Samstag, 4. Januar 2020

Kirchenbau zu Weyach: 1705, 1706 oder doch 1707?

Bei einem Bauwerk ist es so eine Sache mit der genauen Datierung. Da es keine über die Jahrhunderte allgemein verbindliche Konvention darüber gibt (und wohl auch nie geben wird), ob man nun den Baubeginn, die Fertigstellung des Rohbaus (Aufrichte des Dachstuhls oder Dach fertig gedeckt?) oder erst die förmliche Inbetriebnahme als Bauwerkdatum wertet, gibt es bei länger dauernden Vorhaben auch Interpretationsspielraum bei den Jahrzahlen.

So ist das jedenfalls bei der heutigen Weiacher Kirche im Bühl. Sie wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Teil einer von Festungsbaumeister Hans Caspar Werdmüller konzipierten Gesamtanlage erstellt. In den neuen Kirchenbezirk wurde das schon bestehende heutige Pfarrhaus integriert, weiter die damals neu erstellte Pfarrscheune.

Meister 1716: kein Gebäude in der Südwestecke

Die älteste Darstellung des Kirchenbezirks Weiach aus der Feder von Heinrich Meister (1700-1781) ist auf dem Werk selber nicht datiert, weder bezüglich Entstehungsdatum der Zeichnung (lediglich indirekt erschlossen, vgl. Bibliothekskataloge), noch bezüglich Baujahr der abgebildeten Anlage.

Ab wann in der Südwestecke der Ummauerung am Platz des heutigen Alten Gemeindehauses ein kommunales Gebäude stand, ist bislang nicht bekannt. Es muss im Verlaufe des 18. Jahrhunderts erstellt worden sein, denn das 1802 an dieser Stelle errichtete Schulhaus war ein Ersatzbau für das 1799 abgebrannte Gemeinde-, Schul- und Spritzenhaus (vgl. WeiachBlog Nr. 1441).

Auf Meisters Zeichnung ist an dieser Stelle kein Gebäude abgebildet. Eine Erörterung, ob es sich dabei um künstlerische Freiheit gehandelt hat, gibt WeiachBlog Nr. 1456.


Zur im Titel gestellten Frage gehen wir sämtliche in Bibliotheken vorliegenden publizierten Werke durch, die eine Aussage dazu enthalten – und zwar in chronologischer Folge ihres Erscheinens:

1) Gessner Hand-Büchlein 1716: «Gantz neu aufgebauet»

Das bei David Geßner «getruckte» Werk mit dem inhaltsverzeichnisartigen Titel «Historisches Hand-Büchlein, Zürich-Helvetischer Jahr-Zeit-Geschichten. Darinnen Nach ordnung der Jahren alles was in der Natur auch Geist- und Weltlichen Sachen, in der Stadt und Landschafft Zürich, auch beyfällig in ganzem Helvetien von erstem anbeginn ermeldter Stadt bis auf gegenwärtige Zeit merckwürdiges sich zugetragen, kurz begrifflich vorgestellet wird», erschien im Jahre 1716 in der Stadt Zürich. [Google Books]


Auf Seite 283 wird zum Jahr 1707 festgehalten: «In disem Jahr ward die Kirch zu Wallisellen zu einer eignen auß der Stadt zuversehenden Filial gemacht, auch die Kirch zu Embrach erneueret und zu Weyach gantz neu aufgebauet. Diß Jahr war ein gar gesegneter Herbst, daß man bald nicht genug Geschirr und Standen selbigen einzusammlen bekommen können.»

2) Bluntschlis Memorabilia 1742

In den Memorabilia Tigurina erscheint Weiach erst in der dritten Auflage von 1742 mit einem eigenen Ortsartikel auf Seite 533: «Erster Pfarrer daselbst ware, Nicolaus Ländern, An. 1540. Dermahlen, Rudolff Wolff, An. 1707. Conf. Tit. Kirchen-Gebäu, ad. An. 1707» (vgl. WeiachBlog Nr. 372). Der Amtsvorgänger von Wolf, Pfr. Seeholzer starb am 16. November 1707. Wolf wurde noch 1707 gewählt, trat sein Amt gemäss Zürcher Pfarrerbuch aber erst 1708 an.


Im Ortsartikel wird verwiesen auf den Artikel «Kirchen-Gebäue und Pfrund-Stifftungen» (ab S. 243), wo einleitend vermerkt wird: «Derselbigen hat eine Gnäd. Hohe Land-Oberkeit der Stadt und Landschafft Zürich, nach dero Preiß-würdigem Eifer, zu Beförderung der Ehr und Lehr Gottes, bey einem halben Seculo eine grosse Anzahl theils neu aufbauen, theils vergrösseren lassen. Als:» [es folgen Bauvorhaben aus fünf Jahrzehnten]

Und hier steht schon etwas mehr als 1716 im Büchlein aus dem Hause Gessner: «An. 1707 ist die Kirch zu Embrach ansehnlich erneuert und verbessert worden, unter Pfarrer Hr. Bernhard Korrodi. 
Diß Jahrs wurde neu erbauet, und auf einen anderen Platz gesezt die Kirch zu Weyach, unter Pfarrer Hr. Heinrich Brennwald. (S. 245)


3) Leu's Lexicon 1764

Im Allgemeinen Helvetischen, Eydgenössischen, Oder Schweizerischen LEXICON enthält der Artikel über Weyach die Passage «Die Kirch daselbst ward A. 1707 neu und auf ein andern Platz erbauet, und stosst die Pfarr an die Pfarren Glattfelden, Stadel und Bachs in dem Zürich-Gebiet, und an die von Thengen und Kayserstuhl aussert demselben, wird von der Stadt Zürich bestellt, und gehört in das Eglisauer-Capitul.» (Leu, Bd. XIX,  S. 396; vollständiger Titel des Werks und Text des Artikels siehe Weiacher Geschichte(n) Nr. 5)

4) David von Moos 1777

Im 1777 erschienenen dritten Teil seines Werks Astronomisch-politisch-historisch- und kirchlicher Calender für Zürich [Google Books] hat David von Moos (der auch Thuricum Sepultum, ein Werk über Zürcher Grabsteininschriften verfasst hat) wiederum nur die Information von Gessner verwendet. Unter «Ao. 1707» wird notiert: «Ist die Kirche zu Weyach neu erbaut worden.» (S. 480)

Sonst keine weiteren Angaben bis Mitte 19. Jahrhundert

Freiherr von Landsee erwähnt in seinem 1778 erschienenen «Enchiridion Helveticum Constantiae Episcopalis» (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 15) nichts von einem Kirchenbau. Für die Katholiken war das auch nicht von Relevanz, da es sich ja um eine Kirche der ungeliebten Konkurrenz handelte.

Auch die weiteren Ausgaben der Memorabilia Tigurina nach Bluntschli (Werdmüller 1790, Holzhalb 1795 und Erni 1820) geben keine Baudaten zur Weiacher Kirche.

Bis kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts war also die Auffassung in publizierten Werken allgemein und unwidersprochen die, dass die Weiacher Kirche 1707 neu erbaut worden sei.

5) Vogel bringt 1845 neue Jahrzahl ins Gespräch

In seinem auf dem Konzept der Memorabilia Tigurina basierenden Werk Die alten Chroniken oder Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich von den ältesten Zeiten bis 1820 (1845, Nachdruck 1857) bringt Friedrich Vogel ganz neue Informationen: «1705 wurde die bisherige Kirche zu Weyach abgetragen, und etwa 250 Schritte von derselben entfernt eine neue erbaut.» (S. 818)

Vogel macht also den Kirchenneubau am Abbruch der alten Kirche fest. Seine Details zeigen, dass er (bzw. derjenige, der ihm diese Informationsbausteine hat zukommen lassen) als erster vertieft recherchiert hat. Die Baubewilligung für die neue und der Auftrag zum Abbruch der alten Kirche findet man in den Ratsmanualen des Jahres 1705. Ob sein Informant Hans Konrad Hirzel war (Weiacher Pfarrer von 1843 bis 1855) und dieser noch auf Informationen im Pfarrarchiv zurückgreifen konnte, die uns heute nicht mehr vorliegen?

