Samstag, 9. März 2024

«Momentanes Bedürfniß für Zeitungs-Leser»

Kurz vor dem Ende des Ancien Régime sieht er die Veränderungen direkt vor der Haustüre: Markus Lutz, geboren 1772, hat in Basel Theologie studiert, dann im Bernbiet als Hauslehrer gearbeitet. 1798 konnte er nicht nur heiraten, sondern erhielt auch seine Stelle als Pfarrer in der Baselbieter Gemeinde Läufelfingen (die zum damals noch vereinigten Stand Basel gehörte).

Anfangs 1798 hat sich aber auch sonst so ziemlich alles in seinem Umfeld radikal gewandelt. Am 15. Dezember 1797 besetzen französische Truppen den südlichen Teil des Fürstbistums Basel (heutiger Berner Jura). Am 17. Januar 1798 erhebt sich das Volk in Liestal gegen die Stadt Basel. Und bereits in den ersten Februartagen sieht die Alte Eidgenossenschaft ziemlich alt aus. Auch die Basler Regierung beeilt sich, ihre Verfassung an die Forderungen der Landbevölkerung anzupassen. Alles viel zu spät. Der Zusammenbruch ist nicht mehr aufzuhalten. Bereits am 12. April 1798 wird die von französischen Bajonetten geschützte Helvetische Republik ausgerufen.

Schwierigkeiten, noch den Überblick zu behalten?

In diesem ganzen Tohuwabohu noch einigermassen den Überblick zu behalten, war nicht einfach. Zeitungen sprossen wie die Pilze aus dem Boden, denn das Informationsbedürfnis war gross, zumal nach der bleiernen Zeit der Zensur, die im ausgehenden 18. Jahrhundert alles im Würgegriff hielt.

Wo man die politischen Verhältnisse des alten Systems noch gekannt hatte, da sah nun innert weniger Wochen alles ganz anders aus. Was gehörte jetzt wohin?

Der Basler Verleger und Buchhändler Flick sah eine Marktlücke. Markus Lutz betätigte sich als Autor und die beiden setzten einen Titel wie aus einem Marketing-Lehrbuch: «Momentanes Bedürfniß für Zeitungs-Leser. Oder Handbüchelgen der helvetischen Republik.». Hier das Titelblatt der ersten Ausgabe:


Offenbar entsprach das Werk einem Bedürfnis, sodass im Folgejahr 1799 eine weitere Ausgabe gedruckt werden musste. Die Publikation war mit heisser Nadel glismet, so viel ist klar, denn für sorgfältiges Lektorat hat die Zeit auch bei der zweiten Ausgabe nicht gereicht.

Der Distrikt Bülach

Auch unser Weiach hat in diesem Buch seine Erwähnung gefunden. Neu nicht mehr als Teil des Neuamts (wie seit 1424), sondern als Teil des «7. Districkt» des Kantons Zürich, der nur noch eine Verwaltungseinheit der Zentralregierung war.

Beschrieben werden die Städtchen Bülach und Eglisau, dann Glattfelden und Niederwenigen. Bei den restlichen Gemeinden beherrscht karge Kost bis völliges Weglassen die Szene. 

Immerhin werden Rafz, Weil, Bohns, Weyach, Stadel, Schäflistorf und Steinmaur werden explizit genannt. Und wenn Sie jetzt bei Bohns ratlos den Kopf schütteln... dem Verfasser dieses Beitrags geht's nicht anders.



Bei der Beschreibung des geographischen Umfangs beweist Lutz auch nicht gerade eine glückliche Hand, heisst es doch da:

«Dieser Distrikt enthält den ganzen Landesbezirk außerhalb dem Rhein, bey Eglisau mit der Gegend, westlich dem Eschenmooser Hügel, bis an die Lägeren und die Grenze von Baden. Er enthält circa 10900 Menschen.» 

Dass zur Eglisauer Umgebung auch das ganze Rafzerfeld gehört, das wird wohl nur ein bereits Ortskundiger gemerkt haben, der die alten Beschreibungen noch zur Hand hatte (bspw. Fäsis Staats- und Erdbeschreibung von 1765ff, vgl. WeiachBlog Nr. 999).

Quelle und Literatur

  • Lutz, M.: Momentanes Bedürfniß für Zeitungs-Leser. Oder Handbüchelgen der helvetischen Republik. Basel. Im Verlag von Samuel Flick Sohn, Buchhändler an der Schifflände, 1798 – S. 135-136. – Für e-rara.ch gescanntes Exemplar der Universitätsbibliothek Basel. Signatur: UBH Ei* VI 8 – https://doi.org/10.3931/e-rara-127230 
  • Brandenberger, U.: Wie man nach dem Tode Bücher schreibt. WeiachBlog Nr. 999, 30. April 2011.

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