Dienstag, 29. September 2020
Der höchste Punkt auf Gemeindegebiet
Montag, 28. September 2020
Eine Schwelle ist nicht immer eine Türschwelle
Es gibt nicht viele Bauteile an alten Gebäuden in der Gemeinde Weiach, die eine dendrochronologische Datierung erfahren haben. Die (nach Wissensstand der Redaktion WeiachBlog) zweitälteste Probe stammt von einer Schwelle in der Pfarrscheune. Sie datiert auf das Jahr 1515, als die Schlacht von Marignano verloren ging und sich die Grossmachtträume der Eidgenossen in Luft auflösten.
In den Beiträgen WeiachBlog Nr. 355 und Nr. 1376 wird (seit 2007 bzw. 2018) behauptet, es handle sich dabei um eine Türschwelle.
Nun steht aber in der Chronologie des Erläuternden Berichts zum Gutachten Nr. 19-1998 der Denkmalpflege-Kommission des Kantons Zürich (Verfasserin: Erika Tanner) explizit:
«Um 1515 Eichenschwelle mit Einkerbungen für entfernte Bundbalken auf der Nordmauer der heutigen Pfarrscheune könnte von einem nicht näher bekannten Vorgängerbau stammen. (Dendro-Analyse LN 363).»
Das bedeutet, dass es sich in diesem Fall nicht um eine Türschwelle, sondern um eine Fachwerkschwelle geht, d.h.: «Ein waagerecht liegender, durchlaufender Balken, auf dem die gesamte Wand mit ihren Ständern, Streben und Bänder [sic!] aufsitzt.» (vgl. Wikipedia-Artikel Fachwerkschwelle sowie Türschwelle)
Ob diese ursprüngliche Eichenschwelle auch wieder als Schwelle eingebaut worden ist, oder an anderer Stelle (z.B. als Rähm) wiederverwendet wurde, müsste man der von Tanner als Quelle genannten Dendro-Analyse LN 363 entnehmen können.
Die obgenannten WeiachBlog-Beiträge werden entsprechend korrigiert.
Quelle und Literatur
- Denkmalpflege-Kommission des Kantons Zürich (Hrsg.): Gutachten Nr. 19-1998. Weiach, Im Bühl, Pfarrscheune und Schopf Vers.-Nr. 243 sowie militärische Befestigungsanlage. Erläuternder Bericht vom 6. März 1999.
- Brandenberger, U.: Hausjubiläen 2007. WeiachBlog Nr. 355 v. 8. Januar 2007.
- Brandenberger, U.: Das älteste Gebäude in Weiach. WeiachBlog Nr. 1376 v. 28. Oktober 2018.
Sonntag, 27. September 2020
Singapurisierung voraus
Es war ein Stahlgewitter an Angstbotschaften, das gegen die sog. «Begrenzungsinitiative» (BGI; von deren Gegnern «Kündigungsinitiative» genannt) in den letzten Monaten über den Stimmberechtigten der Eidgenossenschaft niedergegangen ist. Und es hat erneut seine Wirkung nicht verfehlt.
Die Wünsche der Wirtschaft, weiterhin faktisch unbegrenzt Personal zu Lohndumping-Zwecken aus dem Ausland rekrutieren zu können, haben sich erfüllt. Da war die Entlassungsrente ganz nützlich, kann man sich doch so auf Kosten Aller des Vorwurfs entledigen, die aussortierten, der Aussteuerung preisgegebenen Über-50-Jährigen im Regen stehengelassen zu haben.
Letzte Widerstandsnester
Dennoch hat es heute wieder einige gallische Widerstandsnester gegeben, die der Verdrängung des Autochthonen noch nicht kampflos Platz machen wollen. Wie man der Karte des Statistischen Amts entnehmen kann, sind diese Nester im Kanton Zürich ausnahmslos im Unterland, im Weinland und in der Bergzone des Oberlands zu finden.
Wenn es um Zuwanderung geht, dann bestätigen die Weiacher ihren seit Jahr und Tag bestehenden Ruf zuverlässig auf SVP-Linie abzustimmen auch in der heutigen Ausmarchung, wenn auch längst nicht mehr mit überwältigenden Prozentanteilen. So votierten nur 56.48% der Abstimmenden für die BGI. Und im Falle des Jagdgesetzes legten sogar nur 44.73% ein Ja ein.
Gerade letzteres zeigt, dass die Weiacher (im Gegensatz zu den Bachsern) mittlerweile mehrheitlich nur noch hors-sol-Landbewohner sind, die von den tatsächlichen Gegebenheiten in der Landwirtschaft etwa so viel Ahnung haben wie eine Kuh vom Tiefseetauchen. Anders kann man diese faktische Kriegserklärung an die Berggebiete nicht deuten.
Stimmbeteiligung auf Ghetto-Niveau
Bei der Stimmbeteiligung bestätigt sich der mittlerweile zur Regel gewordene Umstand, dass Weiach auch mit fast 49 % eins der schlechtesten Ergebnisse ausweist, das man kantonsweit nur haben kann. Man spielt da in einer Liga mit ghettoisierten Gebieten wie Schlieren, Dietikon, Oberglatt oder Opfikon. Zonen also, in denen sich der soziale Konsens quer durch die Gemeinde längst in einer Atomisierung und Partikularisierung aufgelöst hat.
Wagen wir noch einen Blick über die Kantonsgrenze, so fällt auf, wie viel höher die Stimmbeteiligungen in Kaiserstuhl (64.50 %) und Fisibach (58.84 %) ausgefallen sind. Mit dem immer noch sehr landwirtschaftlich geprägten Bachs (72.40 % Stimmbeteiligung) können es aber auch diese beiden nicht aufnehmen.