6) Nüschelers Gotteshäuser 1867

Arnold Nüscheler hat in seiner Monographie über Gotteshäuser hingegen offensichtlich eher der alten Vorlage Bluntschlis von 1742 vertraut, schreibt er doch im Zusammenhang mit den Glocken: «Im Thurm der 1707 neu erbauten und auf einen andern Platz versetzten Kirche (...) » (vgl. WeiachBlog Nr. 930 für den vollständigen Text).

7) Bülach-Dielsdorfer Volksfreund 1878

In einem der ersten Gemeindeartikel, die sich in Regionalzeitungen mit schöner Regelmässigkeit einer gewissen Beliebtheit erfreuen hatte ein Anonymus, der unter der Rubrik «Lokales» und dem Serientitel «Aus alten Zeiten» die Gemeinde Weiach beschrieb, wohl Vogels Die alten Chroniken verwendet:

«1705 wurde die Kirche zu Weiach neu erbaut (...)» (Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 22, 16. März 1878, S. 2 – B. Bezirk Dielsdorf. 16. Weiach).

Obwohl Vogel nicht explizit davon spricht, der Neubau sei im selben Jahr wie der Abbruch erfolgt: das Wörtchen «und» wurde entsprechend interpretiert.

8) Kunstführer der Schweiz, 1.-3. Auflage, 1934-1940

Der von Hans Jenny herausgegebene Kunstführer der Schweiz mit dem Untertitel «Ein Handbuch, unter besonderer Berücksichtigung der Baukunst» enthält einen sehr seltsamen Fehler, der sich in den ersten drei Auflagen findet (1. Aufl., Küssnacht am Rigi 1934; 2. Aufl., Bern [1935]; 3. Aufl., Bern 1940 – alle drei auf S. 175):

«WEIACH. Kirche 1716; Holzkanzel und Schalldeckel 1706. – Rest einer Römerwarte im Hard.»

Ob es sich da um einen Druckfehler, also ein Versehen gehandelt hat? Denn man müsste sich schon fragen, wie eine Kirchgemeinde dazu kommt, eine neue Kanzel bauen zu lassen und dann zehn Jahre später die neue Kirche dazu.

9) Fietz' Kunstdenkmäler 1943

Das Werk von Hermann Fietz Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich [Kdm]. Band II: Die Bezirke Bülach, Dielsdorf, Hinwil, Horgen und Meilen. [Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 15] Basel, 1943 wird betreffend den Bezirk Dielsdorf noch bis 2021 durch ein dreiköpfiges Expertenteam (Crottet/Kerstan/Zwyssig) überarbeitet.

Fietz' Text zur Weiacher Kirche lautet: «Die alte Kirche wurde 1705 abgetragen und 250 Schritte von ihr entfernt eine neue erbaut, (...)» (S. 143). Hier ist die Verwendung von Vogels Die alten Chroniken offensichtlich.

10) Chronik Bezirke Bülach/Dielsdorf/Pfäffikon 1944

Dieses mit Fug und Recht als regionales Heimatbuch zu bezeichnende Werk, das vor allem über Industrie, Handel und Gewerbe berichtet, enthält einen geschichtlichen Teil, den Paul Kläui verfasst hat. Auch Kläui stützt sich letztlich auf Vogel: «Im Jahre 1705 ist die Kirche abgebrochen und in nächster Nähe ein Neubau ausgeführt worden.» (S. 68)

11) Rüd 1945 - Schreiber- oder Setzerfehler?

Emil Rüd, von 1915-1935 Chef der Kreispostdirektion Zürich, hat zwischen 1941 und 1948 mehrere heimatkundliche Werke über verschiedenste Regionen vom Bodensee bis ins Solothurnische veröffentlicht.

