Der 6. Juni 1944 war der D-Day, die grossangelegte Landung der Alliierten in der Normandie. Als sich die Front einige Wochen später den Schweizer Grenzen zu nähern begann, da trat der Krieg auch für uns wieder in eine heissere Phase. Diesmal war die Bedrohung eine aus der Luft.
Heute vor 77 Jahren, am 9. September 1944, verzeichnete der zuständige diensthabende Nachrichtenoffizier beim Kommando Flieger- & Fliegerabwehr-Truppen allein zwischen 10:15 und 14:06 Uhr nicht weniger als 25 verschiedene Meldungen über Verletzungen des schweizerischen Luftraums. Im Bild das offizielle Formular mit den Vorfällen 19 bis 24 in der Gesamtzählung dieses Tages:
In etlichen Fällen waren mehrere Flugzeuge beteiligt, die teilweise im Tiefflug unterwegs waren. Flugzeugtyp und Nationalität blieben in diesen ersten Bulletins meist noch unbekannt. Teils gab es auch bereits «positive identification»: mehrmals handelte es sich um amerikanische Jagdflugzeuge, in einem Fall um einen deutschen Jäger.
Angriff auf Weiacher Gebiet: Das Kdo FF Trp lag richtig
An diesem 9. September 1944 erfolgten zwei «Angriffe amerikanischer Jäger», wie den Bemerkungen (vgl. blauer Strich) zu entnehmen ist: einer in Rafz und ein zweiter «auf fahrenden Zug bei Weiach. Lokomotive und Personenwagen wurden getroffen. 2 Schwerverletzte, 2 Leichtverletzte. (4 Schweizer).»
Diese Beschreibung weniger als drei Stunden nach dem Ereignis entspricht ziemlich gut dem, was später von der Kantonspolizei Zürich verifiziert wurde: Ein Güterzug auf der Fahrt zwischen den Stationen Weiach-Kaiserstuhl und Zweidlen wurde in der langgezogenen Kurve nördlich des Weiacher Dorfkerns von zwei Mustang-Jagdflugzeugen der US-Luftwaffe attackiert.
Amtl. mitgeteilte Falschmeldung
Dass bei diesem Angriff auch das Weiacher Bahnwärterhäuschen auf der «Höhe» in Brand geschossen wurde, ist eine «Ente». Da der von Koblenz her kommende Zug in dessen unmittelbarer Nähe zum Stillstand kam und die von Projektilen getroffene Dampflokomotive heftig qualmte, konnte man von Weiach aus annehmen, das Wärterhäuschen brenne (vgl. den Kartenausschnitt, rechts oberhalb der Mitte).
Diese Falschmeldung wurde in der offiziellen Mitteilung der Armeeführung verbreitet und am 11. September nach der Einleitung «Amtlich wird mitgeteilt:» von diversen nationalen und regionalen Zeitungen pflichtbewusst ins Blatt eingerückt, so auch von der Redaktion des im Bezirk Dielsdorf häufig gelesenen «Wehnthaler».
In derselben Ausgabe des «Wehnthaler» ist allerdings eine fast aus erster Hand stammende ausführliche Reportage abgedruckt, welche die tatsächlichen Ereignisse schildert (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 41, s. unten). Der Einsender hielt sich zum Zeitpunkt des Angriffs in seinem ca. 600 Meter von der Station Weiach-Kaiserstuhl entfernten Garten auf, war also entweder ein Kaiserstuhler oder ein Weiacher, der an der Abzweigung der Haslistrasse von der Kaiserstuhlerstrasse lebte.
Quelle und Literatur
- Grenzverletzungen vom 9. September 1944. Beschiessung von 2 fahrenden Güterzügen bei Rafz und Weiach durch amerikanische Jäger. Dossier mit Entschädigungsforderungen und Zusammenstellung der Schadensummen. Schweizerisches Bundesarchiv, Signatur: BAR E2001E#1967/113#1629* (Online-Dossier 1751160, hier: Dokument 28)
- Brandenberger, U.: Amerikanische «Luftgangster»? 9. September 1944: US-Luftwaffe beschiesst Güterzüge bei Rafz und Weiach. Weiacher Geschichte(n) Nr. 41. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, April 2003; Gesamtausgabe S. 85 u. 86.
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