Stadt-Land-Graben zwischen Fisibach und Kaiserstuhl
Ebenfalls bemerkenswert der Unterschied zwischen dem Städtchen Kaiserstuhl und der Landgemeinde Fisibach. Bei der Begrenzungsinitiative ergeben sich die gleichen diametral verschiedenen Weltanschauungen wie beim Jagdschutzgesetz (JSG):
Kaiserstuhl: 35.57% Ja zur BGI // 30.14% Ja zum JSG
Fisibach: 61.88% Ja zur BGI // 63.58% Ja zum JSG
Singapur ist die Zukunft
Mit der weiterhin ungezügelten Zuwanderung wird die 10- oder 12-Millionen-Schweiz, ein Stadtstaat in Mitteleuropa, unausweichlich. Die sozialen Spannungen zwischen den Autochthonen und den Zuwanderern aus aller Welt werden zunehmen. Und letztlich wird der Regierung nichts anderes übrigbleiben, als ein autokratisches System vom Schlage Singapurs zu institutionalisieren. Anders lassen sich Ruhe und Ordnung langfristig nicht mehr aufrechterhalten.
Samstag, 26. September 2020
Einweihung schon vor der Baubewilligung?
Eine Weiacher Wehrkirche avant la lettre ist im September 1967 in mindestens drei Schweizer Zeitungen beschrieben worden. Also eine, die es zum zugeschriebenen Zeitpunkt noch gar nicht gab. Ja gar eine, für die seitens der Hohen Obrigkeit zu Zürich noch nicht einmal eine Baufreigabe vorlag.
- N.N.: Totalrenovation der Kirche Weiach ZH. In: Neue Zürcher Nachrichten, Band 63, Nummer 207, 7. September 1967, S. 7. Sowie: Walliser Volksfreund, 7. September 1967, S. 8; und: Walliser Bote, 8. September 1967, S. 7.
Freitag, 25. September 2020
Kaiserstuhl als kartographische Grossmacht
Interessant an dieser Karte vom April 1879 ist auch der Stand der damals erst geplanten Bahnstrecken: Eglisau–Schaffhausen, Dielsdorf–Niederweningen und – man höre und staune – der Strecke Zürich–Rapperswil der Goldküste entlang.
- Officielle Uebersichtskarte der Schweiz. Eisenbahnen vom Monat März 1876. Schweiz. Eisenbahn- & Handelsdepartement, [Bern 1876]. Verfügbar in: Zentralbibliothek Zürich Kartenabteilung; Signatur: 4 Hb 46:8. URI: https://doi.org/10.3931/e-rara-82197
- Officielle Uebersichtskarte der Schweiz. Eisenbahnen vom Monat April 1879. Schweiz. Post- & Eisenbahndepartement, [Bern 1879]. Verfügbar in: Zentralbibliothek Zürich Kartenabteilung, Signaturen: 16 Hb 46:21 & 4 Hb 46:10. URI: https://doi.org/10.3931/e-rara-82199
Donnerstag, 24. September 2020
Wie der Sanzenberg den Weiachern abhanden kam
Noch vor wenigen Jahren war klar: der Sanzenberg ist einer der drei Weiacher «Hausberge». Neben dem Haggenberg im Süden und dem Stein/Ebnet/Wörndel im Osten ist er die westliche Flankierung, die den alten Dorfkern von Bachs und Fisibach trennt. Tempi passati.
Denn nun hat die Swisstopo mit einer punktgenauen Verortung (ähnlich wie im Fall Fasnachtflue, vgl. WeiachBlog Nr. 1566) dafür gesorgt, dass nur noch die im südlichen Abschnitt liegende höchste Erhebung auf 566 m ü.M. diesen Namen trägt, obwohl er eigentlich für den ganzen Hügelzug steht. Die Auswirkung? Sanzenberg ist kein Weiacher Name mehr. Weil die höchste Erhebung des Hügels nun einmal eindeutig auf Bachser Territorium liegt.
Dass aber tatsächlich der gesamte Hügel Sanzenberg genannt wird, zeigt sich schon an der Bezeichnung für die auf Fisibacher Gebiet südöstlich des Dorfzentrums erhöht liegende Ackerflur, die (auch gemäss Swisstopo) Sanzeberg lautet.
Risiken und Nebenwirkungen punktgenauer Verortung
Der Sanzenberg gehört also, wenn man Swisstopo und ortsnamen.ch glauben will, nicht mehr zu Weiach: Wer den Flurnamen auf www.ortsnamen.ch eingibt, der wird auf diese letztgenannte Ackerflur Sanzeberg verwiesen. Die gehört zur Gemeinde Fisibach. Und damit zum Kanton Aargau. Oder auf die Erhöhung Sanzenberg, die gemäss Datenbankeintrag auf Gemeindegebiet von Bachs liegt.
Kleiner Trost: Immerhin gehört die Sanzenbergwisen noch zu Weiach. Diese Ackerflur liegt nämlich grad östlich anschliessend an den Aargauer Sanzeberg oberhalb des Weiacher Hasli.
Auf alten Karten ist die Darstellung verständlicher
Konsultiert man ältere Karten, dann ist offensichtlich: Der Sanzenberg ist Teil einer übergeordneten Namensebene, die für den ganzen Hügelzug steht. Und der beginnt aus Aargauer Sicht bereits dort, wo sich dessen erster nördlicher Ausläufer aus der Ebene erhebt (gleich östlich des Fisibacher Dorfkerns):
Bis zum Jahre 1999 erstreckte sich der Flurname über beider Gemeinden Gebiet. Von 2000 bis 2012 platzierte ihn die Swisstopo nur noch auf Weiacher Gebiet; in der Dialektform Sanzeberg. Dann von 2013 bis 2015 erneut gemeindegrenzenquerend und als Sanzenberg. Seit dem Schriftartenwechsel von 2016 und bis heute ist der Name (wie oben erwähnt) an den höchsten Punkt gebunden und nur noch auf der Bachser Seite eingezeichnet.
