Samstag, 6. April 2024

Jagd auf Täufer in Bachs und Stadel

Todesurteile gegen täuferisch Gesinnte sind bereits kurz nach der Reformation überliefert. Ein solches wurde beispielsweise am 5. Januar 1527 gegen Felix Manz durch Ertränken in der Limmat vollstreckt. 

Die Täufer stehen beispielhaft für eines der Phänomene, das in jeder fundamentalen Umwälzung auftritt: Die Revolution frisst einige ihrer Kinder. In diesem Fall traf es die besonders schriftgläubige Gruppe der sogenannten Wiedertäufer innerhalb der Zürcher Reformation. 

Staatlich garantierter Taufschutz ab Geburt

Die Täufer glauben u.a. an die Freiheit des Glaubensbekenntnisses, weswegen man die Taufe erst durchführen dürfe, wenn der Jugendliche geistig und mental dazu in der Lage ist, seine Kirchenzugehörigkeit bewusst zu bejahen. Daher rührt auch die Bezeichnung für diese Gruppierung: Wiedertäufer.

Denn in diesem Bereich war die Gesellschaft damals nicht bereit, so weit zu gehen. Eine Mehrheit wollte sich nicht von der Vorstellung trennen, man müsse ein Kind zum Schutz vor bösen Mächten bereits kurz nach der Geburt taufen. Diese Fraktion setzte sich durch. Der Zürcher Rat dekretierte in der Folge einen Glaubensinhalt als staatlich zwingende Vorschrift, und machte damit die Täufer zu Rechtsbrechern.

Staatsfeinde oder keine Staatsfeinde?

Implizit haftete an ihnen von nun an der Makel von Staatsfeinden, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen galt. Wirklich radikal waren aber praktisch nur die Pfarrer gesinnt, wie Christian Scheidegger schreibt (S. 343):


Die meisten der mit dem Regieren betrauten Ratsherren sahen das offensichtlich wesentlich pragmatischer. Sie waren viel zu sehr weltlich denkende Geschäftsleute, als dass sie wirklich bereit waren, bis zum Letzten zu gehen. So bildete sich im 16. Jahrhundert eine seltsame Art von Toleranz heraus. Offiziell war man knallhart. Und tolerierte die Täufer doch, solange sie sich als Untergrundkirche organisierten und nicht offen gegen den Staat stellten.

Natürlich musste man dem Machtmonopol des Staates dennoch hin und wieder Nachachtung verschaffen, um die religiösen Fanatiker zu beruhigen. So im Frühling 1554, als wieder einmal eine Strafaktion angesetzt wurde. Die hatte Ratskollege Bachofen, Obervogt im Neuamt, für angezeigt gehalten, weil es in Schüpfheim (Gemeinde Stadel) und in den Thalhöfen (Gemeinde Bachs) Täufer gebe. Auch für die Täufer auf dem Gemeindegebiet von Weiach wurde es damit brenzlig (vgl. WeiachBlog Nr. 1056).

Knallharte Zwangsmassnahmen zwecks Machtdemonstration

Der im Ratsmanual notierte Auftrag an den Obervogt des Neuamts lautet wie folgt:

«"Als Vogt Bachoffen von wegen ettlicher täüfferen im nüwen Ampt" (zu Schüpfen und im Thal) "anzeig gethan. Ist jm beuolchen. Das er nach ein mal uff sy ein spech machen. und wo die betretten fengklichen angenommen und hargefürt werden. Wo aber sy nit zegriffen. Solle er durch die Weibel der Töuferen hab und gut alles jnn haft und verpot legen lassen. Und danenthin den fründen anzeigen. Das sy jre gefründten zur gehorsame. Und das sy harin" (in das Land zurück) "und ze kilchen gangind. vermanen. Dann wo sy das nit thun. würde er jnen all jr hab und gut nemen. Und so sy dann gehorsame thund soll er den costen deßhalb uszgangen von jnen jnziechen. wo nit demnach all jr hab und gut zu myner (herren) handen ziechen. und darinn gwalt han und bescheidenlich faren. Deßglychen auch die so sy beherberget stroffen und büßen." Zürch. RMan. 1. März 1554. Spätere Beschlüsse jedoch (11. April. 23. Mai) verschoben die Gütereinziehung wieder.»

Der Obervogt sollte also die Täufer in den genannten Siedlungen überwachen und (sofern greifbar) verhaften lassen. Wo das nicht möglich war, weil sie über die Grenze ins Ausland ausgewichen waren, hatte er deren Häuser und Landbesitz durch den Weibel vorsorglich beschlagnahmen zu lassen. 

Via die Verwandten und Freunde wurde dann Druck ausgeübt: Wenn die Taufgesinnten nicht zurückkämen und sich weigerten, wieder gehorsam den regulären Gottesdienst zu besuchen, dann werde der Staat die in Arrest gelegten Besitztümer einziehen. [Diese Konfiskation wurde sonst nur gegen hingerichtete Straftäter exekutiert!]. Auch die vor Ort Verbliebenen wurden darauf aufmerksam gemacht, dass bestraft werde, wer Täufern Unterschlupf gewähre.

Standhafte Täufer

Wer der Aufforderung nachkam, musste laut dem Auftrag an den Obervogt lediglich die Kosten der Strafaktion übernehmen. Soweit der Text aus dem Ratsmanual, der einem Werk aus dem 19. Jahrhundert entnommen ist. Dessen Autor, Ferdinand Meyer, stellte in späteren Einträgen der Ratsmanuale fest, dass die radikale Einziehung der gesamten Lebensgrundlagen dann doch nicht sofort umgesetzt wurde. Implizit kann das nur bedeuten, dass etliche der Taufgesinnten an ihrem Glauben festhielten und Bürgermeister und Rat dennoch beschlossen, eine gewisse Toleranz walten zu lassen.

Quellen und Literatur 
  • StAZH B II 86 (Ratsmanuale des Natalrats des Stadtschreibers, 1554) od. 
    StAZH B II 87 (Ratsmanuale des Natalrats des Unterschreibers, 1554) 
  • Meyer, F.: Die evangelische Gemeinde in Locarno, ihre Auswanderung nach Zürich und ihre weitern Schicksale. Ein Beitrag zur Geschichte der Schweiz im sechszehnten Jahrhundert. Nach bisher meist unbenutzten handschriftlichen Quellen. Verlag S. Höhr, Zürich 1836 – Erster Band, Fn-88, S. 299-300.
  • Guggenbühl, H.: Stadel. Raat, Schüpfheim, Stadel und Windlach. Entwicklung einer Gemeinde. Stadel bei Niederglatt 1994 – S. 192 (Randtext Wiedertäufer).
  • Brandenberger, U.: Täuferinnen aus Weiach vom Weibel verzeigt. WeiachBlog Nr. 1056, 13. Dezember 2011.
  • Scheidegger, Ch.: Reformierte und Täufer in Zürich zwischen Konsens und tödlichem Konflikt. Ein Beitrag zur Toleranzforschung. In: Selderhuis, H.J. et al. (Hrsg.): Reformed Majorities in Early Modern Europe. Refo500 Academic Studies (R5AS) - Band 23. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015 – S. 341-362.

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