Montag, 1. April 2024

Ohne Laterne bei Weiach en Argovie unterwegs

Über tödliche Unfälle macht man keine Witze. Auch am 1. April nicht. Erlaubt sind sie hingegen, wenn sie auf Kosten von mit geographischen Kenntnissen unterbelichteten oder mit ihren Kunden Schabernack treibenden Nachrichtenagenturen gehen, wie im nachstehenden Fall:

«Zurzach, 1. April. Bei Weiach stieß in der Dunkelheit ein ohne Laterne mit dem Velo von der Arbeit heimkehrender 25jähriger junger Mann namens Schmid mit einem Pferdefuhrwerk zusammen und erlitt einen Schädelbruch, der den Tod herbeiführte.»

Dem geneigten Weycher Leser fällt sofort auf, warum da etwas nicht stimmen kann. Wieso da «bei Weiach» und nicht «bei Kaiserstuhl» oder «bei Fisibach» steht, wissen die Agentur-Götter. 

Fehler oder Veräppelung?

Dass diese Polizeimeldung aus dem Aargau stammen muss, ist einem Zürcher Journalisten klar. Aber weiter weg im Schweizerlande offensichtlich nicht. Wenn man sich die Zeitungen ansieht, in denen diese Meldung abgedruckt wurde, dann erscheint sie v.a. in der Westschweiz trotzdem meist unter der Rubrik Aargau, bzw. Argovie.

Nur im Bieler Tagblatt vom 1. April 1916 steht nichts von Aargau bei dieser Meldung. Auch in den Neuen Zürcher Nachrichten vom 1. April 1916 oder der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. April 1916 nicht (noch peinlicher).

Dafür aber in allen übrigen Blättern, die bis dato auf e-newspaperarchives.ch verfügbar sind:

Journal du Jura, 3. April 1916
Oberländer Tagblatt, 3. April 1916
Tagblatt der Stadt Thun, 3. April 1916
FAN - L'express, 4. April 1916
Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern, 5. April 1916

Warum war das Fuhrwerk nicht beleuchtet?

Eine weitere Ungereimtheit an dieser Meldung: Wieso wird nur der Umstand erwähnt, dass der (wohl schneller als das Pferdefuhrwerk fahrende) junge Mann ohne Licht unterwegs war? Der, dass das Fuhrwerk selber aber mutmasslich genauso wenig beleuchtet gewesen sein dürfte, hingegen nicht? 

Vgl. dazu den Unfall vier Jahrzehnte später, ebenfalls mit einem nicht beleuchteten Fuhrwerk, der sich tatsächlich auf Weiacher Boden ereignet hat: WeiachBlog Nr. 1956.

Fest angestellte Schneeschaufler für rot-weiss lackiertes Land

Wie dem bei diesem Unfall auch gewesen sein mag: Einen ziemlich eindeutigen, in weltkriegerischen Zeiten jedoch etwas makabren 1. April-Scherz haben sich die katholischen Neuen Zürcher Nachrichten geleistet. Lesen und urteilen Sie selber:


Quelle: NZN, 1. April 1916

Nachtrag vom 2. April 2024

Über die Bombardierung von Porrentruy durch deutsche Flugzeuge am 31. März 1916 wurde in den Zeitungen breit berichtet. Besonders auch über den Umstand, dass die Soldaten des im Städtchen stationierten Bataillons keine scharfe Munition auf sich trugen, was eine Bekämpfung der neutralitätsverletzenden Flieger verunmöglichte. Dieser Skandal, der auf einen nicht adäquat an die unterstellten Einheiten weitergeleiteten Befehl bezüglich Munitionsausgabe im Grenzgebiet zurückzuführen war, führte zur Bestrafung des fehlbaren Regimentskommandanten mit 6 Tagen Arrest und Entfernung aus seiner Führungsfunktion (vgl. Der Bund, Nr. 160, 4. April 1916, Morgenblatt).

Interessant ist auch die Reaktion des Deutschen Reichs (vgl. Neue Zürcher Zeitung, Nummer 530, 3. April 1916, Erstes Abendblatt), v.a. im Vergleich zur Haltung desselben Staates nur wenig mehr als zwei Jahrzehnte später: 

«Heute vormittag sprach der deutsche Gesandte, Herr v. Romberg, im Politischen Departement vor, um dem Bundesrat das lebhafteste Bedauern der deutschen Reichsregierung wegen des Fliegerbombardements in Pruntrut auszusprechen. Er teilte mit, daß die Flieger strenge bestraft worden seien und daß Deutschland selbstverständlich für den entstandenen Schaden aufkommen werde. Die deutsche Reichsregierung werde erneut alles tun, um die Wiederholung solcher Vorfälle zu verhüten. In der nahezu einstündigen Unterredung mit Herrn Bundesrat Hoffmann warf der Gesandte, wie wir vernehmen, auch die Frage auf, ob es nicht möglich wäre, auf irgend eine Weise die Landesgrenze schärfer zu markieren. Wie bekannt, war der Gesandte schon am letzten Samstag [d.h. am 1. April] im Bundeshause erschienen, um persönlich sein Bedauern über den Vorfall auszusprechen.»

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