Man verstehe mich recht. Es geht hier nicht um Gemeindepatriotismus. Sondern um die korrekte Darstellung dieser Art von Hügelzug-Bezeichnung auch auf grossmassstäblichen Karten (wie 1:25'000). Denn: Welcher Betrachter switcht schon zwischen den Massstäben hin und her und kommt bei einem solchen Plateauberg auf die Idee, die an der zufälligerweise um wenige Meter höchsten Stelle platzierte Bezeichnung auf das ganze Plateau zu übertragen (oder gar auf den gesamten Hügelzug)?
Weitere seltsame Zuordnungen
Warum der Landbach, der das gesamte Rafzerfeld entwässert und bei Herdern (Gemeinde Hohentengen, Deutschland) in den Rhein mündet, gemäss ortsnamen.ch zu Weiach gehören soll, das muss mir die Swisstopo auch noch erklären. Oder warum Weiach und Bachs nun Teil des Studenlands sein sollen.
Literatur
- Brandenberger, U.: Zum Namen «Studenland». Neue Erkenntnisse, frische Thesen. WeiachBlog Nr. 1178 vom 28. Juni 2014.
- Brandenberger, U.: Fasnachtflue. Falsche Geolokalisierung mit Folgen. WeiachBlog Nr. 1566 vom 14. August 2020.
Mittwoch, 23. September 2020
Dem Kindsvater wird das Betreten der Gemeinde verboten!
«Ein zweytes Geschäft war der Matrimonialfall der Anna Rüedlinger, welche unterm 23ten July auf vorhergeganger Citation vor Pfarramt die Anzeige machte, daß sie sich mit Felix Hag von Dettnang Königr. Würtemberg verlobt habe, u. von demselben seit dem Januar dieses Jahres schwanger befinde, daß Hag sich gegenwärtig auf seiner Schreinerprofession in Glarus befinde, jedoch auf den ersten Ruf bereit sey, ihre Angaben zu bekräftigen. Das Pfarramt berichtet, es habe hierauf durch Androhung öffentlicher Ausschreibung des Vaters die Rüedlinger aufgefordert, demselben zu berichten, daß er sich vor hiesiger Kirchenbehörde zu stellen habe, worauf den wirklich Hag erschienen sey u. folgende Erklärung ad Protokoll gegeben habe, "Er bekenne sich als Verlobter der Anna Rüedlinger u. als Vater des Kindes mit welchem sie gegenwärtig schwanger gehe, u. sey Willens, alles was in seinen Kräften stehe zu thun, dieselbe ehlichen zu können, auch werde er für sein Kind von dessen Geburtsstunde an als Vater sorgen, was er alles mit seiner eigenhändigen Nahmensunterschrift bekräftigen wolle." - Es habe Haag den ehrerb. Wunsch ausgesprochen, es möchte ihm die Gemeindsvorsteherschaft durch Ausstellung der nöthigen Zeugnisse für seine Verlobte zu seiner Heirath mit derselben behülflich seyn, u. damit zugleich das Versprechen gegeben, noch diesen Herbst nach Hause zu reisen, um seine Papiere für Niederlassung in der Schweiz nachzusuchen u. alsdann sich in der Gemeinde zu setzen, um desto sicherer zu seinem Zwecke zu kommen.
Herr Präsident Willi fügt hinzu, daß die Ausstellung der gemeindräthlichen für die R. unmöglich sey bevor der Verlobte in hier sich niedergelassen habe, und zu diesem Ende mit den nöthigen Papieren von Hause versehen sey.
Es wird beschlossen, die Sache noch für einstweilen beruhen zu lassen, u. die Rüedlinger aufzufordern, dem Pfarramt von Zeit zu Zeit über den Aufenthaltsort des Verlobten Anzeige zu machen.»
Die Vorsicht der Gemeindevorsteherschaft ist verständlich, denn schliesslich konnte sie ja nicht wissen, welche Verpflichtungen dieser Felix Haag aus Tettnang (nahe der bayerischen Grenze nördlich des Bodensees) zu Hause noch hatte. Es konnte ja durchaus sein, dass er dort Schulden hinterlassen hatte, gar verheiratet war oder sonstige Verpflichtungen auf ihn warteten. Deshalb wollte man zuerst das schriftliche Placet des zuständigen Oberamtes im Königreich Württemberg sehen.
«In Betreff des Paternitätsfalls der Anna Rüdlinger wird, nachdem sich ergeben, daß ihr Verlobter Felix Haag von Dettnang, nicht im Stande ist, das ihr gegebene Eheversprechen zu vollziehen, mit Einmuth beschlossen, den Fall dem Gerichte zu überweisen, & dem Haag das fernere Betreten der Gemeinde alles Ernstes zu untersagen. -- Die Weisung unterm 16ten ausgestellt u. an Hrn Statthalter abgeschickt.»
«zum Schlusse der Sitzung vorgelegt: das Paternitäts-Urtheil betr. den Status des unehl. geb. Kindes der Anna Rüedlinger.»
- Protocoll der Kirchenpflege Weÿach, 1838-1884, pag. 61-62. (Signatur: ERKGA Weiach, IV.B.6.2)
Dienstag, 22. September 2020
Glockensprüche 1843: So viele Varianten wie Chronisten
- 6. Mai 2006: Titel Den Nobelpreisträger im Glockenturm? (WeiachBlog Nr. 183), wo die Fassung nach Emil Maurer aus dem Jahre 1965 besprochen wird.
- 7. Mai 2006. Titel Aktenzeichen «Glockensprüche 1843» ungelöst. (WeiachBlog Nr. 184), wo es um die Variante nach Marcel Hintermann von 1955 geht.
