Das ist keine Kleinigkeit, wie man auch in Monographien zur Weiacher Geschichte nachlesen kann. So drohte 1878 der damalige Sigrist mit dem Rücktritt, «wenn die Sache nicht zum Stimmen komme mit der Uhr» (Maurer 1965). Wahrscheinlich ging diese ungenau, was immer wieder zu Klagen und Verdächtigungen führte, der Sigrist habe bei der Uhrzeit etwas nachgeholfen. Zugunsten oder eben zulasten der Wässerrechte einzelner Wiesenbesitzer in der Gemeinde. Hersteller dieser Uhr war Grossuhrenmacher Rudolf Frech in Wiedikon (Turmkugeldokument Nr. 9 von 1863).
Wer also in diesem heiklen Geschäft der Chronometrie über Jahrzehnte erfolgreich ist, der muss etwas richtig gemacht haben. Die Firma Mäder warb denn auch auf ihren Offertenformularen mit ihrer «Specialität: Fabrication von Thurmuhren in allen Dimensionen nach bewährter, besterprobter Construction.» Sie sei in der Lage «Durchgreifende Reparaturen älterer Werke» auszuführen. Ihre Arbeit stehe für «Grösste Solidität» und «Prompte Spedition» sei garantiert.
Nachstehend wird der volle Wortlaut der Offerte vom Herbst 1928 wiedergegeben, wie er sich aus dem Original im Archiv der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach ergibt:
Thurmuhrenfabrik von Jacob Mäder
Andelfingen, den 5. Oktober 1928
Kosten-Voranschlag zu geehrten Handen der Tit. Kirchenpflege Weiach
über Lieferung und Aufstellung einer complet neuen Thurmuhr auf die Kirche daselbst.
Indem ich auf die in beiliegendem Prospect detailliert aufgeführte Beschreibung meiner Uhrwerke höflichst verweise, verpflichte mich Ihnen spesenfrei Station Weiach [gemeint: ehemalige Bahnstation Weiach-Kaiserstuhl] zu liefern und franco zu montieren eine Turmuhr nach folgenden Haupteigenschaften und Bedingungen:
A. Function.
1) Das Uhrwerk soll mit täglich einmal zu geschehendem Gewichtsaufzug auf 30 Stunden gehend berechnet sein.
2) Auf 3 Seiten des Turmes auf 3 Stück vorhandene Zifferblätter von 2 Meter Durchmesser, sowie am Uhrwerk selbst auf ein Controllzifferblatt Stunden und Minuten anzeigen.
3) Die Viertelstunden, mithin 1/4 2/4 3/4 & 4/4 mit Doppelschlag auf die zwei kleinen Glocken & die Stunden auf die grosse Glocke schlagen.
B. Construction.
Das Uhrwerk, aus einem Geh- und 2 Schlagwerken bestehend, ist in seinem Stärkeverhältnis den Anforderungen entsprechend nach Fig. 20 des Prospectes zu erstellen.
Das Gehwerk ist nach bewährtem, Chronometersystem vormals Patent No. 19327 (Siehe Seite 24 & Fig. 21) zu construieren und mit einem Ungestörtgeh-Mechanismus zu versehen.
Das Vor- und Rückwärtsrichten sämtlicher Zeiger soll bequem vom Controllzifferblatt des Uhrwerkes aus geschehen.
Die Schlagwerke sind nach zuverlässigstem Schluss- oder Schlossradsystem mit gefrästen Kolbengetrieb-Uebersetzungen zu erbauen und behuf [im Vertrag: behufs] Regulierung des Schlagtempos mit verstellbaren, geräuschlos functionierenden Windflügeln auszuführen.
Das Einstellen der Schlagwerke soll ohne lauten Nachschlag durch bequemes Umschalten der Teilräder und das Aufziehen vermittelst Uebersetzung und Kurbel von ausserhalb des Gehäuses ermöglicht sein. [«von ausserhalb des Gehäuses» fehlt im Vertrag]
C. Materialien.
Das Haupträderwerk greift in gehärtete, feinst polierte Getriebe ein, deren Zapfen in Bronzebüchsen gelagert sind. Als Material wird für die Gehwerke, mit Ausnahme der Aufzug- und Zeigerwerkräder, durchwegs Bronze verwendet, die Schlagwerke hingegen lassen sich in 2 Arten erstellen: a) mit Rädern ebenfalls aus Bronze, b) mit Rädern aus compactem Gusseisen.
