Am 25. April hat WeiachBlog darüber berichtet. Es sei eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Informationspolitik der Gemeinde in Sachen Zukunft 8187 eingereicht worden (vgl. WeiachBlog Nr. 1910). Im Artikel wird angekündigt, «die erhobenen Vorwürfe» würden «in den nächsten Tagen» beleuchtet, wobei die Beteiligten zu Wort kommen sollten.
Ein schwieriges Unterfangen. Denn beim Bezirksrat hüllte man sich punkto Vorgehen in dieser Sache in Schweigen. Und seitens der Weiacher Behörden (Gemeinderat und Baukommission) sah man sich auf Anfrage von WeiachBlog auch letzten Samstag noch zu einer Stellungnahme ausserstande.
Offiziell wusste die Gemeinde nichts von der Beschwerde
Kein Wunder, man muss ja erfahren können, was einem konkret und im Detail vorgeworfen wird. Und laut Gemeindeschreiber Diethelm hat die Gemeinde offiziell «erst seit Montag, 15. Mai 2023 Kenntnis von der Aufsichtsbeschwerde mit den dazugehörigen Beilagen».
Am 16. Mai fragte Diethelm beim Verfasser des WeiachBlog nach, ob der Beitrag vom 25. April «noch berichtigt» werde. Denn: «Gemäss Schreiben vom Bezirksrat Dielsdorf vom 11. Mai 2023 wurde die Aufsichtsbeschwerde nicht behandelt, weil gemäss Bezirksrat keine Mängel ersichtlich sind.»
Nicht behandelt? Keine Mängel? Nun, was steht in der Antwort des Bezirksrats wirklich drin?
Bei Juristendeutsch kommt's auf jedes Wort an
Da es sich um ein von studierten Juristen verfasstes Dokument handelt (unterzeichnet durch lic. iur. Daniel Widmer, Präsident Bezirksrat Dielsdorf, sowie Ratschreiber lic. iur. Gerhard Rimann), ist der exakte Wortlaut entscheidend.
Ich habe deshalb bei den beiden Kontrahenten (Beschwerdeführer und Gemeinderat) angefragt, ob sie a) gegen die Veröffentlichung des Schreibens etwas einzuwenden hätten und b) einen Kommentar zum Entscheid abgeben wollen.
Auf einen Kommentar haben alle Beteiligten explizit oder implizit (Bezirksrat) verzichtet. Der Bezirksrat hat entgegen der Ankündigung keinen Kontakt zu WeiachBlog aufgenommen und war gestern bereits am frühen Nachmittag nicht mehr erreichbar - da war man schon in der grossen Urlaubsbrücke über das verlängerte Auffahrtswochenende.
Aufsichtsbeschwerde ist wie eine Anzeige
Im Sinne der Transparenz ist es sehr zu begrüssen, dass nachstehend mit dem Einverständnis sowohl des Beschwerdeführers wie des Gemeindeschreibers der volle Wortlaut wiedergegeben werden kann:
«Sehr geehrter Herr [Name des Beschwerdeführers ist WeiachBlog bekannt]
Mit Schreiben vom 23. April 2023 haben Sie eine Aufsichtsbeschwerde betreffend das Infrastrukturprojekt gegen den Gemeinderat Weiach erhoben, da sinngemäss seitens des Gemeinderates Weiach nicht objektiv, sachlich und transparent informiert worden sei (act. 1 [d.h. Beilage 1]).
Eine Aufsichtsbeschwerde kann sich grundsätzlich gegen eine Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft, gegen eine Gemeindebehörde oder einen Gemeindebeamten richten. Im Gegensatz zum Rekurs stellt sie kein förmliches administratives Rechtsmittel dar. Die Beschwerde ist deshalb an keine besonderen persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin (Partei- und Prozessfähigkeit) gebunden. Sie muss auch nicht in einer bestimmten Frist erhoben werden. Als blosser Anzeigeerstatter bzw. Anzeigeerstatterin besitzt der/die Beschwerdeführer/in keine Parteistellung in einem Verfahren.»
Einschreiten nur bei offensichtlichen Verstössen erlaubt
Damit ist auch verbunden, dass der Bezirksrat keineswegs verpflichtet gewesen wäre, dem Beschwerdeführer eine Antwort zukommen zu lassen. Das gilt besonders, wenn man berücksichtigt, was an Erwägungen folgt. Zuerst geht es um die Frage, wann eine Aufsichtsbehörde überhaupt einschreiten darf:
«Mit der Aufsichtsbeschwerde wird die Aufsichtsbehörde ersucht, sie möge Kraft ihres Aufsichtsrechtes von Amtes wegen gegen ein Handeln oder Unterlassen einschreiten. Die Voraussetzungen zum Einschreiten von Amtes wegen sind gemäss ständiger Praxis des Bundesgerichtes und des Verwaltungsgerichtes namentlich dann gegeben, wenn klares materielles Recht oder öffentliche Interessen offensichtlich missachtet worden sind (Martin Bertschi, in: Kommentar VRG, 3. Auflage 2014, Vorbemerkungen zu §§ 19-28a, N 81). Unter der Verletzung klaren Rechts ist auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften zu verstehen.»
Mit anderen Worten: die Latte liegt a priori ziemlich hoch. Es muss schon eine im Gesetz klipp und klar formulierte Vorschrift eklatant und offensichtlich missachtet worden sein.