- April 2007. Untertitel Kirche, Glocken und Pfarrhaus (Weiacher Geschichte(n) Nr. 89), wo die Fassung nach Ruth Bersinger von 1941 abgedruckt wurde, und schliesslich am
- 22. Juni 2015 mit der Lösung: Was auf den Weiacher Glocken wirklich draufsteht. (WeiachBlog Nr. 1217) und der Fassung nach Ulrich Brandenberger.
- Vögelin, S.: Gloken-Buch oder Verzeichniß aller in den Kirchen des Cantons Zürich theils ehemals theils jezt befindlichen Gloken und derselben Inschriften. ZBZ Ms. J 432 – S. 295-296.
- Vögelin, S.: Glockenbuch oder Verzeichniß aller in den Kirchen des Cantons Zürich theils ehemals, theils jetzt befindlichen Glocken und der Inschriften derselben, mit Angabe des Gewichtes, der Tonqualität und der Tonhöhe der Glocken. ZBZ Ms. Ρ 6313 – S. 425-427.
- Brandenberger, U.: «Die Trotte im Oberdorf war unser Eigentum». Ein Vortrag von Ruth Bersinger an der Bezirksschule, November 1941 (Teil 2). Weiacher Geschichte(n) Nr. 89. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, April 2007 – Gesamtausgabe S. 329-330.
Montag, 21. September 2020
An welchen Tagen fanden 1843 Glockenaufzug und -weihe statt?
Emil Maurer (Die Kirche zu Weiach, 1965) schreibt: «Der Guss der Glocken war am 2. Mai 1843 fertig. Am 4. Mai wurden die Glocken [...] abgeholt. Glockenaufzug am 5. Mai 1843. Glockenweihe am 7. Mai 1843.»
Fand die Beteiligung der Schüler am Glockenaufzug Niederschlag in anderen Protokollen?
Die erste Diskrepanz betrifft also den Aufzug: Hirzel/Morf: 4. Mai; Maurer: 5. Mai. Hirzel/Morf können rein mit den vorliegenden Angaben aus dem Kirchenpflegeprotokoll (Signatur: ERKGA Weiach, IV.B.6.2) nicht widerlegt werden.
- PGA Weiach IV.B.02.04 Protokoll des Gemeindraths, 1839-1850
- SGA Weiach IV.B.2.a Protokoll der Schulpflege, 1831-1852
Die zweite Diskrepanz betrifft die Glockenweihe: 6. oder 7. Mai? Gemäss der Website ewigerkalender.de war der 7. Mai 1843 ein Sonntag. Wenn dieser nach dem Osteralgorithmus des Mathematikers C.F. Gauss berechnete Gregorianische Kalender nicht ausgerechnet hier fehlerhaft ist, dann haben sich Hirzel bzw. Morf bezüglich Datum nicht aber bezüglich Wochentag geirrt.
Welcher Pfarrer weihte die neuen Glocken?
- Protocoll der Kirchenpflege Weÿach, 1838-1884, pag. 54. (Signatur: ERKGA Weiach, IV.B.6.2)
- Anerkennung der Wahl des Hrn. H. Keller bisher Pfarrer in Weiach zum Pfarrer in Mönchaltorf. Regierungsratsbeschluss vom 25.04.1843 (Signatur: StAZH MM 2.76 RRB 1843/0664)
- Anerkennung der Wahl des Hrn. Hs. Conrad Hirzel aus Zürich als Pfarrer in Weiach. Regierungsratsbeschluss vom 21.07.1843 (Signatur: StAZH MM 2.78 RRB 1843/1295)
- Wirz, K.: Etat des Zürcher Ministeriums von der Reformation bis zur Gegenwart. Aus gedruckten und ungedruckten Quellen zusammengestellt und nach Kirchgemeinden geordnet, Zürich 1890
- Brandenberger, U.: Wie die Weiacher Glocken in den Dachreiter kamen. WeiachBlog Nr. 1579 vom 14. September 2020.
- Brandenberger, U.: Wie schwer ist die grosse Glocke von 1843 wirklich? WeiachBlog Nr. 1583 vom 18. September 2020.
Freitag, 18. September 2020
Wie schwer ist die grosse Glocke von 1843 wirklich?
Zollinger selber hat offensichtlich die Zahlen für die einzelnen Glocken dem Protokoll der Kirchenpflege vom 8. Mai 1843 entnommen. Dieser Eintrag vermerkt nämlich die genauen Gewichte in Pfund und notiert für die Mittagsglocke 1380 Lb, sowie ein Gesamtgewicht von «24 1/2 Ctr.» (vgl. WeiachBlog Nr. 1579, Abschnitt: Der Glockengiesser erhält seinen Lohn):
- Protocoll der Kirchenpflege Weÿach, 1838-1884, pag. 54. Signatur: ERKGA Weiach, IV.B.6.2
- Vögelin, S.: Gloken-Buch oder Verzeichniß aller in den Kirchen des Cantons Zürich theils ehemals theils jezt befindlichen Gloken und derselben Inschriften. (o.J.; Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich, Signatur: Ms. J 432) – S. 296.
- Vogel, F.: Memorabilia Tigurina oder Chronik der Denkwürdigkeiten des Kantons Zürich 1840 bis 1850. Zürich 1853. Verfügbar als e-rara 26754
- Verzeichniß der Glocken aus der Gießerei von Jakob Keller in Unterstraß bei Zürich. Zürich [1881] – S. 4. Verfügbar als e-rara 62253
- Zollinger, W.: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). 1. Aufl. 1972 – S. 52. (PDF, 4639 KB)
- Zürcher Kirchen. Verzeichnis der evangelisch-reformierten Kirchen des Kantons Zürich. Erschienen im Eigenverlag des Sigristen-Kantonalverbandes Zürich zum Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens im September 1975 – S. 136.
