Mittwoch, 10. Mai 2023

Die Schulsparkasse Weiach auf dem Radar des Regierungsrates

«Nach meiner Ansicht sind die Schulsparkassen eines der besten Präservativmittel gegen Sorglosigkeit und Verschwendungssucht und bei der Erziehung liegt die Hauptsache in den Präservativmitteln. Gewöhne man das Kind schon an Sparsamkeit und es wird dieselbe auch später üben, so selbstverständlich, dass es vielleicht selbst kaum daran denkt. Ein Kind das spart, gewöhnt sich an Ordnung und Vorsorge, es beginnt den Werth des Geldes zu schätzen. Wer in der Jugend mit solcher Mühe und solchem Eifer dem Bazen, dem Rappen nachging, meint Ihr, dass der später so leicht zum Verschwender werde?» (Piaget, Lehrer in Les Bayards, Kanton Neuenburg, zit. n. Guillaume 1882, S. 20)

Nicht alle Lehrkräfte haben das im ausgehenden 19. Jahrhundert so gesehen. Louis Guillaume, Direktor einer Strafanstalt (!), aus dessen Referat vom 5. Oktober 1881 vor der Schweizerischen statistischen Gesellschaft das obige Zitat stammt, war sich bewusst, dass die Idee einer Schulsparkasse «namentlich in der Lehrerwelt eine ausdrückliche Opposition gefunden» hatte:

«So finden wir Gegner der Schulsparkassen, welche als Anhänger einer gewissen volkswirtschaftlichen Schule, Ersparnisse überhaupt dem allgemeinen Wohle schädlich erklären; andere — es sind die Sozialisten der äussersten Linken — wollen nicht, dass der Arbeiter spare, da hiedurch nur die Zahl der Kapitalisten, der «Mastburger» vermehrt würde. Eine dritte Klasse von Gegnern endlich meint: «So sollte denn schon das sorgenlose Glück des Kindes durch die Gedanken an Sparen und Vorsorge getrübt werden? Fürchtet Ihr nicht, den Keim der Selbstsucht und des Geizes in das junge Herz zu pflanzen? Gebet Acht, dass nicht ein zu früh geweckter Sparsinn dem Kinde, dem unschuldigen, Anstoss wird, mit seiner Hand nach fremdem Gute zu greifen!»» (Guillaume 1882, S. 1-2)

Guillaume selber hat insbesondere letzteres Argument zwar mit Statistik gekontert: «Unter den Gefangenen unserer Strafanstalten findet man nur 5 % ehemaliger Einleger in die Sparkasse. (Vide Zeitschrift für Schweiz. Statistik 1875, pag. 48.)» (Guillaume 1882, S. 24 Fussnote)

Dennoch: Während die Schulsparkassenbewegung vor allem in Frankreich und Belgien einen gewaltigen Aufschwung erlebt hatte und von dort v.a. in den Kanton Neuenburg ausgestrahlt hatte, waren Schulsparkassen im Kanton Zürich deshalb noch ziemlich selten anzutreffen. So gab es nach Guillaumes Liste im Kanton Zürich 1881 nur gerade vier solche Schulsparkassen, die älteste, 1852 gegründete, in Hombrechtikon.

Transmissionsriemen Gemeinnützige Gesellschaft

Eines der kleinen Wunder unserer Region ist die Bezirks-Sparkasse Dielsdorf, gegründet 1837 auf Initiative der Gemeinnützigen Gesellschaft des Bezirks. Das Wunder besteht darin, dass es sie angesichts all der Finanzsystem-Stürme und daraus entstandenen Gesetzesänderungen, die seither übers Land gezogen sind, überhaupt noch gibt. 

In den rund dreissig Jahren nach Guillaumes Vortrag muss sich allerdings einiges verändert haben in den Köpfen der Zürcher, auch in der Lehrerschaft, die im System der Schulsparkassen sozusagen als Kassenwarte und Finanzerzieher der ihnen anvertrauten Schulkinder auftreten musste (wie das ablief, darüber findet sich in Guillaumes kleiner Schrift eine anschauliche Schilderung, s. Quellen unten).

Auch in der Bankenwelt hatte sich einiges getan. Schauen wir auf die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg, dann finden wir im Protokoll des Kantonsrats die «Motion Meyer-Rusca und Konsorten über die staatliche Beaufsichtigung der Geldinstitute». Darin wird das Problem dieser Zeit wie folgt geschildert:

«Der Zusammenbruch so vieler kleiner und mittlerer Bankinstitute, der sich in den letzten drei Jahren vollzogen hat, einerseits, und die allgemeine Krisis der Kleinbanken anderseits, hat auch die intakt dastehenden durch Erschütterung ihres Kredites nachteilig beeinflußt. Einige haben bereits Anschluß an Großbanken gesucht und gefunden. Können wir nun ruhig zusehen, wie die Kleinbanken, die eine wirtschaftlich schätzenswerte Aufgabe erfüllen, nach und nach verschwinden?» (Quelle: StAZH MM 24.49 KRP 1913/072/0450 vom 13.10.1913)

Kommt uns doch heute irgendwie auch bekannt vor, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie beispielsweise die Regionalbanken in den USA (wieder einmal) in grössten Schwierigkeiten stecken.