Bei beiden Ausführungen werden sämtliche Zahnungen vermittelst der Räderfräsmaschine aufs genaueste aus dem vollen Metall ausgefräst.
Die Zeiger sind aus Kupfer zu erstellen, vermittelst unterführten, konisch verjüngten Eisengerippen zu verstärken und mit Pariser Doppelblattgold solid zu vergolden.
Die Zeigerachsen, aus Stahl und Gasrohr bestehend, sollen samt dem Wechsel in bronzenen Büchsen gelagert und behuf praktischen Einstellens der einzelnen Zeiger mit sogenannten Minuteriescheiben ausgestattet sein. Die äussern Minutenzeigerlager sind mit meiner [sic!] Kugellagerung mit Wasserschutzhülse zu versehen. [im Vertrag Druckfehler: sersehen]
D. Zubehörde.
Zum Uhrwerk ist ferner complet zu liefern:
Uhrgehäuse mit verschliessbaren Glastüren
E. Zifferblätter.
Ein Zifferblatt ist noch in gutem Zustand & kann unverändert beibehalten werden. 2 Zifferblätter dagegen bestehen aus sehr dünnem Blech, sie sind ganz uneben & teilweise stark vom Rost angegriffen, so dass sich deren Erneuerung dringend empfiehlt.
Ich offeriere Ihnen 2 Stück neue Zifferblätter à 2 Meter Durchm. aus 1,5 mm starkem Eisenblech, über die Mitte rückseits mit einer Flacheisenschiene & im Umkreis mit einem U Eisenring verstärkt.
Die Ziffern sind in römischem Stil samt den Umfassungsranden aufzumalen & mit 3 fach starkem Blattgold von 23,5 Karat Feingehalt solid zu vergolden. Der Untergrund der Ziffern ist in schwarzem & das innere Zeigerfeld in grünem Ton auszuführen unter Verwendung der rühmlichst bekannten Ripolinfarben.
Preis für 2 Stück bei franko Lieferung & Montage Frs. 320.-
F. Preise und Garantie.
Der Preis obbeschriebenen Uhrwerkes ohne Zifferblätter stellt sich fertig montiert unter Zusicherung einer Garantie von fünf Jahren
a) mit Bronzerädern in Geh- und Schlagwerk auf Frk.: 3480.-
b) mit Bronzerädern im Geh-, hingegen mit Gussrädern im Schlagwerk auf Frk.: -- [leer]
G. Bestimmungen.
Die Tit. Gemeinde hat auf ihre Kosten zu besorgen:
Gerüsterstellung, Zimmermanns-, Maurer- oder Steinhauerarbeit sowie die Camionnage zwischen Station und Aufstellungsort.
Gestützt auf langjährige Erfahrung in dieser meiner ausschliesslichen Specialität und versehen mit einer vorzüglichen maschinellen Einrichtung mit Kraftbetrieb, bin ich in der Lage, Ihnen ein erstklassiges Fabrikat zu liefern und sehe der Erteilung Ihres geschätzten Auftrages gerne entgegen.
Hochachtungsvoll:
[sig.] J. Mäder Thurmuhrfbkt
Vertragsabschluss an Heiligabend, Lieferung bis Pfingsten!
Wie der geneigte Leser den Anmerkungen in eckigen Klammern hat entnehmen können, ist die Kirchenpflege auf das Angebot der Firma Mäder eingegangen. Mit der alten Uhr hatten sie wohl doch zuviel Ärger, sodass eine Neuanschaffung nicht zu grossen Diskussionen geführt haben dürfte (was man aber in den Gemeindeversammlungsprotokollen noch nachprüfen müsste).