- Brandenberger, U.: «ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach». 300 Jahre Kirche Weiach, 1706 – 2006. Herausgegeben von der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach und der Ortsmuseumskommission Weiach. Weiach 2006 – S. 41. (Online-Ausgabe 2007, PDF, 17156 KB)
- Brandenberger, U.: Was auf den Weiacher Glocken wirklich draufsteht. WeiachBlog Nr. 1217 vom 22. Juni 2015.
- Brandenberger, U.: Wie die Weiacher Glocken in den Dachreiter kamen. WeiachBlog Nr. 1579 vom 14. September 2020.
Donnerstag, 17. September 2020
Neues Geläute in weniger als hundert Tagen
Hätte der Autor dieser Zeilen 2006 mehr Zeit investieren können und nicht nur das älteste Stillstandsprotokollbuch, sondern auch das zweitälteste konsultiert gehabt, dann wäre klar gewesen: Das stimmt nicht. 1843 ist die richtige Antwort.
Korrekte Jahresangabe! Aufgrund der Formulierung bei Zollinger 1972 («Am 7. Mai 1843 konnten die Weiacher Kirchgenossen ein neues Geläute einweihen. Am 22. Januar zuvor war beim Läuten die grösste Glocke plötzlich gesprungen» – S. 52) sowie insbesondere der Jahresangabe im Verzeichnis der evangelisch-reformierten Kirchen des Kantons Zürich. (Sigristen-Kantonalverband Zürich, 1975 – S. 136) hat Brandenberger angenommen, die grössere Glocke von 1682 sei bereits am 22. Januar 1842 während des Läutens gesprungen. (Vgl. u.a. Brandenberger, U.: Kirchen im Dutzend. WeiachBlog Nr. 196 v. 19. Mai 2006 sowie ders.: Die Weiacher Kirche in Nüschelers «Gotteshäusern». WeiachBlog Nr. 930 v. 14. Oktober 2010).
Wie aber aus dem Protokollband der Kirchenpflege über die Jahre 1838-1884 (ERKGA Weiach IV.B.6.2 – pag. 51, Sitzung vom 23. Januar 1843) eindeutig hervorgeht, ist das ein Irrtum. Der irreparable Schaden an der grossen Glocke ist am 22. Januar 1843 entstanden. Den «Jänner 1843» überliefert auch das Glockenbuch von Kirchenrat Sal. Vögelin (ZBZ Ms. P 6313), mit einem Eintrag von mutmasslich anderer Hand: «Diese Glocke zersprang im Jänner 1843 u. [...unleserlich...] mit N° 2 zu einem neuen Geläute umgegossen».
- Protocoll der Kirchenpflege Weÿach, 1838-1884, pag. 51. Signatur: ERKGA Weiach, IV.B.6.2
- Vogel, F.: Memorabilia Tigurina oder Chronik der Denkwürdigkeiten des Kantons Zürich 1840 bis 1850. Zürich 1853. Verfügbar als e-rara 26754
- Verzeichniß der Glocken aus der Gießerei von Jakob Keller in Unterstraß bei Zürich. Zürich [1881] – S. 4. Verfügbar als e-rara 62253
- Maurer, E.: Die Kirche zu Weiach. Weiach 1965 – S. 11 [im Original unpaginiert]. OCR-Fassung. Stand August 2020 (PDF 1168 KB; unveröffentlicht).
- Zollinger, W.: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). 1. Aufl. 1972 – S. 52. (PDF 4639 KB)
- Zürcher Kirchen. Verzeichnis der evangelisch-reformierten Kirchen des Kantons Zürich. Erschienen im Eigenverlag des Sigristen-Kantonalverbandes Zürich zum Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens im September 1975 – S. 136.
- Brandenberger, U.: «ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach». 300 Jahre Kirche Weiach, 1706 – 2006. Herausgegeben von der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach und der Ortsmuseumskommission Weiach. Weiach 2006 – S. 41. (Online-Ausgabe 2007, PDF 17156 KB)
- Brandenberger, U.: Kirchen im Dutzend. WeiachBlog Nr. 196 vom 19. Mai 2006.
- Brandenberger, U.: Die Weiacher Kirche in Nüschelers «Gotteshäusern». WeiachBlog Nr. 930 vom 14. Oktober 2010.
Mittwoch, 16. September 2020
Der mittelalterliche Friedenswunsch klingt auch heute mit
Dokumentierte Inschriften und ihre Datierung
Die Datenbank von Deutsche Inschriften Online führt für die exakte Wortkombination «O Rex Glorie Criste Veni Cum Pace» (Christe ohne h, wie von Escher überliefert) 4 Treffer zwischen 1449 und 1516 auf. Für die Variante «O Rex glorie Christe veni cum pace» sind es 6 Treffer mit Datierungen zwischen der Mitte des 13. Jh und 1511.
Nimmt man die Erlöser-Nennung heraus, so resultieren für «O Rex Glorie Veni Cum Pace»
14 Treffer ab 1275 bis 1499. Für «O Rex gloriae veni cum pace» 9 Treffer zwischen 1408 und 1519.
Für die bei Maurer 1965 überlieferte Fassung für die Inschrift der bis 1843 im Dachreiter hängenden kleineren Glocke mit «nobis» («O rex gloria, veni nobis cum pace») gibt es hingegen für das Gebiet des heutigen Deutschland keinen einzigen Treffer. In der Schweiz schon:
Die «Witticher Glocke» in der Kirche von Rein (Gemeinde Rüfenach AG, Bezirk Brugg) trägt mit Gussjahr 1439 die Umschrift «o rex gloriae christe veni nobis cum pace» («O König der Herrlichkeit, Christus, komm zu uns mit Frieden»; vgl. Website der Reformierten Kirche des Kantons Aargau). Benannt ist sie nach der Stifterin, dem Kloster Wittichen im Schwarzwald, welches bis 1544 das Kollaturrecht in Rein ausübte.