Darunter: Heimatkundliches aus dem Zürcher Unterland. Und das enthält punkto Weiach einen groben Schnitzer: «Die jetzt noch bestehende Kirche wurde 1766 gebaut, (...)». Immerhin: macht man aus der ersten 6 eine 0, dann hätten wir hier die erste Nennung der Jahrzahl 1706!

Dieses Werk Rüds ist übrigens ein Separatdruck aus der Bülach-Dielsdorfer Wochen-Zeitung (heute Zürcher Unterländer) und erschien in deren Verlag: Steinemann-Scheuchzer, Bülach [Dokument selber ohne Jahresangabe, gemäss handschriftlichem Eintrag im Exemplar der Nationalbibliothek 1945 herausgegeben].

12) Kunstführer der Schweiz, 4. Auflage, 1946

Bei diesem mittlerweile zum Standardwerk avancierten Handbuch hatte man gegenüber den Auflage von 1934 bis 1940 dazugelernt und war in der vierten Auflage («zum Teil revidiert») auf Seite 578 zur Einschätzung gekommen: «WEIACH. Kirche: dreiseitig abschliessender Saal, nach 1705. – Rest einer Römerwarte.» Für den Kanton Zürich wird angegeben: «Teilweise revidiert durch Dr. Samuel Guyer». Ihm haben wir wohl diese Korrektur zu verdanken.

13) Heimatbuch Kanton Zürich 1948

Für Band I dieses Heimatbuchs mit dem simplen Titel «Kanton Zürich» zeichnen Paul Kläui, Emanuel Dejung und Werner Ganz verantwortlich. Und so verwundert es nicht, dass das in Zollikon erschienene Werk auf Seite 190 die Formulierung aus der Bezirkschronik 1944 verwendet: «Im Jahre 1705 ist die Kirche abgebrochen und in nächster Nähe ein Neubau aufgeführt worden.»

13a) Zürcher Pfarrerbuch 1953

Das Zürcher Pfarrerbuch 1519-1952 von Emanuel Dejung und Willy Wuhrmann (Zürich 1953) setzt Abbruch- und Neubaujahr unter dem Stichwort «Baugeschichte» gleich: «Bau einer neuen Kirche 1705». [Abschnitt 13a eingefügt am 12. Januar 2020]

14) Hintermann 1955

Ein weiteres Heimatbuch, das 1955 in Oberglatt von Marcel Hintermann publizierte Büchlein mit dem Titel: «Rund um Kaiserstuhl. Kaiserstuhl, Fisibach, Bachs, Weiach, Hohentengen, Herdern, Günzgen, Stetten, Lienheim. (Weiach: S. 40-44) gibt die folgenden Angaben: «1705 wurde die alte Kirche abgetragen und eine neue erstellt.» Sowie: «Die Füllungen der Holzkanzel sind mit barocken Ornamenten verziert. Sie ruht auf einer in einem Knauf endigenden Konsole und ist mit 1706 datiert.»

15) Bezirkschroniken, Band V, 1962

Das Heimatbuch von 1948 wurde unter demselben Titel «neu bearbeitet und weitergeführt von Paul Nussberger und Eugen Schneiter». Und es erhielt einen anderen Untertitel: «Heimatgeschichte und Wirtschaft». Unser Bezirk wurde wieder zusammen mit den Bezirken Pfäffikon und Bülach behandelt. Und hier (S. 177/178) steht nun:

«Die heutige Kirche von Weiach wurde im Jahre 1705 erbaut und das in nächster Nähe stehende Gotteshaus abgebrochen.»

Vergleicht man mit den Vorläuferwerken von 1944 und 1948, so fällt auf, dass die Jahrzahl vom Abbruch- auf das Neubauobjekt übertragen wurde. Im Gegensatz zu Kläui haben Nussberger und Schneiter wohl die Herkunft der Aussage nicht gekannt. Ganz falsch wird sie deswegen natürlich nicht. Aber man erkennt, dass hier der Eindruck erweckt wird, als sei die Kirche bereits 1705 fertiggestellt gewesen. Dank den Turmkugeldokumenten (v.a. Nr. 2, von Pfr. Brennwald verfasst) wissen wir es besser.