Die Motionäre um Meyer-Rusca wollten auch darauf hinweisen, dass sich das Vermögen nicht nur in Bankinstituten befinden, sondern sozusagen auch unter den Kopfkissen der einfachen Leute, was keine schlechte Sache sei, wenn es um die Stabilität des Gesamtsystems gehe. Mit dem kürzlich vom Rat verabschiedeten kantonalen Sparkassengesetz sei es nicht getan.

Einnehmereien in jeder Schule des Bezirks

Die obgenannte Bezirks-Sparkasse, die heute neben dem Hauptsitz Dielsdorf über vier Filialen verfügt (Buchs, Niederglatt, Niederweningen, Rümlang), hatte damals ein weitgefächertes Netz an sogenannten Einnehmereien, was noch eine Stufe unter einer Agentur liegt. Eigentlich nicht viel mehr als eine Kasse und ein Kassenbuch, mit einer dafür verantwortlichen Person. Von dort aus ging das Kapital dann an die eigentliche Sparkasse mit Sitz in Dielsdorf.

Zwecks «Anregung des Sparsinns bei den Schülern und Schülerinnen» (Schulsparkasse Oerlikon, vgl. StAZH Z 2.1335) hat man solche Institute an Schulen gegründet bzw. Einnehmereien bestehender Sparkassen bei den Primarschulen installiert.

Die für die Bezirks-Sparkasse Verantwortlichen haben offensichtlich etwas von Kundenbindung im Kindesalter verstanden. So existierten 1915 in folgenden 16 Schulen im Bezirk Dielsdorf sogenannte Schulsparkassen, die allesamt Einnehmereien der Bezirkssparkasse waren: 

Affoltern b. Zch. (Gebiet 1934 in die Stadt Zürich eingemeindet), Bachs, Dällikon, Neerach, Niederglatt, Niederhasli, Oberglatt, Oberweningen, Regensberg, Regensdorf, Rümlang, Schöfflisdorf, Ober-Steinmaur, Nieder-Steinmaur, Sünikon und Weiach.

Flächendeckend war die Institution aber keineswegs. In der Gemeinde Stadel gab es offenbar keine Schulsparkassen (oder keine mehr). Dasselbe Bild in zehn weiteren der damals 25 Gemeinden des Bezirks.

Neues Gesetz, neuer Regelungsbedarf

Woher wir das wissen? Aus einem Regierungsratsbeschluss. Der wurde aufgrund des oben schon erwähnten kantonalen Sparkassengesetzes nötig. 

Nach einer Vorlage des Regierungsrates aus dem Jahre 1907 und intensiver Arbeit des Kantonsrates im Jahre 1913 (Plenarsitzungen vom 27. Mai, 7./8. Juli und 25. August dieses Jahres) wurde das «Gesetz betreffend die staatliche Beaufsichtigung der Sparkassen» in der Volksabstimmung vom 14. Dezember 1913 mit 46'018 annehmenden zu 24'339 die Vorlage verwerfenden Stimmen vom Souverän genehmigt. Auch in Weiach, das (bei 84.85 % Stimmbeteiligung!) sich zu 60% zustimmend äusserte. 

Und so musste der Regierungsrat abklären lassen, welche Schulsparkassen es gibt und wie es um ihre Rechtsform bestellt ist. In seinem Beschluss vom 15. Juli 1915 (StAZH MM 3.29 RRB 1915/1563) findet man das Ergebnis dieser Fleissarbeit der Verwaltung.

52 von den 71 Schulsparkassen «qualifizieren sich als bloße Einnehmereien der Kantonalbank und anderer konzessionierter Sparkassen», heisst es da. Bei denen bestand kein gesonderter Handlungsbedarf. Selbstständige Schulsparkassen hingegen (wie die von Oerlikon oder die von Seebach) mussten sich jetzt im Handelsregister anmelden, für ordentliche Hinterlegung ihrer Aktiva sorgen und einen verantwortlichen Schlüssler benennen.

Quellen

  • Guillaume, L.: Die Schulsparkassen in der Schweiz. Bern 1882 [Übersetzung; Separatdruck aus der Zeitschrift für schweizerische Statistik]. URL: e-Helvetica nbdig-47182 

Keine Kommentare: