Freitag, 8. März 2024

Wenn der Hauseingang nicht dort ist, wo er sein müsste

Kommt eine Blaulichtorganisation (Sanität, Polizei, Feuerwehr) zum Einsatz, dann geht es oft um Leben und Tod. Da können Sekunden entscheiden. Deshalb gilt bei Behörden von Bund und Kanton als ausgemacht: Die exakte Position aller Gebäude, in denen sich Menschen aufhalten (und sei es auch nur sporadisch und temporär), muss in Geographischen Informationssystemen jederzeit verfügbar sein.

Die Adresse sollte daher auch dem Namen der Strasse entsprechen, auf die ein Hauseingang in direktem Weg hinausführt. So verlangen es zumindest die Empfehlungen des Bundes. Aber eben: es sind Empfehlungen, keine zwingenden Rechtsvorschriften. Und so herrscht in der Gemeinde Weiach ein Wildwuchs, der je nach Tagesform und Präferenz des jeweiligen Entscheidungsträgers die Regeln einhält oder eben nicht.

Kein Problem mehr bei der Büelstrasse 2

Auf dem Plan der Amtlichen Vermessung steht die Hauseingangszahl eindeutig auf der Nordostseite des Hauses Büelstr. 2 (vgl. WeiachBlog Nr. 1380). Das ist allerdings noch keine Garantie, dort auch den tatsächlichen Hauseingang zu finden. 

Im Falle dieses Gebäudes führt dieser dem früheren Irrtum bezüglich der Strassenführung geschuldete Umstand nicht zu Adressierungsproblemen. Bis vor einigen Jahren führte der Bachweg auf dem Plan nämlich bis zur Stadlerstrasse, nicht aber in der Realität, wie die Strassentafel sie unbestreitbar verkündet hat und das bis heute tut: Ein Irrtum des damals zuständigen Vermessungsingenieurbüros Landolt AG, das sich beim Einzeichnen des Strassennamens an der Parzellengrenze orientiert hat (vgl. Bild unten rechts). Mittlerweile ist der Plan mit der Realität in Einklang gebracht worden (vgl. kleineres Bild unten links).


In anderen Fällen kommt aber ein ganzer Rattenschwanz an Folgen auf die Gemeinde (Kosten für das Vermessungswerk) und/oder die betroffenen Einwohner (Adressänderung!) zu, würde man sich an die von der Eidg. Vermessungsdirektion empfohlene Regelung halten, dass die Adresse die tatsächliche Position des Hauseingangs abzubilden hat. Und dann spart sich der Gemeinderat die eigenen Kosten lieber.

Neue Hausnummern wären erforderlich

Das Hauseingangsproblem zeigt sich (neben dem Fall Büelstrasse 2) auch einen Steinwurf entfernt, beim Haus Chälenstrasse 2. Auf der Seite Chälenstrasse ist keine einzige Wohnungseingangstüre zu finden (nur Ausgänge auf Gartensitzplätze). Das Haus müsste also eigentlich die Adresse Stadlerstrasse 2a tragen, wenn man dem ehemaligen Gasthof «Sternen» die Nummer 2 belässt. Letzteres ist seit dem Umbau der Hauptstrasse 7 Basel–Winterthur auch zwingend, denn seither kann man nur noch von der Stadlerstrasse her auf den Sternenparkplatz fahren (von der Kaiserstuhlerstrasse her geht das nicht mehr – jedenfalls nicht mehr so einfach wie früher).


Ebenfalls überhaupt nicht nach der Logik der Empfehlungen der Eidg. Vermessungsdirektion ist die Vergabe der Nummer für die 2015 erstellte Liegenschaft Chälenstrasse 5 (s. Bild oben). Dass man das ältere Haus Hintermann (anfangs der 1960er gebaut) nicht mit einem Wechsel der Nummer konfrontieren wollte, ist zwar nachvollziehbar. Dann hätte man aber für das neue Wohnhaus die Bezeichnung Chälenstrasse 1a festlegen müssen. Aus der aktuell noch mit Nr. 3a.1 bezeichneten Baute kann schliesslich irgendwann ein Wohnhaus Chälenstrasse 1 werden, wenn der Hauseingang nach Nordwesten zu liegen kommt. Zeigt er nach Nordosten, ist es die Stadlerstrasse 2b.

