Dienstag, 23. August 2016

Fussballspielen und unnötiges Velofahren wird bestraft

Gemeindepolitiker aller Couleur pflegen im Rückblick auf frühere Zeiten vor allem eines zu beklagen: den immer kleiner werdenden Gestaltungsspielraum. Es ist sicher so, dass die Regelungsdichte vor Jahrzehnten noch kleiner war als gegenwärtig. Ein Gemeinderat musste sich aber dafür auch mit der ganzen Bandbreite an Problemen herumschlagen, die in einem Dorf eben vorkommen. Und durfte sich erlauben, eigene Regelungen zu erlassen. So wie an der Gemeinderatssitzung vom 27. Juni 1931:


Nach Verlesung und Genehmigung des Protokolls der vorgängigen Sitzung behandelte der Rat als Traktandum Nr. 2 eine Übertretung mehrerer Artikel des Konkordats betreffend den Verkehr mit Motorfahrzeugen - Vorläufer des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) vom 19. Dezember 1958 - und sprach eine Busse aus.

Kurze Frist für die Einberufung einer Gemeindeversammlung

Als dritten Punkt der Tagesordnung beschlossen die Gemeinderäte die Anberaumung einer Gemeindeversammlung zur Abnahme der Jahresrechnungen und Wahl eines neuen Försters auf den 12. Juli (!).

Beim vierten Traktandum wird klar, dass der Gemeinderat diese Versammlung nutzen wollte, um Remedur schaffen:

«In der nächsten Gemeindeversammlung soll bekanntgegeben werden, dass der Gemeinderat in Zukunft das Fussballspielen auf öffentlichen Strassen und Plätzen, sowie das unsinnige und unnötige Velofahren von schulpflichtigen Kindern be[s]trafen werde.»

Welche Vorfälle die oberste Gemeindeexekutive zu diesem Schritt bewogen haben mögen? Das steht im Protokoll leider nicht.

Bemerkenswert ist, dass damals Velos noch ausschliesslich als seriöse Fortbewegungsmittel für Erwachsene galten. Kaum jemand hatte ein Automobil.

Ebenso bemerkenswert: spielende Kinder auf der Strasse störten trotz dieser - aus heutiger Sicht idyllisch wirkenden - Verhältnisse mit langsamem Verkehr (in vielen Fällen noch von Kühen gezogene Fuhrwerke, Pferde konnten sich nur die wenigen Wohlhabenden leisten).

Fussball gespielt - mitten auf der Chälenstrasse

Wie rigoros die neuen Verbote durchgesetzt wurden ist bislang nicht bekannt. Der Verfasser dieses Blogs erinnert sich jedenfalls, dass in seiner Jugendzeit in den 1970er-Jahren an Sommerabenden mitten auf der mittlerweile asphaltierten Chälenstrasse spontan Fussball gespielt wurde. Für die durchfahrenden Autos haben wir dann halt jeweils temporär das Spielfeld geräumt. Nach dem Bau all der neuen Wohnblöcke an der heute «Im Bruchli» benannten Sackgasse sind solche Freizeitvergnügen heute undenkbar.

Aber wer weiss: wenn es schon im Oberdorf möglich ist, eine 30er-Zone einzurichten, weshalb dann nicht auch in der Chälen? Vielleicht sogar eine «Begegnungszone» (vgl. Bild aus der Signalisationsverordnung (SSV))?


Zu dieser Begegnungszone steht in Art. 22b Abs. 1 SSV:

«Das Signal «Begegnungszone» (2.59.5) kennzeichnet Strassen in Wohn- oder Geschäftsbereichen, auf denen die Fussgänger und Benützer von fahrzeugähnlichen Geräten die ganze Verkehrsfläche benützen dürfen. Sie sind gegenüber den Fahrzeugführern vortrittsberechtigt, dürfen jedoch die Fahrzeuge nicht unnötig behindern.»

Das entspricht ziemlich genau der strassenfussballfreundlichen Situation vor rund 40 Jahren. Bleibt aber wohl Utopie.

Quelle
  • Protokoll des Gemeinderates 1928-1934, S. 171-172. [Archiv der Politischen Gemeinde Weiach; Signatur: IV B 02.11]

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