Können Sie sich noch an die Examen in Ihrer Volksschulzeit erinnern? Da kamen Schulpfleger und Eltern ins Schulzimmer und waren bei einem doch eher lockeren Unterricht dabei. Prüfungsstress hatte da allenfalls die Lehrkraft, die Schulkinder eher weniger.
Ob das vor 200 Jahren noch etwas anders war? Damals war nämlich die Anzahl der obligatorischen Schuljahre nicht fix festgelegt. Das Examen fand jeweils anfangs April statt und war ein Anlass, bei dem darüber entschieden wurde, ob ein bestimmtes Kind aus der Pflicht zum Besuch der Alltagsschule entlassen werden kann.
§. 17. Examen.
«Es soll alle Jahre nach geendigter Winterschule von dem Pfarrer und den Vorgesetzten und Stillständern ein Schulexamen gehalten werden, sowohl mit den täglichen als Repetierschülern, wobey die Schulrödel ordentlich vorgelegt werden sollen. Ebenso soll auch bey Eröffnung der Schule von dem Pfarrer in Beyseyn der Vorgesetzten und Stillständer dem Schulmeister die Schul feyerlich übergeben, an den Lehrer und die Kinder eine herzlich-kräftige Ermahnung gehalten und den Vorgesetzten und Stillständern die Schulbesuche empfohlen werden.»
Bei den Schulrödeln handelte sich laut § 10 um nach Vorgaben geführte Listen mit Anwesenheits- und Leistungsvermerken für jedes einzelne Schulkind. Mit den Vorgesetzten sind die Gemeinderäte und mit den Stillständern die Kirchenpfleger gemeint.
Diese Paragraphen hat die Zürcher Kantonsregierung im Dezember 1803 mit dem Gesetz, enthaltend eine Schulordnung für die Landschaft des Kantons Zürich erlassen. Für die nächsten dreissig Jahre bildete dieses die Grundlage auch für den Schulunterricht in der Gemeinde Weyach.
Tiefere Anforderungen nur für Mädchen möglich
In besagtem Erlass ist keine Rede davon, wieviele Schuljahre zu absolvieren sind. Entscheidend war, ob ein Schulkind die Prüfung durch den Herrn Pfarrer bestand. Wenn ja, musste es dann bis zur Konfirmation nur noch in die Repetierschule (ein Halbtag pro Woche; mit weniger als einem Viertel der Stundenanzahl der Alltagsschule):
§. 18. Entlassung der Schüler.
«Bey diesen öffentlichen Examen soll auch jedesmal gemeinschaftlich bestimmt werden, welche Kinder der täglichen Schule entlassen, und in die Repetierschule mögen aufgenommen werden, da den Eltern nicht überlassen seyn soll, ihre Kinder eigenmächtig aus der Schule zu nehmen. Auch mag in der Zwischenzeit diese Entlassung, aber nie anders geschehen, als auf das Zeugniß des Schulmeisters, und auf eine von dem Pfarrer selbst in Beyseyn wenigstens Eines Stillständers angestellte Probe. Mithin ist unser ernstlicher Wille, daß kein Schulkind unter irgend einem Vorwand der täglichen Schule entlassen werde, bis es fertig und verständlich lesen und ordentlich schreiben kann, und zum sittlich-religiösen Unterricht dienliche Stellen und Sprüche, mit Verstand auswendig gelernt, auch das Einmal-Eins mit einigen Anfängen des Kopfrechnens inne hat. Für die Töchter mag des Schreibens halber vom Pfarrer und Stillstand eine Ausnahme bewilligt, aber kein Knabe soll entlassen werden, ehe er schreiben gelernt hat.»
Für eine Frau, so kann man daraus schliessen, reichte damals die sittlich-religiöse Erziehung notfalls völlig aus, Schreiben musste sie nicht unbedingt können. Ein Mann hingegen, der nicht schreiben kann, das geht gar nicht.
Quelle
- Gesetz, enthaltend eine Schulordnung für die Landschaft des Kantons Zürich. StAZH OS AF 1 (S. 406-407)
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