In der Regel eindeutig zu gross. So würde die Einschätzung aus heutiger Perspektive lauten. Man hat einfach so viele Kinder wie möglich in die Schulstube hineingepackt. Damit musste der Lehrer halt fertig werden. Und entsprechend sahen dann auch die Lernerfolge aus: nicht sehr überzeugend.
Die Forderung der Zürcher Obrigkeit war, dass Kinder im Minimum die Grundfertigkeiten im Lesen erwerben mussten. Darauf waren die Landschulen ausgerichtet. Wer Rechnen lernen wollte, der musste sich extra darum bemühen. Und wenn er Glück hatte, dann konnte der örtliche Lehrer sogar Rechenunterricht geben. In Weiach war das nicht der Fall, da verstand sich der Schulmeister auf diese «edle kunst» nicht (vgl. WeiachBlog Nr. 1769).
Eine Schule – ein Lehrer
Wie es um die Schulen vor 250 Jahren bestellt war, das kann man aus den Antworten zur sog. Zürcher Schulumfrage herauslesen.
Im Jahre 1772 galt auf der Landschaft die Regel: eine Schule – ein Lehrer (und das waren damals ausschliesslich Männer). Je nach Ausdehnung der Kirchgemeinde gab es mehrere Schulen auf Gemeindegebiet. Weiach war und ist ein kompaktes Dorf ohne grosse Weiler und Aussenwachten. Eine Schule reichte. Anders war das in unseren zürcherischen Nachbargemeinden Stadel und Bachs (je zwei Schulen). In Glattfelden (mit Zweidlen, Rheinsfelden und Schachen) hingegen gab es nur eine einzige Schule!
Die Schülerzahlen schwanken je nach Arbeitsanfall
Wie gross der Ansturm auf die Schulstube konkret war, das hing davon ab, wie heftig die Schulpflege den Eltern auf die Finger geklopft hat. Denn in der Regel schickten diese ihre Kinder nur dann in die Schule, wenn sie nicht für landwirtschaftliche Arbeiten dringender gebraucht wurden.
Wenn also die obrigkeitliche Frage Aa2 lautet: «Wie stark ist dermalen in jeder Schule die Zahl der Kinder? Wie viel Knaben? Wie viel Mägdlein?», dann zeigt bereits die Frage Aa3, dass sich die Gnädigen Herren in Zürich des Problems sehr wohl bewusst waren:
«Ist die Anzahl der Schulbesuchenden Kinder den ganzen Winter gleich? Wo nicht; wornach richtet sich die Ungleichheit?». Man wollte also herausfinden, wo die Probleme liegen. Daher die Umfrage.
Für Weiach sind die Antworten leider recht kurz angebunden. Ausführlicher als der hiesige Berichterstatter äusserten sich diejenigen der Nachbargemeinden (in der Regel der Pfarrer).
Kirchgemeinde Weiach (Quelle: StAZH E I 21.9.16)
«Die anzahl der kinderen in der schul ist zwüschen 50 und 60. / Gegen 25 knäbli und 35 töchterli.» (Antwort Aa2)
«Außert der ersten und 2 letsteren wochen ist die anzahl der schul besuchenden kinderen gleich.» (Antwort Aa3)
Der Weiacher Berichterstatter (mutmasslich Pfr. Wiser) gab also einen Schwankungsbereich an. Die Zahl 50 dürfte sich auf diese erste Schulwoche (nach Martini) sowie die letzten beiden Wochen im Frühling (um Ostern herum) beziehen.
Die Schätzfrage: «Wieviele Schüler wurden vor 250 Jahren vom damaligen Lehrer unterrichtet?», die heute von Kandidierenden auf dem Weiacher Spielplatz gestellt wurde, kann man also am besten mit der Antwort «60» beantworten. Zum Vergleich: Damals hatte Weiach ca. 550 Einwohner.
Werfen wir zu Vergleichszwecken noch einen Blick auf oben schon erwähnte Nachbargemeinden:
Kirchgemeinde Glattfelden (StAZH E I 21.3.79)
«Die anzahl der schulkinder ist 72. Knäbli 38. Töchterli 34.» Da hatte der Lehrer also noch 12 mehr als in Weiach.
Die Frage zu den Schwankungen bei den Schülerzahlen erhielt in Glattfelden die folgende Antwort: «Die anzahl der schulkinder ist nit den ganzen winter gleich, denn die gar kleine werden erst mit anfang des jahrs geschikt, weil sie sich den ersten winter nur an di schul gewohnen müsen, und die, so schon vollkommen lesen können, kommen auch nur selten, um sich im schreiben zu üben.»
Klar wird auch, dass Zweidlen keine eigene Schule hatte: «Die kinder, welche zu Zweydlen und zu Schachen auch zu Rheinsfelden wohnen, können bey rauher witterung die schul, von deren sie eine starke ½ stund entfehrnet sind, nicht besuchen, und wann sie dann keinen unterricht von den elteren haben, so genießen sie gar keinen.» Also Home-Schooling auf gut Glück.
Kirchgemeinde Stadel (StAZH E I 21.7.29)
In der Gemeinde Stadel wurden zwei Schulen geführt: «Die zahl der kindren über den winter belauffet sich zu Stadel auf 64, knäblein 30, mägdlein 34. Zu Windlach 32, knäbli 15, mägdli 17.» Man sieht hier deutlich die Windlacher Eigenständigkeitsbestrebungen.
Auch in Stadel, Windlach und Raat waren die landwirtschaftlichen Arbeiten die bestimmende Grösse, wenn es um den Schulbesuch ging: «Die anzahl der schulbesuchenden kindren ist anfangs winter gering, da es noch vor außen zu thun gibet, am höchsten nach dem n. jahr.» Dass die Zahlen ums Neujahr den Höchststand erreichen, zeigt, dass die Kinder jedenfalls für die Holzerei entbehrlich waren.
Kirchgemeinde Bachs (StAZH E I 21.2.28)
Auch Bachs führte zwei Schulen. Und zwar stand die kleinere davon nicht etwa bei den zum Neuamt gehörenden Höfen Im Thal (wie später), sondern aussert der zürcherischen Grenzen, nämlich im zu Fisibach gehörenden Waldhausen, dessen Einwohner überwiegend reformiert waren:
«In der schul zu Bachs sind 53 kinder, knaben 25, töcht[er] 28. / In der schul zu Waldhausen 12 kinder, knaben 5, töcht[er] 7.» Die Schule Waldhausen war also eine veritable Kleinklasse!
Aber auch in Bachs konstatierte der Berichterstatter, Pfr. Ludwig Holzhalb: «Die anzahl der schulkindren ist im anfang des winters nicht groß, wann man nit ernstlich wachet. Die ursach ist dise, weil die knaben zum dröschen und die töcht[er] zum spinnen angehalten werden. [...]»
Speziell an Bachs ist das höchstpersönliche Engagement des Pfarrers für die Schule, schreibt er doch: «Wann dem schulmeister etwas unvermeidenliches vorfalt oder wann er unpäßlich ist, so bin ich schulmeister.»