Augen zu und durch: das Seerenweg-Dilemma

Noch gravierender präsentiert sich das Problem in Neu-Weiach bei der 2014 fertiggestellten Überbauung «Im See». Der Hauseingang des Gebäudes mit der offiziellen Adresse Im See 8 liegt auf der Seite des (von der Gemeinde offiziell so benannten) Seerenwegs, was man auf dem Plan der Amtlichen Vermessung deutlich erkennen kann  (s. Bild unten, vgl. auch WeiachBlog Nr. 1277 vom Mai 2016). Hier müsste also ein ganzes Mehrfamilienhaus eigentlich die Adresse wechseln!

Zwei aktuell abrufbare Pläne auf dem Kantons-GIS: Auf dem linken Plan muss man zum Schluss kommen, es handle sich um das MFH Seerenweg 8. Auf dem rechten ist es Im See 8.

In diesem Fall ist der Fehler nicht dem Vermessungsingenieurbüro zuzuordnen. Hier war es die Gemeinde selber, die nicht gemerkt hat, dass sie mit der Baubewilligung einen Hauseingang auf den (ebenfalls von ihr selber so benannten) Seerenweg genehmigt und in derselben Bewilligung die offizielle Adresse und Hausnummer Im See 8 vergeben hat, was sich mit den Empfehlungen des Bundes nicht verträgt. 

Der Name Seerenweg war aber nun mal in der Welt, eine Änderung hätte die Gemeinde etwas gekostet und zusätzlich die Bewohner dieses Mehrfamilienhaus verärgert. Die sind allerdings gleichzeitig Stockwerkeigentümer, also lässt man das besser. Und belässt auch dem Fussweg Richtung Hasli seinen Namen. So erweisen sich Todesnachrichten (WeiachBlog Nr. 1277) als verfrüht. 

Weitere Beispiele für solche Adressierungsprobleme im Zuge der Neubenennung von Strassen finden sich im Artikel WeiachBlog Nr. 1335.

Chälenstrasse  23/25/27: das Königsprivileg der Gemeindebehörden

Im Falle der Ersatzüberbauung in der oberen Chälen ist die Sachlage leicht anders. Dort sind ausschliesslich Mieter ansässig (Alleineigentümerin des Komplexes ist die Neugut Immobilien und Verwaltungs AG, mit Sitz in Dübendorf). 

Wie die Landolt AG 2018 auf Anfrage von WeiachBlog mitteilte, hätten sie 2016 schon den Architekten darauf aufmerksam gemacht, dass die Baubewilligung eine andere Nummerierung vorsehe als die Ausführungspläne. Diesem Hinweis ist dann offenbar nicht genügend Beachtung geschenkt worden.

Erst als die Hausnummern durch die Behörden montiert wurden, merkten die frisch zugezogenen Bewohner der Häuser Chälenstrasse 23/25/27, dass sie allesamt mit einer Adressänderung beglückt worden sind – verglichen zu dem, was ihnen von ihrer Liegenschaftenverwaltung mitgeteilt worden war. 

Und weil die Gemeinde ihren (in diesem Fall nun tatsächlich der Empfehlung der Eidg. Vermessungsdirektion folgenden) Entscheid mit Nachdruck verteidigte, mussten die neuen Chälemer die Folgekosten für diese Änderung der Hausnummer tragen (Ummeldung bei allen Stellen, denen man die neue Adresse bereits mitgeteilt hatte, allenfalls neue Visitenkarten, etc.; vgl. WeiachTweet Nr. 1314, 2. März 2018, 23:40 MEZ; Bild oben). 

War das die Neuauflage der klassischen Chälemerdiskriminierung des 19. Jahrhunderts? Oder sind neuweiacherische Stockwerkeigentümer halt eine bessere Klasse von Einwohnern? Wie dem auch immer sei: Der Schutz der Gemeindekasse vor «unnötigen» Ausgaben geht – wenigstens in diesem Anwendungsgebiet – über alles.

Literatur

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