16) Weiacher Kies-Buch 1963

Auch das Buch über die Weiacher Kies AG, gedruckt in Stäfa, enthält einen historischen Abriss. Verfasst wurde er vom damaligen Langzeit-Gemeindepräsidenten Albert Meierhofer-Nauer (vgl. zur Person WeiachBlog Nr. 426), notabene der erste namentlich bekannte Weiacher, der einen Beitrag zur Geschichte seiner Gemeinde zwischen Buchdeckeln veröffentlicht hat:

«In den Jahren 1647 und 1658 wurde das Dorf von schweren Feuersbrünsten heimgesucht. Bei der letzteren verbrannte auch das Pfarrhaus. Dieses wurde im Jahre 1707 wieder neu erbaut, die neue Kirche 1705

Das Baujahr der Kirche hat Meierhofer aus den Bezirkschroniken Bd. V von 1962 entnommen. Die Information über das 1658 abgebrannte Pfarrhaus stimmt nach heutigen Erkenntnissen, der Neubau des heutigen Pfarrhauses um 1707 (49 Jahre später!!) ist hingegen eine Ente (vgl. dazu Rechtsquellen Neuamt Nr. 27, Anmerkung 3, S. 103).

Meierhofer hat diese beiden Angaben zu den Dorfbränden und dem angeblichen Wiederaufbau des heutigen Pfarrhauses aus dem Historisch-biographischen Lexikon der Schweiz (HBLS, Bd. 7, 1934 - S. 454). Dazu mehr in Anmerkung 15 (Stand April 2019) zur nachstehend aufgeführten Monographie Maurers von 1965. Das HBLS verliert übrigens seltsamerweise kein Wort über die Weiacher Kirche selber!

17) Maurers Kirche zu Weiach 1965

Zum grossen Restaurierungsvorhaben der Kirche veröffentlichte die Kirchgemeinde Weiach ein schmales Heft, verfasst von Kirchenpfleger Emil Maurer. Die Kirche zu Weiach, erschienen 1965 bei K. Grafs Erben, Bülach, ist die erste ausführliche Monographie zu diesem Gebäude.

Zum Baujahr äussert sich die Schrift in der Einleitung: «Der Zustand unserer im Jahre 1705 erbauten Kirche mahnt uns, ihr bald die nötige Pflege angedeihen zu lassen.» (S. 5); auf Seite 9 mit einer Bildlegende: «Altes Plänchen von Weiach mit der 1706 erbauten Kirche.»; sowie auf Seite 10: «Aus dieser Bauzeit [gemeint ist: 18. Jh. mit wegfallendem Chorbogen] stammt auch unsere im Jahre 1706 fertig erstellte Kirche.»

Hier sind also sowohl die noch von Vogel stammende Zahl wie die als Intarsien auf Kanzel und Chorgestühl prangende Jahrzahl vermerkt. 

N.B.: In der Reihe Wiachiana Mono wird ein Nachdruck mit Anmerkungen von Ulrich Brandenberger erscheinen (Aktueller Stand der Arbeiten: April 2019).

18) Zollingers Dorfchronik 1972

An den heutigen Wissensstand heran führt die erste ortsgeschichtliche Monographie mit Fadenheftung und Leinen-Einband (vgl. WeiachBlog Nr. 1292). Verfasst vom ehemaligen Weiacher Primarlehrer und Kirchgemeindepräsidenten Walter Zollinger enthält sie die bis dahin ausführlichsten Informationen zur Entstehung des Kirchenbaus im Bühl:

«Im Kirchturmdokument von 1706 lesen wir sodann vom Bau der heute noch stehenden Kirche im Bühl: «Kund und zu wüssen sei hiermit, dass alls von Unseren gnädigen Herren und Obern ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach bewilligt worden, die gmeind in Gottes Nammen gegen Ende des 1705. Jahrs mit Holzfellen und führen, auch mit Steinbrechen in dem Winzenthal den anfang gemacht . . .». 

