Sonntag, 21. April 2024

Gärten auf der Zürcher Landschaft im 19. Jahrhundert

Gottlieb Binder, der Verfasser der ersten zwischen harte Buchdeckel gebundenen Geschichte unserer Nachbargemeinde Stadel, hat 1930 in der Bülach-Dielsdorfer Wochen-Zeitung (dem heutigen Zürcher Unterländer) einen mehrteiligen Beitrag über die Landwirtschaft in der Gemeinde Weiach abdrucken lassen.

Die Informationen dazu hat der aus dem Unterland stammende, in Kilchberg am Zürichsee als Lehrer tätige Binder, aus einer 1852 publizierten Broschüre, die von Seminarlehrer Kohler aus den 1851 eingegangenen Wettbewerbsbeiträgen für landwirtschaftliche Ortsbeschreibungen zusammengestellt wurde.

Kohler stützte sich auf die Verhältnisse in den Gemeinden Weisslingen, Zürich-Höngg, Thalwil, Oberrieden, Uitikon, Wangen-Brüttisellen und Weiach. Allenfalls hat er auch noch weitere Informationen aus eigener Anschauung beigetragen. 

Paraphrasiert aus Kohlers Broschüre

Die untenstehende Passage in der Fassung von Binder 1930 stammt, teils gekürzt und teils umformuliert, eindeutig aus Kohlers Vorlage. Dem Inhalt an sich tut das aber keinen Abbruch. Und so sei hier, trotz oder gerade wegen des aktuellen Zweitwinter-Einbruchs im Original von 1930 festgehalten, wie es zu Beginn und in der Mitte des 19. Jahrhunderts um die Gärten im Züribiet bestellt war [Verlinkung durch WeiachBlog]:

«Der alte schöne Grundsatz, es müsse bei jedem Hause auf dem Lande auch ein Garten sein, ist in unseren Gemeinden überall und von altersher ausgeführt worden, und es findet sich wohl selten ein Haus ohne Garten. Noch vor einem halben Jahrhundert, also um 1800 herum, waren unsere Gärten meistens sehr einfach angelegt und selten eingehagt; auch in der Bepflanzung war wenig Abwechslung zu sehen: Mangold (Kraut), Spinat (Binätsch), Käfen, Kohl und "Bölle" waren die gewöhnlichen Gartenprodukte. Andere Gemüse, wie Buschbohnen (Höckerli), Stickelbohnen, aber auch Käfen, Zwiebeln und Kabis wurden, wie heute (1850) noch in den Reben, besonders in den neueingelegten gepflanzt. Blumen waren spärlich vorhanden, am meisten die hundertblättrigen Rosen, einige Nelkenarten, Reseden, Levkoien (Straßburger), Lack (Maiennägeli). Als Topfpflanzen wurden gezogen Myrten, Geranien, gefüllte Nelken. Nirgends fanden sich in den Gärten Zwergobstbäume mit feinem Obst, dagegen da und dort aus den Steinen gezogene Aprikosen (Barillen) und Pfirsiche. Auf den Sonnseiten der Häuser aber wurden Reben am Geländer oder in Bogen gezogen.

Um 1850 war schon vieles anders geworden. Sowie die Verbesserungen in der Landwirtschaft Fortschritte erzielten, trat auch in den Gärten mehr Sinn für das Schöne und Liebliche zu Tage. Fast alle, selbst die kleinen Gärten, sind schönre und lieblicher geworden. Von den größeren wurden manche geschmackvoll angelegt und bieten nun dem Auge die mannigfachste Abwechslung im Hinblick auf Gemüse, Blumen, Obst- und Zierbäume. Besonders reich bedacht sind die Blumen. Die mannigfaltigsten Rosenarten in niederer Form, in Halb- und Hochstämmchen, die so schönen und unübertrefflichen Dahlien, Nelken, Straßburger, und eine Menge Sommerflor zieren unsere kleinen und großen Gärten. Primeln und Hiazinthen, Tulpen u.a. eröffnen im Frühjahr den Reigen. In einigen Gärten findet man auch schöne Gruppen und Anlagen von Gesträuchen und Zierpflanzen. Die meisten Gärten sind mit hölzernem, meist grün gestrichenem Lattenwerk eingefaßt. Es gibt daneben aber abseits von den Straßen und Dorfgassen auch Gärten, die ganz offen sind. Die meisten sind in schöne, von Buchs eingefaßte Beete eingeteilt, die verschieden geformt sind.»

Es fällt auf, dass Kohler keine Angabe zur Farbe des Lattenzauns macht (vgl. S. 66), Binder hingegen sehr wohl. Für ihn ist Lattwerk auf der Zürcher Landschaft «meist grün» gestrichen.

Keine Weiacher Alleinstellungsmerkmale

Festzuhalten ist: Entgegen den Aussagen Binders in der Einleitung zu seinem Beitrag sind die Angaben zum Aussehen der Hausgärten und zu den Pflanzen, die dort angebaut wurden, nicht Weiach-spezifisch. 

Kohler kann nichts dazu aus der Weiacher Ortsbeschreibung von 1850 u. 51 entnommen haben, die man bei der grossen Restauration der 1960er-Jahre in der Turmkugel unserer Kirche gefunden hat. Diese Schrift enthält nämlich höchstens kursorische Angaben zu den Hausgärten und den dort wachsenden Pflanzen. 

Für die Verfasser der Ortsbeschreibung, die Protagonisten des Weiacher Landwirtschaftlichen Gemeindsvereins, fielen ihre Hausgärten offensichtlich nicht unter den Begriff Landwirtschaft.

Quellen und Literatur

  • Ortsbeschreibung Weiach von 1850 u. 51. Handschrift, fadengeheftet. Signatur: OM Weiach KTD 7.
  • Kohler, Johann Michael: Landwirthschaftliche Beschreibung der Gemeinden Dettenriedt, Höngg, Thalweil-Oberrieden, Uitikon, Wangen, Weyach, bearbeitet nach den von genannten Orten eingegangenen Ortsbeschreibungen von J. M. Kohler, Seminarlehrer, und als Beitrag zur Kenntniß des Landbaues im Kanton Zürich, herausgegeben von dem Vorstande des landwirthsch. Vereines im Kanton Zürich. Druck von H. Mahler, Zürich 1852. https://doi.org/10.3931/e-rara-30931 Vgl. insbesondere S. 65-66.
  • Binder, Gottlieb: Die landwirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinde Weiach um 1850. In: Bülach-Dielsdorfer Wochen-Zeitung, 1930, Nr. 86-89 (5 Teile). Hier: Dienstag, 28. Oktober 1930, Nr. 87. Unterhaltungsblatt [Teil] 3 [auf 2. Blatt].
  • Ortsbeschreibung Weiach Anno 1850/51. Abschrift des Originals durch Walter Zollinger, fertiggestellt 17. März 1969. Handschrift, Ringheft.

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