Interessant ist, dass alle genannten Glocken klar in der vorreformatorischen Zeit gegossen wurden. Man kann also davon ausgehen, dass auch die Weiacher Glocke mit dieser Inschrift aus dem 15. Jahrhundert stammte oder gar noch älteren Ursprungs ist.
Die Datierung auf das 15. Jahrhundert passt zur zeitlichen Einordnung, die Paul Kläui für die Weiacher Kapelle angibt (die schon 1594 nur noch ein altes Gemäuer war), vgl. WeiachBlog Nr. 1390 vom 21. März 2019. Es ist durchaus möglich, dass die Weiacher die Glocke von der Kapelle (die im Bedmen gestanden hat) in die nach der Reformation im Oberdorf errichtete Kirche übernommen haben.
+ O REX . GLORIE . VENI . CVM . PACE . AM(EN).
Wie alt die Weiacher Glocke tatsächlich war, kann man nur erahnen. Denn dieses Glockengebet war im Mittelalter sehr weit verbreitet und das in ganz Mitteleuropa. Besonders aufschlussreich ist die folgende Erläuterung:
«Der Text O rex glorie veni cum pace – zunächst noch ohne das Wort Christe – ist bereits auf einer im Jahr 1200 gegossenen Glocke in St. Martin am Ybbsfeld (Niederösterreich) verwendet worden. Das Gebet leitet sich, wie Jörg Poettgen gezeigt hat, aus dem liturgischen Formular der Kirchweihe her, die der Glockensegnung nahe steht, da beide liturgische Handlungen dem Bischof vorbehalten waren. Rex glorie ist in Ps. 23 als Ehrentitel Gottes gebraucht und zusammen mit anderen Elementen dieses Psalms in eine Wechselrede zwischen Bischof und Diakon eingegangen, die beim Einzug des Bischofs während der Kirchweihe gesungen wurde.[Fn-5] Diese Wechselrede endet mit dem bischöflichen Friedenswunsch nach Lc. 10,5 Pax huic domui ‚Friede sei diesem Haus‘. Das Gebet O rex gloriae leitet auch den mittelalterlichen Wettersegen gegen Blitze ein (Benedictio contra fulgura).»
Auszug Fn-5: «Jörg Poettgen, Zur Theologie früher Glockeninschriften am Beispiel deutscher Glocken des 12. und 13. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für Glockenkunde 11/12 (1999/2000), S. 69–80.»
(Quelle: DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 6† (Christine Wulf); In: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0000601.)
In den Gefilden, die später zum Königreich Württemberg gehörten (also in Süddeutschland) ist der Friedensruf jedenfalls seit dem späten 13. Jahrhundert überliefert (DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 15† (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0001508.).
Dass solche Glocken gerade in dieser Zeit so beliebt waren, verwundert wenig, denn nach dem Tod des Stauferkönigs Friedrich II. versuchten verschiedene kleinere Adelige in Warlord-Manier ihre Macht auszuweiten, was unweigerlich in kleinkriegerischen Auseinandersetzungen mündete, unter denen die Bevölkerung stark zu leiden hatte. Auch das Städtchen Kaiserstuhl verdankt seine Entstehung diesen unsicheren Zeiten.
Friedensruf datiert auf die Zeit vor den ersten Kreuzzügen
Rex gloriae, der Ehrenname des Herrn, sei «zweifellos hergenommen aus Psalm 24, der einzigen Stelle heiliger Schrift, welche sich dieses Ausdrucks bedient». Am Palmsonntag, an dem Jesus in Jerusalem Einzug hielt, sei im Tempel der 24. Psalm gesungen worden, wo es heisst: «et introibit rex gloriae» (Vulgata). Der Spruch sei «den Glocken der christlichen Kirchen aufgegossen, damit sie, so oft sie läuten, seinen königlichen Einzug erbitten und verkünden». (Schubart, S. 8)
Papst Nikolaus III. habe 1279 in der Bulle Pro pace selbst das Gebet um Frieden unter den christlichen Fürsten angeordnet, das bei jeder Messe zu halten sei. In diese Zeit fällt auch die Entstehung des Pro pace-Läutens, bei dem man mit dem Klöppel dreimal an die Glocke schlug.
Der Ursprung des Friedensrufs liegt aber noch weiter zurück. Schon Innozenz III. (1198-1216) habe zum Ausdruck bringen wollen, so Schubart, «der Ruf nach Frieden, das «clamare ad Dominum: dona nobis pacem», sei so sehr der Notschrei, die vox populi oder ecclesiae jener Zeit gewesen, daß er sogar zum Gebet in der allerheiligsten Stunde des Meßopfers geworden sei.» Also bereits viele Jahre vor seinem Pontifikat.
Pax Dei. Das kirchliche Gebot des Gottesfriedens
Nach Schubart passt diese Schilderung sehr gut auf die Zeit, als der sogenannte «Gottesfrieden» (pax Dei) die Gemüter im elften und zwölften Jahrhundert beseelt habe, beginnend um 1041 in Aquitanien (im heutigen Südfrankreich), nach einigen Jahren in ganz Europa. (Schubart, S. 12)
Der Gottesfrieden sollte darin bestehen, «daß von Mittwoch Abend nach Sonnenuntergang bis Montag früh nach Sonnenaufgang alle Fehde u.s.w. ruhen solle». (Schubart, S. 13) Oder, wie sich der Bischof Ivo von Chartres ausdrückte: «Daher beschwören und bitten wir euch und gebieten kraft göttlicher Autorität, daß ihr wenigstens die vier Tage, an welchen der Herr ganz besonders für das Heil eurer Seelen gearbeitet hat, in unverbrüchlichem Frieden hinbringt». (zit. n. Schubart, S. 14)
«Der Gottesfrieden war nicht eine auf ein Land sich erstreckende Einrichtung, sondern eine von der ganzen Kirche damaliger Zeiten eingeführte und befohlene Ordnung, so daß aus seiner Allgemeinheit sich am besten auch die oben betonte Allgemeinheit des Friedensgebets auf den Glocken erklären läßt.» (Schubart, S. 14)
So wurde für jene Glocken, welche die Pax Dei, den Gottesfrieden, einzuläuten bestimmt waren, O rex gloriae, Christe, veni cum pace zur allgemein üblichen Inschrift.
