Mittwoch, 20. März 2024

Ein Ölhändler darf kein öffentliches Amt bekleiden?

Auch ein klares Votum des Volkes für einen Sprengkandidaten ist noch längst keine Garantie dafür, dass dieser dann auch wirklich ins Amt eingesetzt wird. 

Rücktritt des alten Amtsträgers huldvoll akzeptiert

Unter dem Datum des 24. Novembers 1749 ist im Protokoll des Weiacher Dorfgerichts ein Wahlausgang festgehalten, der den zuvor demokratisch gefällten Mehrheitsentscheid sozusagen qua gerichtlichen Beschluss kurzerhand durch ein anderes Ergebnis ersetzt hat:

«Nach deme Heinrich Meyer sein dorffmeyer ambt auff zu geben von jhro gnaden, herr obervogten Freyherr von Landsee, in gnaden bewilliget, hat mann von seithen der beambteten undt deß gerichts zu einem neüwen dorffmeyer vollgendte in vorschlag gebracht, namblich: Heinrich Willi, richter; Jacob Baumgarter, Fridlis, richter; Caspar Schwartz, wirth, richter.»

Der Dorfmeier (bisheriger Amtsträger: Heinrich Meyer) war so etwas wie der offizielle Vertreter des Niedergerichtsherrn in der Gerichtsherrschaft Weiach (dem Fürstbischof von Konstanz, vertreten durch seinen Statthalter, den bischöflichen Obervogt Franz Honory von Landsee, mit Sitz auf Schloss Rötteln am nördlichen Brückenkopf bei Kaiserstuhl). Der Dorfmeier musste damals gleichzeitig Richter des Dorfgerichts sein.

Das Dorfgericht machte der Gemeindeversammlung den traditionellen Dreiervorschlag aus ihrer Mitte: Heinrich Willi, Jacob Baumgarter und Caspar Schwartz. Alle drei von Weyach.

Aufstand der Gemeindeversammlung: Sprengkandidat

Was dann passierte, wird nicht genauer erläutert. Der wohlhabende und entsprechend einflussreiche zürcherische Untervogt Bersinger, der immer mal wieder mit den fürstbischöflichen Amtsträgern die Klinge gekreuzt hat, scheint jedenfalls nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein, dass keiner der drei Vorgeschlagenen gewählt wurde, wie das eigentlich gebräuchlich war. Ein Affront. Dazu kam noch der Umstand, dass sich Bersinger (wir würden ihn heute als Gemeindepräsident bezeichnen) offenbar nicht hätte an der Wahl beteiligen dürfen (so zumindest die Ansicht des Gerichts):

«Weil nunn Jacob Bersinger, vogt, mit übrigen burgeren nicht in ausstandt tretten wollen, jst mann gleichwohlen mit vorbehalt hochfürstl[ichen] rechten in der wahl fürgefahren, wo dann zu einem dorffmeier durch mehrere stimmen worden.

Hans Hertzig, becken sohn, ist per meyoren von der burgerschafft zu einem dorffmeier erwohlt [!]. Weil er aber nit des gerichts, hat mann solcheß jhro gnaden, herr obervogten, zu referieren in verdanck genommen, vollglich dise wahl noch nit alß gültig erkent.»

Der Aufstand war perfekt: Hans Hertzig mit Stimmenmehr gewählt! Dieses Ergebnis würde man nun dem Herrn Obervogt von Landsee mitteilen müssen. 

Unanständiger Beruf ist ein Wahlhindernis!

Ob sich der Statthalter des Fürstbischofs dazu geäussert hat, ist nicht klar. Jedenfalls wurde der Gewählte mit einem Trick ausgebootet:

«Weill obiger Hertzig seines öhl-handels halber alß unanständig erfunden, alß ist durch deß undervogtens zuspruch zu einem dorffmeyer einhellig erkent obbemelter Heinrich Willi.»

Der hier erwähnte Untervogt ist nicht etwa der oben erwähnte Bersinger. Laut Thomas Weibel, dem Bearbeiter des Rechtsquellenbandes, dem wir dieses Seilziehen entnehmen können, handelt es sich um Joseph Mauritz Buol, den Untervogt des fürstbischöflichen Amtes Kaiserstuhl und späteren Bürgermeister der Stadt Kaiserstuhl (zweiter Vorname dem Urkundenbuch der Stadt Kaiserstuhl, S. 253 entnommen). 

Hier hat also ein Amtsträger der bischöflichen Seite eingegriffen und den nicht genehmen Hertzig gerichtlich abservieren lassen. Dass dem so war und nicht etwa die Gemeindeversammlung sich umentschieden hätte, zeigt sich an der Formulierung. Hertzig wurde zwar erwählt. Willi hingegen «erkent». Das ist die Tätigkeit eines Gerichts.

Und so erweist sich jemand, der seinen Lebensunterhalt (u.a.) als Ölhändler verdient, als unwürdig, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Nun, die Gemeindeversammlung sah das mit Sicherheit anders. Den Weyachern dürfte schliesslich nicht unbekannt gewesen sein, was Hertzig beruflich so treibt. 

Quelle und Literatur

  • StAZH B VII 42.10 (fol. 28 v), Gerichtsprotokoll 1749.
  • Kläui, P. (Bearb.): Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl. Aargauer Urkunden Bd. 13 (AU XIII), Verlag Sauerländer, Aarau 1955 – S. 253.
  • Weibel, Th. (Bearb.): Wahl eines Dorfmeiers. SSRQ ZH NF II/1 (RQNA), Nr. 196. Aarau 1996 – S. 445.

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