Mittwoch, 24. August 2016

Wenn das Weyacher Kieswerk zum Aargau gehört

«Humoristische Darstellung» und «Autobiografie». Diese Schlagworte hat der Katalog Swissbib aus der GND, der Gemeinsamen Normdatei der Bibliotheken, Archive, etc. ausgewählt.

Charakterisiert wird damit das jüngste Buch des nach Brandenburg ausgewanderten Moderators Dieter Moor, erschienen im April 2015 im Rowohlt Taschenbuch Verlag. Moor hat seinen Vornamen vor etwas mehr als drei Jahren auf Max geändert, der - glaubt man der Süddeutschen Zeitung - vorerst noch als Künstlername dienen soll.


Jugendlicher Ich-Erzähler

Moor schreibt aus dem Blickwinkel eines Buben, der in der kleinen Gemeinde Mellikon (200 Einwohner) im Studenland aufwächst, wenige Kilometer rheinabwärts von Weiach aus (Rümikon-Mellikon ist die nächste Haltestelle nach Kaiserstuhl AG). Eine Kindheit in der Nordostecke des Aargaus also. Und der geht für den jungen Ich-Erzähler weit über die politischen Grenzen hinaus, wie man diesem Auszug entnehmen kann:

«Gut, der Aargau hat halt wirklich keine Berge, das stimmt schon. Aber dafür die schönen Hügel vom Jura, im Jura waren früher die Dinosaurier. Und wir haben den größten Eisenbahnknotenpunkt der Schweiz, in Olten, und die größte Kavalleriekaserne, in Aarau, und die größte Schuhfabrik, die Bally. Und die vielen Wasserkraftwerke an der Aare. Und die Habsburgerburg, wo die Habsburger herkommen, gegen die der Wilhelm Tell gekämpft hat, und das große Betonwerk und die Weyacher Kiesgrube mit dem berühmten Weyacher Kies und das Schloss Hallwyl und neben dran noch eine echte Pfahlbauersiedlung.

All diese Schönheiten vom Aargau und noch viele mehr hat der Vatti mit dem Fauweh auf den Besuchen bei den Kunden kennengelernt. Aber eben nur vom Aargau. Der ist zwar ziemlich riesig, aber die Schweiz ist eben noch riesiger, und da hat es noch viel mehr Schönheiten.
»

Da schreibt einer mit Insiderwissen

Der Bahnhof Olten und die Schuhfabrik Bally liegen im Kanton Solothurn, die Weiacher Kies AG im Kanton Zürich. Das weiss der Dieter Moor natürlich - darf man mindestens annehmen. Als Melliker hat er sicher auch die Block-Züge der Weiacher Kies vorbeiziehen sehen, wenn sie auf der dort vorbeiführenden Bahnlinie verschoben wurden. Mit der grössten Betonfabrik ist wohl die Holderbank Cement und Beton zwischen Möriken-Wildegg und Holderbank AG gemeint.

Interessant ist, dass Moor explizit die von den Einheimischen verwendete Mundart-Schreibweise «Weyacher» (mit «y»!) gewählt hat. Diese Feinheiten wären einem nicht Landeskundigen entgangen - gerade das «y» ist sozusagen ein Beweis, dass er im östlichen Studenland grossgeworden ist. Sein Vater war Versicherungsvertreter und hat wohl auch Kunden in Weyach gehabt. Vielleicht sogar die Weiacher Kies AG selber.

5468 Weyach

Was die Zuteilung von Weyach zum Aargau betrifft: Diese Forderung hat der Autor dieses Blogs in den Weiacher Geschichte(n) Nr. 40 bereits mehr als ein Jahrzehnt früher gestellt - und den Kantonswechsel auch textlich und heraldisch vorgenommen: im Titel des Artikels (Weyach mit «y»), mit Studenländer Postleitzahl (Fisibach hat 5467, Kaiserstuhl 5466) und einem von zürcherischen Einflüssen gesäuberten Gemeindewappen (nämlich das alte mit sechszackigem Stern).

Für das jugendliche literarische Ich des zum bio-dynamischen Landwirt gewordenen Aargauers Moor ist der Kantonswechsel von Weiach bereits (humoristische) Realität - und wenn es nur ein aargauisiertes Kieswerk ist.

Quelle und Literatur

1 Kommentar:

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Interview von Linus Schöpfer mit Max Moor zu seinem neuen Buch: «Die Verknorztheit ist erklärbar», Tages-Anzeiger, 24. April 2015, vgl. http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buecher/Die-Verknorztheit-ist-erklaerbar/story/25340338