«Darum schwindet auch der Spruch als Glockeninschrift wieder nach und nach, als die kirchliche Einrichtung des Gottesfriedens ihre ursprüngliche Bedeutung verlor, und der Landfriede als staatliche Ordnung an seine Stelle trat.» (Schubart, S. 15) Im Gebiet von Weiach wurde der Zürcher Stadtstaat zum Garanten des Landfriedens.
Schubart nennt das Glockengebet eine «Friedensurkunde ferner Vergangenheit». Schöner kann man es kaum ausdrücken. So wie dieser Wunsch aus fast 1000 Jahren Entfernung zu uns herüberklingt, so ist letztlich auch die älteste bekannte Weiacher Glocke noch heute täglich gegenwärtig.
Denn wie wir den Glockenbüchern entnehmen können, wurde sie zusammen mit der grossen Glocke von 1682 eingeschmolzen und zu den heutigen Glocken umgegossen (vgl. z.B. ZBZ Ms. J 432, S. 295). Das schon im Mittelalter klingende Metall vermittelt so den Friedensruf Tag für Tag auch uns Heutigen.
- Schubart, F. W.: O rex gloriae, Christe, veni cum pace. Amen. Ein uraltes Glockengebet. Ein Beitrag zur Glockeninschriftenkunde. Dessau 1896 (e-rara-83197; https://www.e-rara.ch/bau_1/content/titleinfo/23512523)
- Maurer, E.: Die Kirche zu Weiach. Weiach 1965 (OCR-Fassung m. Anmerkungen, Stand: August 2020, PDF 1168 KB, unveröffentlicht)
- Deutsche Inschriften Online; www.inschriften.net (Fundstellen im Text erwähnt)
Dienstag, 15. September 2020
Früheres Weiacher Geläute im Escherschen Glockenbuch
Gemeint ist ein sogenanntes Glockenbuch, handschriftliche Aufzeichnungen, die von Privatleuten erstellt wurden. Im obgenannten Fall ist eines der Glockenbücher gemeint, die Kirchenrat Salomon Vögelin (1774-1849) zugeschrieben werden, namentlich die im 19. Jahrhundert entstandenen und weitergeführten Bände Ms. P 6313 und Ms. J 432, die beide in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt werden.
Glockenliebhaber Junker Conrad Escher
In diesem Artikel soll es um ein Glockenbuch gehen, das bereits im 17. od. 18. Jahrhundert geschrieben worden ist. Die Memorabilia Tigurina von 1742 verweist auf das Werk und seinen Autor mit den Worten: «Aller, oder doch der vornehmsten Glocken in dem Zürich-Gebieth, Ueberschrifften, hat Jckr. Conrad Escher sel. vom Steinernen Erckel gar fleißig, mit grosser Mühe zusammen geschrieben». (Mem.Tig. 1742 - S. 188-189)
So ganz sicher waren sich der Herausgeber Blunschli oder seine Korrespondenten dann doch nicht, wie umfassend das Werk Junker Conrad Eschers ausgefallen sei. Wichtig ist der Hinweis «sel.», denn der gibt uns einen Hinweis darauf, dass das Werk (jedenfalls soweit es von ihm selber zu Papier gebracht wurde und nicht spätere Hände mitgewirkt haben) vor 1742 entstanden sein muss.
Das genannte Werk findet man in der oben schon erwähnten Handschriftenabteilung unter dem Kürzel EL 67.203 (vollständige Signatur: FA Escher v. L. 67.203; alte Signatur der Stadtbibliothek: Ms. J 258). Zu diesem Band wird im Katalog III zu den Handschriften der Zentralbibliothek Zürich (Sp. 191-192) der Autor identifiziert als «Hans Konrad Escher, 1661-1710 [vom Luchs]». Dass er ein Luchs-Escher war, zeigt sich schon an seinem Adelstitel.
Der Autor selber oder einer der späteren Besitzer der Handschrift, Hans Wilpert Zoller, hat den Titel gesetzt: «Inscriptionen welche an denen meisten Gloggen der Statt und Landschafft Zürich auch anderstwo sich befinden samtt derselben Ursprung und vilerhand darbey sich zugetragnen Historien und Denkwürdigkeiten. Zusamen getragen von Hans Conrad Escher zum Steinernen Erggel. Anno 1700 vor und nach.» (gem. Katalog III der Handschriften ZBZ)
Neben den Glockeninschriften sind also noch viele weitere campanologisch (d.h. glockenkundlich) interessante Schriften in diesem Werk versammelt, darunter «Gloken vertreiben Zauberey, Kranckheiten, Unzieffer, Ungewitter und Gspengster (Bl. 153-156)» oder «Glocken erledigen die Belagerte von ihren Feinden (Bl. 167)».
Die Weiacher Glocken ab 1682
Kommen wir nun wieder zu den eingangs erwähnten Weiacher Glocken zurück. In Eschers Werk findet man dazu auf Blatt 50 die detailliertesten Informationen, die zu ihnen verfügbar sind.
Vorderseite von Bl. 50 (50r):
Montag, 14. September 2020
Wie die Weiacher Glocken in den Dachreiter kamen
Das wollten die Weiacher aber nicht. Sie liessen sich von Glockengiesser Jakob Keller (1793–1867) davon überzeugen, gleich ein komplett neues Geläute herstellen zu lassen (Stillstandsprotokoll, Sitzung v. 8. Februar 1843, pag. 51).
