Sonntag, 7. April 2024

Marazzotta zückt die Trumpfkarte: Devolutiveffekt!

Eine Zuschrift des Anwalts der Gemeinde Weiach ans Bundesgericht erläutert, weshalb man im Gemeindehaus der Meinung ist, die Beschwerde sei fristgerecht eingereicht worden (vgl. WeiachBlog Nr. 2051 für die Gegenposition). 

Nach dieser Rechtsauffassung gilt der Fristenstillstand über Weihnachten und Neujahr. Damit wäre man am 19. Januar (Datum des Poststempels) noch innerhalb der Frist gewesen.

Grund ist gemäss Rechtsanwalt Marazzotta der sog. Devolutiveffekt im Rechtsmittelverfahren. Dieser juristische Fachbegriff berührt den Umstand, dass durch die Ergreifung des Rechtsmittels die Angelegenheit auf eine höhere Ebene gehoben wird (in diesem Fall ans Bundesgericht). Dadurch greifen nur noch die Regeln dieser höheren Instanz: die Vorschriften im Bundesgerichtsgesetz (BGG).

Der Artikel 82 BGG als Wegweiser

Durch das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich wurde dasjenige des Bezirksrats Dielsdorf aufgehoben, weshalb man auch nur dieses letzte Urteil anfechten kann.

Die Beschwerde ans Bundesgericht wurde durch die Politische Gemeinde Weiach eingereicht, mithin durch eine Körperschaft und nicht durch die Gemeinderäte in ihrer Eigenschaft als Stimmberechtigte. 


Die Gemeinde könne, so Marazzotta, keine Beschwerde im Zusammenhang mit politischen Rechten erheben (Art. 82 Bst. c). Sehr wohl aber eine, die an die Verletzung ihrer Gemeindeautonomie anknüpft (nach Art. 82 Bst. a).

Eine Stimmrechtssache ist keine Stimmrechtssache mehr

Aus dem Umstand, dass in Art. 46 Abs. 2 Bst. c BGG (wo es um den Ausschluss des Fristenstillstands geht) explizit von Art. 82 Bst. c die Rede ist, leitet Marazzotta unter Rückgriff auf einen Bundesgerichtsleitentscheid ab, dass in Fällen, wo eine Beschwerde nur an Art. 82 Bst. a anknüpfen könne, eben keine Stimmrechtssache im Sinne von Art. 46 BGG mehr vorliege.

Aus einer Angelegenheit, die unbestreitbar als Stimmrechtssache begonnen hat, kann also plötzlich etwas ganz anderes werden, je nachdem, wer welche Art von Beschwerde vor dem Bundesgericht in Anschlag bringt.

Ist das so? War das die Absicht des Gesetzgebers, als er diese Gliederung vorgenommen hat? Man darf gespannt sein, welche Auslegung des Bundesgerichtsgesetzes das Bundesgericht selber vornehmen wird. 

Anhang: O-Ton Marazzotta

Nachstehend zu Dokumentationszwecken noch der Originalwortlaut (Auszug; Bem 1 & 2 von 4; Verlinkungen durch WeiachBlog):

«1. Der private Beschwerdegegner bringt vor, der Beschwerdeführer habe die Frist verpasst. Gemäss Art. 46 Abs. 2 lit. c BGG gelte der Fristenstillstand nicht in Stimmrechtssachen nach Art. 82 lit. c BGG. Damit übersieht er, dass es sich bei der Beschwerde der Gemeinde bzw. des Gemeinderats nicht um eine Stimmrechtsbeschwerde handelt.

2. Anfechtungsobjekt im vorliegenden Verfahren bildet aufgrund des Devolutiveffekts der letztinstanzliche kantonale Entscheid nach Art. 82 lit. a BGG. Der Beschwerdeführer ist gemäss dem Entscheid 1C_465/2015 vom 7. Dezember 2015 des Bundesgerichts weder nach Art. 89 Abs. 1 BGG noch nach Art. 89 Abs. 3 BGG zur Beschwerde wegen der Verletzung politischer Rechte legitimiert. Zur Beschwerde berechtigt ist er hingegen, soweit er rügt, mit dem angefochtenen Urteil werde die Gemeindeautonomie verletzt. Genau das rügt die Beschwerde, sodass gemäss dem vorgenannten Entscheid des Bundesgerichts die Beschwerde nach Art. 82 lit. a BGG zu behandeln ist. Das Vorbringen des privaten Beschwerdegegners zielt damit zum Vornherein ins Leere.»

Quelle

  • Marazzotta, L. (M&R Rechtsanwälte): Bemerkungen in Sachen BGer 1C_43/2024 betreffend Bewilligung eines Kredits für das Gemeindeinfrastruktur-Bauprojekt «Zukunft18187» und eines Zusatzkredits für den Bau einer Tiefgarage (1C-43--Act.14). Kilchberg ZH, 22. Februar 2024.

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