Dass Teenager auf okkulte Abwege geraten, ist kein neues Phänomen, das auf unsere Postmoderne beschränkt wäre. Satanistische Praktiken hat es in Weiach auch vor 350 Jahren gegeben.
Den Vorfall findet man in der Doktorarbeit von Meret Zürcher, die das Thema des delinquierenden Jugendlichen bereits in den 1950er-Jahren aus historischer Perspektive bearbeitet hat.
Auf den Hinweis darauf bin ich (noch vor den Zeiten von Google Books, wo man heute ebenfalls fündig wird) in Heinrich Hedingers Stoffsammlung über den Bezirk Dielsdorf und seine Gemeinden gestossen (vgl. das zwischen 1912 und 1970 entstandene Heft Nr. 25 Weiach; Signatur: StAZH X 211.1.31).
Einer Ziege das rechte Ohr abgehauen
Die Doktorandin handelt den Fall unter Kapitel VI. Religionsvergehen, A. Hexerei und Zauberei ab (S. 182):
«Interessant ist die „Tat“ des 17jährigen Heinrich Huser von Weiach der 1674 vor dem Stillstand daselbst gestand, dass er folgenden von einem Kameraden gelernten Trick angewendet habe, um beim Spielen stets zu gewinnen: Er habe einer Ziege in Teufels Namen das rechte Ohr abgehauen, drei Tropfen Blut davon auf die Hand genommen und ein Kreuz darin gezeichnet, dann das Ohr unter die linke Achsel in seinen Kittel genäht. Er wurde nach Zürich geschickt, damit ihm die Sache zu Herzen gelegt und er „dem höllischen Wolf aus dem Rachen gerissen werden möchte“, wo er nun im Oetenbach fleissig beten und arbeiten soll [Fn-284].»
Heute wäre wohl eher der Umstand relevant, dass da eine Ziege zu Schaden gekommen ist. Das ist nämlich als Tierquälerei im Sinne von Art. 26 des Tierschutzgesetzes zu werten und würde entsprechend geahndet werden (Strafandrohung: bis zu drei Jahren Gefängnis).
Damals sah man primär die religiösen Grundfesten in Gefahr: Nachdem der junge Huser bereits durch den Weiacher Stillstand verhört worden war (d.h. die Kirchenpflege unter Vorsitz des Pfarrers Hans Rudolf Seeholzer) ist diese lokale Sittenbehörde zum Schluss gekommen, das vorliegende Satanismus-Verbrechen müsse durch die hohe Obrigkeit beurteilt und bestraft werden. Nur mit einer Ermahnung war das nicht mehr zu erledigen.
Auch jugendliche Delinquenten landen im Zuchthaus Oetenbach
Deshalb findet man den Fall auch im Dossier «Kundschaften und Nachgänge betreffend Hexen, Lachsner etc., 1661-1682» Signatur: StAZH A 27.163 (März 1674), worauf die referenzierte Fussnote 284 verweist. Sie weist auch auf die entsprechende Fundstelle in den Ratsmanualen, Signatur: B II 565, fol. 86, hin.
Denn die Zürcher Regierung musste den sog. Nachgängern (Untersuchungsrichter) den formellen Auftrag zur Strafuntersuchung erteilen, wobei auch Anweisungen über die anzuwendenden Methoden (d.h. Folter ja od. nein) gegeben werden konnten. Welche das waren, ist ohne Besuch im Staatsarchiv nicht ermittelbar. Diese Serie ist auf der Ratsmanuale-Website des Staatsarchivs nämlich derzeit elektronisch noch nicht verfügbar (aktuell erst ab 1676).
Der Hinweis, dass man Huser nach erfolgter Strafuntersuchung ins Zuchthaus Oetenbach (bis 1525 war dort das Kloster Oetenbach) gesteckt hat und er dort arbeiten musste, kann ein Hinweis auf Verurteilung zum Schellenwerk sein (vgl, die Strafe im Fall Anna Balthassin aus dem Jahre 1682 in WeiachBlog Nr. 2043). Auf jeden Fall musste Huser sich wiederholt vom zuständigen Pfarrer ins Gebet nehmen lassen. Sonst war keine Entlassung möglich.
Quelle und Literatur
- Zürcher, M.: Die Behandlung jugendlicher Delinquenten im alten Zürich (1400-1798). Dissertation Universität Zürich. Winterthur 1960 -- Bibliotheksnachweis: StAZH Df 255
- Eine Zusammenfassung der Dissertation gibt der Beitrag derselben Autorin: Zürcher, M.: Die Behandlung jugendlicher Delinquenten im alten Zürich. In: Zürcher Taschenbuch, Bd. 84 (1964) – S. 50-68.
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