Es war ein milder, schneearmer Winter 1705/06, so dass die Arbeiten rasch voran liefen, und schon im Spätsommer war der Bau soweit fertig, dass «Montags, den 9. Tag Augstmonet der Knopf und Fahnen hinauf gethan» werden konnten. 

Zur Erbauung der neuen Kirche - das alte Kirchlein im Oberdorf war zu «baufällig und eng» geworden - wurde denen zu Weiach bewilligt, eine Steuer zu sammeln, und zwar in Zürich, Winterthur, Stein, in den Herrschaften Eglisau und Regensberg und in der Vogtey Bülach. Die Steuer ergab zum Beispiel in Glattfelden 45 Gulden und wurde am Palmsonntag, dem 28. März 1706 erhoben. Auch die Regierung stiftete an diesen Bau 300 Thaler und statt eines Fensters nochmals 40 Gulden.»

Dieser letzte Abschnitt stammt laut Zollingers Anmerkung 40 aus dem 1863 erschienenen Büchlein «Geschichte der Kirchgemeinde Glattfelden mit Hinweisungen auf die Umgebung» des Glattfelder Pfarrers Arnold Näf.

19) Kunstführer durch die Schweiz, 5. Auflage (1971) und 6. Auflage (1976)

Der von Hans Jenny 1934 begründete Kunstführer der Schweiz wurde ab 1971 in 5. vollständig neu bearbeiteter Auflage, bzw. 6. durchgesehener Auflage von der Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte herausgegeben. In Bd. 1, S. 845 finden sich nun ausführlichere Informationen:

«WEIACH. Ref. Pfarrkirche. Die Vorgängerkirche wurde bis zur Reformation von der heute badischen Pfarrei Hohentengen aus versehen und wurde 1591 Pfarrkirche. Als militärischer Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden und gegen Kaiserstuhl unter Einbeziehung des Pfarrhauses von 1591 und des Friedhofes vollständig neuerb. 1705-06 von Hans Casp. Werdmüller; Rest. 1966-1968. Saalbau mit Polygonalschluss unter Satteldach; gezimmerter Dachreiter mit Spitzhelm. Reichverzierte Kanzel, Pfarrstuhl, Kirchenstühle und Taufstein aus der Bauzeit. - Römerwarte, an der Strasse nach Zweidlen.
Museum. Ortsmuseum, im Liebert-Haus aus dem 16. Jh. »

Hier sieht man den Effekt der Gesamtrestaurierung und Aufnahme der Kirche in den eidgenössischen Denkmalschutz, der 1970 erfolgt ist. Zollingers Monographie wurde nicht verwertet.

Nach heutigem Wissensstand fehlerhaft sind die Verwechslung des 1591 angekauften Hauses für den Pfarrer mit dem heutigen Pfarrhaus, sowie das Alter des Lieberthauses (Mitte 17. Jahrhundert, vgl. Weiacher Geschichten(n) Nr. 63, überarbeitete Version April 2019).

20) Die Gemeinden im Kanton Zürich, 1981/1990

Zu seinem 125-jährigen Bestehen (1856-1981) gab der Verein Zürcherischer Gemeinderatsschreiber und Verwaltungsbeamter das Büchlein Die Gemeinden im Kanton Zürich heraus. Den Beitrag über Weiach verfasste der damalige Gemeindeschreiber Hans Meier:

«Die 1706 erbaute hübsche Kirche – das Wahrzeichen des Dorfes – wurde mit Hilfe von Bund, Kanton und vielen freiwilligen Spendern letztmals 1967 total renoviert und unter Denkmalschutz gestellt. Zusammen mit dem Pfarrhaus, der Pfarrscheune, dem Friedhof und dem alten Gemeindehaus bildet sie eine harmonische Baugruppe im Zentrum des Dorfes

