Freitag, 15. März 2024

Erster Weiacher Viehmarkt 1877. Nur für sportliche Käufer!

Im Artikel von gestern Donnerstag wird behauptet, die Tradition mit den Viehmärkten auf Weiacher Boden habe sich ab 1877 entwickelt. Hier wird der Beweis nachgeliefert.

Am 5. Juli 1877 erschien das nachstehend abgebildete Inserat in der Neuen Zürcher Zeitung. Darin kündigt der Gemeinderat Weiach ehrerbietig an, ihm sei «von Seite der hohen Regierung» bewilligt worden, jährlich vier Viehmärkte zu organisieren. Abgestimmt auf die bereits bestehenden Termine sollten drei dieser vier Markttage jeweils auf den zweiten Donnerstag fallen: im Frühling, Sommer und Winter. Nur der Herbsttermin wurde auf den ersten Dienstag im September gelegt.

Marktplatz beim Gasthof Sternen

Zum Veranstaltungsort heisst es im Inserat: «Der Marktplatz befindet sich vorüber dem Gasthof zum Sternen, und ist derselbe nur 7 Minuten von der Eisenbahnstation Weiach-Kaiserstuhl entfernt.» 

Damals verlief die Hauptstrasse noch in einer scharfen Kurve nahe den heutigen Einmündungen von Büelstrasse und Chälenstrasse in die Stadlerstrasse am «Sternen» vorbei, d.h. es gab den Sternenparkplatz noch nicht. Wenn man sich diese Platzverhältnisse vergegenwärtigt, dann wird klar, dass der Viehmarkt auf einer der Wiesen nördlich der damaligen Strasse abgehalten wurde, wohl etwa dort, wo heute nur noch asphaltierter Raum ist.

Und wie es die Höflichkeitsformen vor 150 Jahren geboten, schliesst der Text mit: «Käufer und Verkäufer werden zum Besuche auf's Freundschaftlichste eingeladen.»


Eilmarsch angesagt

7 Minuten von der Eisenbahnstation bis zum Sternen? Da muss man sich schon ziemlich sputen. Und ein Eilmarsch-Tempo anschlagen. Mit gemütlichen 4 km/h wird das nichts. Dann hat man für diese Strecke von rund eintausend Metern eine Viertelstunde. Wer das vollmundige Versprechen des Gemeindraths für bare Münze nimmt, der muss 8375 Meter pro Stunde marschieren können.

In Rekordzeit vom Antrag zur Bewilligung

Dass der Gemeinderat tatsächlich das Plazet der Regierung hatte, kann man übrigens in einem Regierungsratsbeschluss (RRB) nachlesen. In der Archivdatenbank des Zürcher Staatsarchivs findet sich sowohl der Scan des handschriftlichen Originalprotokolls (ein Musterbeispiel schon fast kalligraphisch zu nennender Schreibkunst), als auch die Transkription:

«Der Gemeindrath Weiach stellt mit Eingabe vom 15. Jenner das Gesuch, es möchte der Gemeinde bewilligt werden, jährlich 4 Viehmärkte abzuhalten. Zur Begründung desselben führt der Gemeindrath an: 

In der Gemeinde Weiach und deren Nachbargemeinden werde vorzüglich Viehzucht betrieben; um nun letztere mit Vortheil betreiben zu können, sei ein größerer Absatz unbedingt nothwendig, welcher hauptsächlich durch Viehmärkte erzielt werde. Für Abhaltung von Märkten eigne sich die Gemeinde sehr gut, indem dieselbe kaum 10 Minuten von der Eisenbahnstation entfernt sei. Als Tage, an welchen die Märkte abgehalten werden sollen, bezeichne der Gemeindrath der 2. Donnerstag im März, der 2. Donnerstag im Juli, der erste Dienstag im September und der zweite Donnerstag im Dezember.

Der Bezirksrath Dielsdorf findet in seinem Gutachten vom 16. Februar die angeführten Gründe vollkommen richtig und beantragt deshalb Entsprechung des Gesuches.

Der Regierungsrath, nach Einsicht eines Antrages der Direktion des Innern, beschließt:

1. Der Gemeinde Weiach wird die Bewilligung ertheilt unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften 4 Viehmärkte und zwar je den 2. Donnerstag im März, den 2. Donnerstag im Juli, den 1. Dienstag im September und den 2. Donnerstag im Dezember abzuhalten.

2. Mittheilung an den Bezirksrath Dielsdorf & den Gemeindrath Weiach, an letztern durch Zustellung einer Bewilligungsurkunde.»

Ist das nicht bemerkenswert? Vom Antrag bis zum Gutachten des Bezirksrats Dielsdorf verstrich gerade einmal ein einziger Monat. Von diesem 16. Februar bis zum Tag des Regierungsratsbeschlusses am 24. Februar nur 8 (!) Tage, Wochenende inklusive. Von wegen «Staatsmühlen mahlen langsam». Da kann sich die heutige Bürokratie punkto speditiver Behandlung noch eine Scheibe abschneiden.

Gute Vorbereitung ist das A und O

Schon deshalb sollte man diese Bewilligungsurkunde, sofern sie im Gemeindearchiv noch aufzufinden ist, eigentlich fast einrahmen und zusammen mit dem RRB an die Wand des gemeinderätlichen Sitzungszimmers hängen. Darüber der Satz: «Gute Vorbereitung ist das A und O effektiver Regierungstätigkeit». Denn daran, dass dieser Antrag so sec durchgegangen ist, ist der Gemeinderat Weiach nicht unschuldig. Der hat nämlich seine Hausaufgaben in Recherche und Vorabklärungen mustergültig erledigt. An die grosse Glocke hängen muss man das nicht. Aber es muss einem bewusst sein.

Quellen

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