Schwerere Glocken verlangen bessere Befestigung
Dieses neu aus drei statt zwei Glocken bestehende Geläute war wesentlich schwerer als das bisherige. So war bereits in der Sitzung vom 4. März 1843 klar, dass die Statik des Dachreiters und die Befestigung der Glocken in demselben sorgfältig geprüft werden mussten.
Danach liess man noch wertvolle Zeit verstreichen und musste dann – kurz vor dem eigentlichen Glockenaufzug – die Zimmerleute im Schnellzugstempo arbeiten lassen.
Sehen wir uns diese Endspurtphase genauer an (pag. 54):
«Siebente Sitzung den 24. April 1843.» (Laufende Traktandennummer 15)
«Die Mitglieder besammelten sich sammt dem Glockengießer, Hr. Keller v. Unterstraß auf dem obern Kirchboden um die weitern» Vorkehrungen zur «zweckmäßigen Befestigung des Thurmes zu treffen, es hatte sich [..] gezeigt daß ein Theil des Balkenwerks sehr morsch ist (!) und daher eine sorgfältigere Befestigung der 4 Tragpfosten des Thurmes erfordert. Die Zimmerleute erhielten sodann die Anweisung, die Befestigung nach dem von Mühlemacher Meyerhofer angelegten Bilde ins Werk zu setzen.»
Davon, dass diese morschen Balken ersetzt worden wären, steht im weiteren Verlauf des Protokolls erstaunlicherweise nichts. Vielleicht war das auch selbstverständlich. Nach dem Namen zu schliessen kann der erwähnte Mühlenhersteller tatsächlich Weiacher Wurzeln haben, sodass Maurer mit seiner Angabe «Joche und Glockenstuhl aus Eichenholz durch Weiacher Handwerker erstellt» in Die Kirche zu Weiach von 1965 (S. 15) recht hätte.
Glocken abholen, aufziehen und einweihen
Danach ging es Schlag auf Schlag. Schon die «Achte Sitzung den 2. Mai 1843» brachte die Mitteilung, dass der grosse Tag des Aufzugs nahte (Laufende Traktandennummer 16):
«Die neuen Glocken sind fertig u. sollen noch vor nächsten Sonntag aufgehängt werden. Die Abholung derselben ward auf den 4. Mai festgesetzt und die Hrn. Friedensr. Meyerhofer, Gemeindammann Bgtr [Baumgartner] u. Gemeindr. Meyerhofer beauftragt theils beim Wägen derselben theils beim Transporte gegenwärtig zu seyn. Herr Schenkel im Sternen hatte sich verpflichtet sie um 3 fl. 20 ß. abzuholen. Da bey dem Heraufziehen der Glocken u. den damit verbundenen Arbeiten viele Männer in Anspruch genommen werden müssen und nach dem Wunsche des Hrn. Keller auch die Schulkinder dabey behilflich seyn sollen, so wird Hr. Friedensr. Meyerh. beauftragt, für ein erforderliches Quantum Wein u. Brot besorgt zu seyn, damit man den Schulkindern u. den betreffenden Bürgern einen Trunk reichen könne. Nach dem die Glocken gehängt sind soll im Wirthshause für den Stillstand ein bescheidenes Nachtessen auf Kosten der Kirchengüter angeordnet werden; der Arbeiter den Hr. Keller bereits geschickt hat wird im Wirthshause auf Kosten der Kirchengüter logiert. - Die Glockenweihe soll nächsten Sonntag den 7. May statt finden, es wird an diesem Tage nur ein Gottesdienst gehalten, der morgens um 10 Uhr beginnt, die nähere Anordnung wird dem Hrn. Pfr. überlassen.»
Interessant ist, dass Pfarrer und Stillstand nicht von selber auf die Idee kamen, die Schulkinder bei diesem einmaligen Anlass einzubeziehen. Der Vorschlag dazu kam von Glockengiesser Keller. Da der Pfarrer nicht namentlich genannt wird, könnte es sich um den noch amtierenden (am 17. April 1843 nach Mönchaltorf berufenen) Pfarrer Joh. Heinrich Keller handeln. Möglich wäre aber auch sein Nachfolger Konrad Hirzel, wenn dieser bereits als Verweser in Weiach tätig war.
Der Glockengiesser erhält seinen Lohn
Aufzug und Weihegottesdienst dürften nach Plan verlaufen sein, jedenfalls findet sich im Protokoll kein Vermerk dazu. Unter der Traktandennummer 17 folgt die nun fällige Bezahlung des Giessers:
«Montags den 8. May hielt der Stillstand mit Hrn. Keller Abrechnung. Die 3 Glocken wiegen: die Mittagsglocke 1380 Lb, die Betglocke 680 Lb u. die Todtenglocke 390 Lb, - also zusammen 24 1/2 Ctr; die Gesammtkosten mit dem von Hrn. Keller gelieferten Eisenwerk belaufen sich auf 1898 fl. 30 ß. davon wurden ihm 800 fl. in baar bezahlt; dem Arbeiter wurden für 3 Taglöhne u. Trinkgeld 8 fl. (!) bestimmt, rücksichtlich des Trinkgeldes für Herr Keller beschloß man die Ansichten u. den Willen der Gemeinde zu vernehmen. Weil das Wetter regnerisch war, so ließ man auch Herrn Keller u. s. Arbeiter in einer Chaise nach Zürich führen.»
Eine Chaise ist eine leichte Kutsche mit halbem Verdeck. So kamen Jakob Keller und sein Mitarbeiter nicht völlig durchnässt in Unterstrass an (zu Fuss hätte die Reise mehrere Stunden gedauert).
Quelle
- Protocoll der Kirchenpflege Weÿach, 1838-1884, pag. 51-54. Signatur: ERKGA Weiach, IV.B.6.2