Meier rückt damit erstmals die heute als Kirchenbezirk bezeichnete Gebäudegruppe ins Blickfeld. Alle drei mir bekannten Ausgaben sind textgleich:

1. Auflage, erschienen in Zürich: Weiach S. 269, Wappen S. 243; mit Karte des Kantons Zürich (vgl. StAZH Dc 23, ETH-BIB R 1981/996); 2. revidierte Aufl. Zürich, 1981 (ETH-BAU 13563:ed.2). Die 3. Auflage, bezeichnet als «Neue, überarbeitete Auflage» ist 1990 erschienen: Weiach, S. 257 Wappen S. 231; offenbar ohne Karte (vgl. StAZH Dc 140).

21) Schweizer Lexikon 91

Das sechsbändige Schweizer Lexikon 91, erschienen in Luzern von 1991 bis 1993 erwähnt die Weiacher Kirche im Bd. 6 Soz-Z: «Die unter Denkmalschutz stehende ref. Pfarrkirche wurde 1705/06 erbaut

22) Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) ab 1999

Für das HLS (gleichzeitig auch in französischsprachiger und italienischsprachiger Fassung erschienen, im Druck publiziert von 2002 bis 2014) liegt mir die Autorenversion von Martin Illi in der Fassung vom 25. Oktober 1999 (geprüft am 22. August 2002) vor:

«Wegen der Grenzlage wurden die Kirche (Neubau 1706) sowie das Pfarrhaus mit Scheune befestigt und die Friedhofsmauer mit Schiessscharten versehen.»

Diese Formulierung hat sich bis zur aktuellen Version vom 11. Januar 2015 (e-HLS) nicht verändert. Und sie entspricht auch dem aktuellen Stand des Wissens. Illi verwendet die Jahrzahl der Einweihung.

23) Kunstführer durch die Schweiz, 2005

Eine Art 7. Auflage erlebte der seit 1934 erscheinende Kunstführer der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK). Die vollständig neubearbeitete Ausgabe wurde wieder als 1. Auflage bezeichnet. Die Weiacher Kirche wird in Bd. 1, S. 925 beschrieben:

«WEIACH (Karte S. 948, 675/267)
■ Reformierte Pfarrkirche. 1705-06 von Hans Caspar Werdmüller; gleichzeitig Pfarrhaus und den Kirchenbezirk umfassende Wehrmauer (Anlage als militärischer Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden konzipiert). Längsgerichteter Predigtsaal mit Chorpolygon. Chorausstattung aus der Bauzeit. ■ Römerwarte, an der Strasse nach Zweidlen.
Museum:
- Ortsmuseum, im Liebert-Haus aus dem 18. Jh.»

Die Pfarrhausverwechslung (vgl. 5. u. 6. Auflage oben) wird umschifft, indem lediglich die Wehrmauer dem Festungsingenieur Werdmüller zugeschrieben wird, zum Alter von Pfarrhaus und Pfarrscheune hingegen keine Antworten gegeben werden. Die Information zum Lieberthaus ist korrigiert (auf den Stand von Weiacher Geschichten Nr. 63 vom Februar 2005), mittlerweile aber durch dendrochronologische Befunde von 2018 überholt.

24) Kunstführer durch den Kanton Zürich, 2008

Die jüngste mir bekannte Fachpublikation, welche das Baujahr der Weiacher Kirche erwähnt stammt von Autoren der Denkmalpflege des Kantons Zürich:

 «Reformierte Kirche. Erb. 1706 von Hans Caspar Werdmüller (...). Ehem. Pfarrscheune 1707d; Umbau 2000-01 in Kirchgemeindehaus.»

Fazit

Ob 1705, 1706 oder 1707 als Baujahr verwendet werden, ist letztlich eine Frage des Stils, wie eingangs erwähnt. Interessant ist jedenfalls wie bis 1845 die Zahl 1707 vorherrscht, was zur irrigen Annahme führen kann, die Kirche sei zu Beginn der Amtszeit von Pfr. Wolf errichtet worden. Dann aber nach Vogels wirkmächtigen Alten Chroniken, herrscht fast ausschliesslich die Jahrzahl 1705 vor. Erst in jüngerer Zeit scheint man sich auf das Jahr 1706 geeinigt zu haben.

