.

Auf elektronisch gibt es nur Pull. Und in Print gibt es nur Push. Sehr logisch. Vor allem, wenn man Papier sparen will.

Man kann es kaum glauben, dass das Internet für unsere Gemeindeverwaltung heutzutage immer noch Neuland ist (Gruss an die deutsche Bundeskanzlerin Merkel). Dabei wäre es für backslash, den Dienstleister, welcher der Gemeinde die Website-Plattform zur Verfügung stellt, absolut kein Problem, einen solchen e-mail-Erinnerungsdienst einzubauen.

Man kann das so konfigurieren, dass der Abonnent sofort bei Publikation, einmal pro Woche die Amtlichen Publikationen erhält und/oder einmal pro Monat das Mitteilungsblatt. Dazu noch den Beleuchtenden Bericht bei Gemeindeversammlungen, wenn es jeweils einen gibt. Oder den halt nicht, wenn man sowieso nicht abstimmen gehen kann oder will. Wie's halt beliebt.

Dann und nur dann hätten die Gruppen Print und Elektronisch gleich lange Spiesse.

3. Einheitliches Publikationsorgan ade

Bislang war es so, dass wirklich ALLE wichtigen Informationen im Mitteilungsblatt standen. Die MGW waren für den Gemeinderat, die Schulpflege und die Kirchenpflege amtliches Publikationsorgan. Und wer in Weiach wohnte konnte sicher sein, dass er genau an einem Ort nachschauen musste, um à jour zu bleiben.

Heute herrscht die totale Zersplitterung. Der Entscheid des Gemeinderates dem Mitteilungsblatt den offiziellen Status zu entziehen hat sie noch nicht bewirkt. Wohl aber die nicht zu Ende gedachte Idee von der Einsparung an Papier und Geld.

Nun hat auch die Kirchenpflege entschieden, ihre eigene Website kirche-weiach.ch zum amtlichen Publikationsorgan zu machen (vgl. MBGW, Dezember 2019, S. 15):





Damit verliert das Mitteilungblatt als Plattform weiter an Bedeutung. Die integrierende Wirkung der Publikation verflüchtigt sich zusehends. Und damit der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft.

Exemplarisches Beispiel ist der Flyer, der von einem Teil des OK Dorffest 2021 (in alle Briefkästen?) verteilt wurde, um Schauspieler, Statisten, etc. für das Musical zu finden, das dannzumal aufgeführt werden soll. Warum wurde dieses Flugblatt nicht ins Mitteilungsblatt aufgenommen?

4. Erinnerungseffekt fällt weg

Für die Gruppe, die nicht aktiv die Print-Ausgabe bestellt hat, fällt der monatliche Erinnerungseffekt weg. Der ist wichtig, auch für Personen, die nicht jede Ausgabe in die Hand nehmen. Manchmal will man dann doch noch etwas nachschauen. Und zwar auf Papier, nicht auf einem Smartphone.

Es ist ja schon paradox, dass die Gemeindeväter nicht müde werden, die kleine Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen auf kantonaler und nationaler Ebene, aber auch an Gemeindeversammlungen, zu beklagen, dann aber hingehen und das bisher schlagkräftigste Instrument einheitlicher Information einfach so aus der Hand geben.

Für den Zusammenhalt in der Gemeinde gilt das in noch höherem Masse: Wie will man denn den Zusammenhalt zwischen Alt- und Neu-Weiach fördern, wenn nicht vor allem durch Informationsmittel?

Auch deshalb braucht es gleich lange Spiesse für die Print-Affinen wie für die Digital Natives (vgl. Pt. 2 oben).

5. Reduktion der Zettelflut? Vergessen Sie's! Zurück ins Jahr 1981

Das Ziel der Gründer der Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW) war 1982 nicht zuletzt, der grassierenden Zettelflut etwas entgegenzusetzen. Das war anfangs der 1980er-Jahre schon ein Problem. Was die Informationen auf Gemeindeebene betrifft, haben die MGW das Problem in den letzten vier Jahrzehnten ganz gut bewältigt. Was aber wird nun passieren?

Da man als Informationsanbieter nicht mehr sicher sein kann, dass man die eigene Zielgruppe auch erreicht, wird nun wieder vermehrt auf Wurfsendungen in alle Haushalte gesetzt. Die Zettelflut nimmt noch mehr zu. Und das ist dann ökologischer, liebe Gemeindeväter? Post und private Verteildienste haben natürlich ihre Freude an zusätzlichen Aufträgen, aber für die Umwelt ist rein gar nichts gewonnen. Im Gegenteil.

Fazit der Sparaktion

Wir stehen erneut vor einer Zettelflut, die wieder jeder für sich allein veranstaltet - je nach Zielgruppe und Budget. Mauro Lenisa sel. würde sich im Grab umdrehen.

Diese Sparübung ist ein fulminantes Eigentor, das nur eines befördert: das weitere Auseinanderdriften von Einwohnern und Dorfteilen. Integration geht anders.

Massnahme

Führt endlich einen e-mail-Erinnerungsdienst ein! Dann klappt es auch mit den Digital Natives.

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