Gemeindeautonomie ist zu achten
Diese Einschränkung der Macht der Aufsichtsinstanz ist auch völlig richtig, denn sonst wäre eine Behörde faktisch an der kurzen Leine ihres Aufsichtsgremiums. Der Gemeinderat hat aber einen erheblichen Ermessensspielraum, den man ihm nicht einfach so entziehen darf:
«Bei aufsichtsrechtlichem Einschreiten hat die Aufsichtsbehörde insbesondere die Gemeindeautonomie und das Ermessen der betroffenen Behörde zu beachten. Nur bei Verletzung klaren materiellen Rechts, bei Missachtung wesentlicher Verfahrensgrundsätze oder bei Gefährdung öffentlicher Interessen ist ein Einschreiten zulässig. Für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten genügt es nicht, dass die Aufsichtsbehörde gegenüber einer mit guten Gründen vertretbaren Rechtsauffassung und Regelung der Gemeindeorgane einer anderen Auslegung des Gesetzes den Vorzug geben würde oder vom Tatbestandsermessen einen abweichenden Gebrauch machen möchte. Mit anderen Worten darf die Aufsichtsbehörde nicht ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Gemeindebehörde setzen. Schliesslich ist es nicht Aufgabe einer administrativen Aufsichtsbehörde, über politische oder ideologische Standpunkte zu befinden.»
Letztlich heisst das auch, dass der Bezirksrat eben kein Gericht ist, das ein Gesetz auslegen und eine vertiefte materielle Beurteilung des Sachverhaltes vornehmen kann.
«Nicht klar ersichtlich»
An den oben aufgeführten Erwägungen muss sich der nachfolgende Entscheid orientieren. Der Bescheid an den Beschwerdeführer lautet wie folgt:
«Mit der Aufsichtsbeschwerde sollen demnach Mängel gerügt werden, welche die Aufsichtsbehörde zu einem Handeln bewegen sollen. Mängel im Sinne der vorstehenden Ausführungen sind aus Ihrer Aufsichtsbeschwerde jedoch nicht klar ersichtlich. Zumal die Vorbereitungshandlungen zur Urnenabstimmung betreffend die Infrastrukturpolitik durch den Gemeinderat Weiach nach aussen hin und somit deren Ausführungen gegenüber den Stimmberechtigten (beleuchtender Bericht) erst noch erfolgen werden. Gegen den beleuchtenden Bericht des Gemeinderates ist mit dem Stimmrechtsrekurs ein ordentliches Rechtsmittel gegeben. Somit steht dem Anzeigerstatter [sic!] - zumindest zu einem späteren Zeitpunkt in derselben Angelegenheit - ein ordentliches Rechtsmittel offen, weshalb der Aufsichtsbeschwerde subsidiärer Charakter zukommt. Aufgrund der obgenannten Ausführungen ist der vorliegenden Aufsichtsbeschwerde somit keine Folge zu leisten.»
Mängel seien nicht klar ersichtlich, sagt der Bezirksrat. Sie könnten also durchaus ersichtlich werden, würde man sich vertieft mit den Unterlagen befassen.
Der Beleuchtende Bericht ist Dreh- und Angelpunkt
Weshalb der Bezirksrat auf eine Vertiefung verzichtet hat, darüber kann mangels Stellungnahme nur spekuliert werden. Nimmt man den Wortlaut zum Massstab, dann erklärt sich der Verzicht aber durchaus schlüssig.
Denn die Beschwerde ist halt schon sehr kurzfristig vor der heissen Phase der eigentlichen Entscheidfindung (d.h. der Urnenabstimmung) erfolgt. Für eine Mediation oder etwas Ähnliches ist es da längst zu spät, zumal wenn man die verhärteten Positionen der beiden Seiten in Rechnung nimmt. Da hätte man schon vor Jahren intervenieren müssen.
Wichtig ist hier aber vor allem eines: Der Bezirksrat weist darauf hin, dass das eigentliche, entscheidende, rechtlich verbindliche Schriftstück, nämlich der Beleuchtende Bericht, noch nicht öffentlich sei. Diese Unterlage wurde bislang nur der Rechnungsprüfungskommission zugänglich gemacht, damit sie basierend darauf ihre Stellungnahme abgeben kann. Zusammen mit diesem RPK-Bescheid muss der Bericht dann unverändert (wie bei der RPK eingereicht) den Stimmberechtigten vorgelegt werden.
Informationsveranstaltungen sind rechtlich gesehen mehr oder weniger unverbindliche Werbeanlässe. Auf die dort getätigten Aussagen kann ein Gremium wie der Gemeinderat letztlich nicht festgenagelt werden. Unschärfen werden da eher toleriert und haben vor allem politische Folgen.
Anders sieht das beim Beleuchtenden Bericht aus. Gegenüber einer Rechnungsprüfungskommission nicht die volle Wahrheit offenzulegen, kann durchaus gravierende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Prozessökonomisches Vorgehen
Indirekt gibt der Bezirksrat dem Beschwerdeführer dann noch den Tipp, den materiellen Gehalt seiner Eingabe im Rahmen eines Stimmrechtsrekurses erneut vorzubringen.
Damit verhält sich der Bezirksrat prozessökonomisch und im Sinne einer wirkungsorientierten Verwaltungsführung.
Die Überlegung dahinter ist ganz einfach: Sollte die Vorlage am 18. Juni an der Urne abgelehnt werden, dann ist ein Rekurs schnell erledigt, zumal er für die Beschwerdeführer dann ja gegenstandslos geworden ist. Und sollte das Projekt angenommen werden, dann ist immer noch Zeit genug, die Beschwerde materiell vertieft zu behandeln, zumal davon ausgegangen werden kann, dass (wie im Fall Ebianum, vgl.
WeiachBlog Nr. 1633) ein Rechtsmittel eingelegt, die Beschwerde also von der unterliegenden Partei jeweils an die nächsthöhere Instanz weitergezogen wird.
Auf den eigentlichen Inhalt der Aufsichtsbeschwerde wird in den nächsten WeiachBlog-Artikeln eingegangen.
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