Für die Kirche selber trifft das zu. Die Baufreigabe erfolgte am 8. September 1705. Mit den Bauarbeiten wurde im Winter 1705 begonnen, nachdem die Finanzierung endlich gesichert war. Eingeweiht wurde die neue Kirche am 17. Oktober 1706, dem Sonntag nach dem Gallus-Tag.

Die gesamte Bauzeit für Kirche, Pfarrscheune und Befestigungsmauer dürfte aber bis mindestens ins Jahr 1707 hineingereicht haben, denn die Balken in der Pfarrscheune sind dendrochronologisch auf 1707 datiert worden, was auch ein Baujahr 1708 oder gar 1709 ergeben könnte (vgl. WeiachBlog Nr. 1393). Dazu könnten 1707 Renovationsarbeiten am Pfarrhaus gekommen sein, was die von einigen Werken (s. oben) geäusserte Wiederaufbauthese erklären könnte.

Abenteuerlich geht's auch

Zwei Fundstellen, die das Baujahr der Kirche erwähnen, sind derart abenteuerlich, dass ich sie oben nicht aufgeführt habe. Bezeichnenderweise stammen beide aus Zeitungen der 1960er-Jahre:

16a) Volksrecht 1964

«Als die Gemeinde im Jahre 1591 eine eigene Kirche erhielt, musste das Pfarrhaus fast wie eine Burg ausgebaut werden, weil seit den Kappeler Kriegen (1529 bis 1531) immer noch Ausfälle aus der Grafschaft Baden befürchtet wurden.» (Volksrecht, 67. Jahrgang Nr. 203, Samstag, 29. August 1964)

Die Einsetzung eines eigenen, vor Ort lebenden Pfarrers wird vom Autor (Kürzel: sl.) mit dem Bau des Pfarrhauses vermengt (der eher die Renovation eines Taunerhauses war). Es wird zudem quasi behauptet, auch der Bau einer Kirche sei in diesem Jahr erfolgt. Weiter werden die Spannungen des 17. Jahrhunderts (Villmerger Kriege) ins 16. Jh. transferiert.

Es ist zwar durchaus möglich, dass das spätere Pfarrhaus schon 1564 von seinem damaligen Erbauer eine feste Ummauerung erhalten hat. Ein Zusammenhang mit den Kappeler Kriegen wird von Dändliker angenommen (vgl. WeiachBlog Nr. 1465).

17a) Ernst Baldinger 1967 u. 1969

Kurze Zeit später hat Baldinger diese Formulierung vom Kirchenbau 1591 zum Faktum erhoben. Bei ihm liest sich die Sache so, dass in diesem Jahr die ganze Anlage samt Kirche an ihrem heutigen Standort auf dem Bühl entstanden sei:

«Als Weiach 1591 seine erste Kirche bauen konnte, musste das Pfarrhaus fast burgartig angelegt und befestigt werden, weil seit den Kappelerkriegen von 1529 und 1531 noch immer Ausfälle aus der altgläubigen Grafschaft Baden befürchtet wurden.»

Den Artikel mit dieser steilen These hat Baldinger damals an nicht weniger als vier Zeitungen verkaufen können.

Vgl.: Als Weiach die Badener fürchtete. In: Die Tat, 19.1.1967, S. 4. –– Weiach. Kaiserstuhls zugewandter Ort am Rhein. In: Tages-Anzeiger, Donnerstag, 5. Januar 1967, S. 35. –– Weiach – Kaiserstuhls zugewandter Ort am Rhein. In: Der Landbote, Nr. 8, Mittwoch, 11. Januar 1967, S. 5. –– Weiach – Kaiserstuhls zugewandter Ort am Rhein. In: Zürichsee-Zeitung, 19. Juli 1969.

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