Montag, 10. August 2020

Wieviele Zifferblätter hatte die Weiacher Kirche?

Schaut man sich die evangelisch-reformierte Kirche Weiach in ihrem heutigen Zustand an, dann ist der Befund klar: auf jeder der vier Seiten des Dachreiters prangt ein Zifferblatt. Dazu kommt noch eine auf der Südostfassade aufgemalte Sonnenuhr.

Das war aber nicht immer so. Bis zur umfassenden Gesamtrestaurierung Mitte der 1960er-Jahre gab es nur drei Zifferblätter. Wer wie Metzger Baumgartner hinter der Kirche, d.h. auf der Nordostseite, wohnte oder arbeitete, der hörte nur die Glockenschläge, sah aber keine Uhrzeiger.

Bildliche Darstellungen

Nimmt man Heinrich Meisters Werk von 1716 (vgl. ZBZ Graph. Sammlg. PAS 4.34_2 und Ausschnitt unten) zum Nennwert, versteht es also als streng nach der Natur gezeichnet (vgl. WeiachBlog Nr. 1456), dann gab es damals auf der Nordwestseite (Richtung Bedmen und Kaiserstuhl) kein Zifferblatt, wohl aber auf der Südwestseite (Richtung Kirchenschiff und Chälen). Ob auf der Südostseite des Dachreiters (Richtung Oberdorf) ebenfalls ein Zifferblatt war, geht aus Meisters Zeichnung nicht hervor. Dieses Detail gibt die Perspektive nicht her.


Schriftliche Aufzeichnungen

Das Turmkugeldokument Nr. 2 von 1706 vermeldet unter den beteiligten Handwerkern als «Mahler so die Zeittafeln und fahnen gemacht»: Hans Caspar Ulrich, Bürger der Stadt Zürich.

Ob man basierend auf dieser Formulierung schon für die Bauzeit auf zwei Zifferblätter schliessen darf? Oder anders gefragt: handelt es sich um einen Akkusativ oder einen Plural? Im Fall der Fahne muss es ersteres sein, denn wie man auf Meisters Zeichnung sieht, scheint es nur eine Fahne gegeben zu haben, nicht zwei oder mehr (vgl. Meister 1716).

Im Turmkugeldokument Nr. 8 von 1855 wird von Pfr. Hirzel notiert: «Erstellung einer neuen Zeittafel auf der Nordseite und der bisherigen auf Eisenblech mit vergoldeten Zahlen».

Die Frage ist jetzt natürlich, ob Hirzel mit der «neuen Zeittafel» eine gemeint hat, die vorher nicht vorhanden war, oder er darunter einen Ersatz auf der Nordseite und die Weiterverwendung der alten Tafel (angebracht auf welcher Seite des Dachreiters?) verstanden hat.

Weiter ist unklar, welche Seite er als «Nordseite» bezeichnet haben wollte. Denn die Weiacher Kirche ist ja nicht exakt nach Osten ausgerichtet, sondern nach Nordosten, da sie sich an einem bereits bestehenden Gebäude orientiert – dem heutigen Pfarrhaus. Es liegt somit keine Ostausrichtung des Chors vor, wie sie bis ins Mittelalter üblich war (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ostung).

Sollte Hirzel dennoch implizit von einer Ostung ausgegangen sein, dann wäre die Nordwest-Seite, die man auf der Abbildung von Meister 1716 sieht (und die dort keine Zeittafel trägt) bei Hirzel eben die «Nordseite», was plausibler ist als die Nordost-Seite, denn diese hat nachgewiesenermassen bis Mitte der 1960er-Jahre kein Zifferblatt getragen.

Südostseite als grosse Unbekannte

Offen ist, auf welcher Seite die «bisherige» Zeittafel angebracht war, die man (offenbar im Gegensatz zu den anderen) bereits vor 1850 «auf Eisenblech» ausgeführt hatte: Südwestseite oder Südostseite?

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass damals (und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein) die massgeblichen Teile der Weiacher Bevölkerung im Oberdorf wohnten, dann kann man sich kaum vorstellen, dass es zwar Richtung Chälen ein Zifferblatt gegeben haben soll, nicht aber Richtung Oberdorf.

Wir wissen daher nicht, ob von allem Anfang an zwei oder nur ein Zifferblatt angebracht wurde und wann auf weiteren Seiten des Dachreiters Zifferblätter montiert wurden.

Holz oder Eisenblech?

Der Kosten-Voranschlag vom 5. Oktober 1928, den der Turmuhrenhersteller Mäder aus Andelfingen der Kirchenpflege zukommen liess, lässt keinen Zweifel daran, dass zu diesem Zeitpunkt alle drei Zeittafeln aus Eisenblech gefertigt waren, zwei davon in so schlechtem Zustand, dass sie ersetzt werden mussten (vgl. WeiachBlog Nr. 1561).

Das würde dafür sprechen, dass sie möglicherweise bereits aus der Zeit um 1850 stammen und die Fragmente der alten hölzernen Zeittafeln, die als Verschalung des Turmes zweitverwendet wurden und anlässlich der Gesamtrestaurierung in den 1960er-Jahren vom Dachreiter abmontiert und ins Ortsmuseum gebracht worden sind, somit älteren Datums sein dürften.


Deutlich äussert sich jedenfalls Pfr. Stünzi im Turmkugeldokument Nr. 11 von 1886, wo er «die Erstellung des Blitzableiters & neuer Ziffertafeln aus galvanisiertem Eisenblech» für dieses Jahr angibt. Nicht restlos geklärt ist dennoch, ob alle drei Zeittafeln neu erstellt wurden.

Wie alt die abgebildeten Zeiger sind, entzieht sich der Kenntnis des Autors dieser Zeilen derzeit gänzlich.

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