Der «Vertrag zwischen der Tit. Kirchenpflege Weiach und Jakob Mäder, Turmuhrenfabrikant in Andelfingen, Ct. Zürich über Lieferung und Aufstellung einer complet neuen Turmuhr auf die Kirche zu Weiach.» ist in vielen Passagen textidentisch mit dem Kosten-Voranschlag, sodass nachstehend nur noch auf die inhaltlich anders gestalteten Abschnitte eingegangen werden muss. So heisst es im Vertrag einleitend:
«Die Tit. Kirchenpflege überträgt dem J. Mäder, Turmuhrenfabrikant, und dieser übernimmt die Anfertigung und Installierung einer neuen Turmuhr und weiterer Zubehörde auf obgenanntes Local unter näherer Beschreibung und Bedingung wie folgt:»
Die Abschnitte A und B werden übernommen, angepasst lediglich dort, wo es um die zwei neu zu erstellenden Zifferblätter geht. Änderungen findet man erst wieder im Abschnitt C, der wie folgt anhebt:
«In materieller Beziehung ist das Uhrwerk nach erster Qualität auszuführen, welche bedingt, dass das Haupträderwerk des Geh- als sowohl der Schlagwerke aus Bronze bestehen soll, dessen gefräste Zahnungen in feinst polierte Getriebe eingreifen, deren Zapfen in Bronzebüchsen gelagert sind.
Die Zeiger sind aus Kupfer zu erstellen, ...»
Der weitere Text des Abschnitts C. Materialien sowie der Abschnitt D sind wieder 1:1 dem Kosten-Voranschlag entnommen. Der Beginn von Abschnitt E. Zifferblätter (der interessanterweise im Vordruck völlig freie Hand liess) wurde im Vertrag so formuliert:
«Die zwei neu zu erstellenden Zifferblätter sind aus 1,5 mm starkem Eisenblech à 2 Meter Durchmesser zu konstruieren, rückseits über die Mitte mit einer Flacheisenschiene & im Umkreis mit einem U Eisenring zu verstärken.»
Der übrige Text entspricht wieder dem Kosten-Voranschlag. Wie für einen Vertrag erforderlich weisen die zwei folgenden Abschnitte einen abweichenden Inhalt auf:
F. Lieferungstermin und Garantie
«Das Uhrwerk soll auf Pfingsten 1929 fertig montiert sein, die Zifferblätter & Zeiger dagegen vorher, im Anschluss an die Turmrenovation.
Für sehr correkte Funktion der Uhr im Gehen und Schlagen, sowie für die Solidität des Werkes selbst leistet J. Mäder eine Garantie von fünf Jahren. Gewalttätige Beschädigung durch Naturereignisse oder Menschenhand vorbehalten. Während der Garantiezeit soll das erforderliche feine Schmieröl gegen billige Entschädigung stets vom Lieferanten bezogen werden.»
G. Preise und Zahlungsbedingungen
«Für vertragsgemässe Lieferung und Installierung vorbeschriebenen Uhrwerkes wird dem Lieferanten von Seite der Tit. Gemeinde die Entschädigungssumme von Frk.: 3800.- (Dreitausendachthundert Franken) gutgeschrieben und wie folgt ausbezahlt:
Fr. 3000.- bar nach Beendigung der Montage,
Fr. 800.- nach Belieben innerhalb 5 Jahren, gegen jährliche Verzinsung à 5%.»
Der Abschnitt «H Bestimmungen» (eine Art Allgemeine Geschäftsbedingungen) ist inhaltlich wieder gleich wie der Abschnitt G im Kostenvoranschlag.
Die verlangten 3800 Franken würden umgerechnet mit dem Historischen Lohnindex des Swiss Historical Monetary Value Converter rund 60'000 Franken entsprechen. Ob man für diesen Preis heutzutage noch ein solch präzises mechanisches Wunderwerk bekäme, ist allerdings höchst fraglich.
Quellen
- Turmuhrenfabrik Mäder, Andelfingen: Kosten-Voranschlag vom 5. Oktober 1928. ERKGA Weiach. Signatur: II B 5.06.6 Turmuhr [noch ohne Einzelverzeichnung der Akten]
- Vertrag zwischen der Tit. Kirchenpflege Weiach und Jakob Mäder, Turmuhrenfabrikant in Andelfingen, Ct. Zürich über Lieferung und Aufstellung einer complet neuen Turmuhr auf die Kirche zu Weiach vom 24. Dezember 1928. ERKGA Weiach. Signatur: II B 5.06.6 Turmuhr [noch ohne Einzelverzeichnung der Akten]
- Pfister, Ch.; Studer, R.: Swistoval. The Swiss Historical Monetary Value Converter. http://www.swistoval.ch/
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