Montag, 29. Mai 2023

Auf der Suche nach dem Geburtshaus des Auswanderers

Wie gestern berichtet, hat David Randall Wilson, der laut familysearch.org in 9. Generation von einem Weiacher Auswanderer abstammt, am 1. Mai 2023 die alte Heimat seines Vorfahren besucht (vgl. WeiachBlog Nr. 1928).

Bereits vor 25 Jahren fand zum zweiten Mal ein grosses Baumgartner-Treffen in Weiach statt. Wilson hat damals davon gehört. Eine solche Reise konnte er sich aber nicht leisten. Denn damals hatte er mit seiner Frau Linette bereits drei Kinder und der Uni-Abschluss lag noch nicht lange zurück. Eltern um die 30 haben mehr als genug zu tun und das Geld braucht man für Wichtigeres. 

Der Besuch bei den eigenen Wurzeln, die bei der HLT-Kirche (Mormonen) auch aus theologischen Motiven wichtig sind, musste auf die Zeit verschoben werden, da die mittlerweile fünf Kinder des Paares flügge geworden sind. Also jetzt. Es war wohl ein spezielles Gefühl, zu wissen, dass der eigene Vorfahr exakt das Gebäude, das unser Ortsmuseum beherbergt, noch mit eigenen Augen gesehen hat, wenn auch nur einen Teil davon (den 1646 erstellten). Was die Frage aufwirft: In welchem Haus ist mein Vorfahr geboren? Gibt es das noch?

Von der oben erwähnten International Baumgardner Reunion des Jahres 1998 ist eine bebilderte Seite auf der universitären Website des Organisators Marion F. Baumgardner (1926-2020) überliefert, auf der es heisst:

«Hosted by Marion and Maralee Baumgardner, this tour retraced some of the route Heinrich Baumgardner and family followed as they began their journey to the New World. It went as far as the ancestral home town of Weiach, Switzerland, and visited the house where Heinrich was born in 1695.» (Nur noch auf archive.org verfügbar)

Nun ist allerdings in Weiach nur noch sehr wenig originale Bausubstanz aus dem 17. Jahrhundert vorhanden, bei der dieses Alter mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen ist.

Gab es das Geburtshaus damals überhaupt noch? 

Welches Gebäude vor 25 Jahren als Geburtshaus angesehen wurde, das weiss leider auch der auf einem der Fotos auf dieser Webseite (baum4) links neben Marion abgebildete Willi Baumgartner-Thut nicht mehr. Aber es steht zu vermuten, dass Co-Organisatorin Ruth Baumgartner-Jucker (genannt «Tante Ruth», vgl. WeiachBlog Nr. 140) ihr eigenes Wohnhaus zwischen Kirchenbezirk und Schulareal (ehemals Wohnhaus der sog. unteren Amtsrichters, heute unter dem Namen «Baumgartner-Jucker-Haus» im Gemeindeeigentum stehend) als solches betrachtet haben könnte.

Dieses Gebäude weist laut Altersangabe in den Lagerbüchern der Gebäudeversicherung des Kantons Zürich allerdings das technische Gebäudealter 1820 auf (vgl. WeiachBlog Nr. 623 sowie StAZH RR I 575.1). Da m.W. bislang weder ein bauhistorisches Gutachten noch eine dendrochronologische Analyse vorliegt, könnten durchaus ältere Elemente von einem Vorgängerbau an gleicher Stelle vorhanden sein. Bei Holzteilen wäre jedoch zu überprüfen, ob sie seit der Zeitperiode ihrer Entnahme aus dem Wald in situ verblieben sind, es sich somit nicht um Bauteilrecycling handelt (wie mutmasslich beim Schwellenbalken von 1515 in der Pfarrscheune, vgl. WeiachBlog Nr. 1591).

Nur wenige oberirdische bauliche Strukturen aus der Zeit des Ancien Régime erhalten

Es ist daher derzeit völlig unbekannt, wo sich 1695 der Wohnort von Heinrichs Eltern befunden hat. Und wenn sie zu diesem Zeitpunkt nicht zufälligerweise im Mietverhältnis in einem der wenigen aus dieser Zeit bis heute erhalten gebliebenen Gebäude gewohnt haben, dann dürfte im besten Fall noch ein Fundament bzw. ein Keller davon übriggeblieben sein.

Aus der Zeit vor dem 18. Jahrhundert sind (neben dem Pfarrhaus) nämlich nur noch drei Bauernhäuser erhalten:

1. Die auf 1628 datierte Liegenschaft Oberdorfstrasse 27/29 (neben dem Haus Nr. 25 mit der von Fauquex bemalten Fassade) könnte das gesuchte Gebäude sein. Es war bis 1704 in den Händen eines den Untervogt stellenden Zweigs der Bersinger. Falls Heinrichs Ehefrau, die den Familiennamen Bersinger trug, zu diesem Zweig gehörte, dann erscheint eine solche Zuordnung zumindest nicht unmöglich, wenn man annimmt, dass sie mit ihrem Mann im elterlichen Haus wohnen durfte.


Oberdorfstrasse 25/27/29; Nr. 25 mit durch Eugen Fauquex bemalter Fassade, Nr. 27/29 von 1628, Kellergeschoss von Nr. 29 aus dem 13. Jahrhundert, Deckenbalken dendrochronologisch datiert. (Foto: Randy Wilson)

2. Für das oben erwähnte Lieberthaus (Ortsmuseum; südlicher Teil errichtet aus Bäumen, die in den Wintern 1644/45 bzw. 1645/46 geschlagen wurden, vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 63, Ausgabe 2019) liegen Eigentümerangaben zum 17. und 18. Jahrhundert bislang nicht vor.

3. Bliebe noch das Haus Chälenstrasse 21a, das nach dem grossen Dorfbrand von 1658 errichtet wurde. Dessen Eigentümer und deren verwandtschaftliche Beziehungen bis zu diesem Jahr zurückzuverfolgen, ist aber bislang noch nicht gelungen.

Auszuführende Arbeiten

In allen drei Fällen ist eine kombinierte Auswertung von Gerichtsprotokollen sowie den sogenannten ökonomischen Tabellen vorzunehmen:

  • Ab Mai 1645 erhaltene Protokolle des Dorfgerichts Weiach im fürstbischöflich-konstanzischen Obervogteiamt Röteln  (StAZH B VII 42), subsidiär auch die Protokolle der Kanzlei Neuamt (ab 1635; StAZH B XI 26)
  • Tabellen von 1774 (StAZH B IX 5 und subsidiär die landwirtschaftliche Beschreibung in StAZH B IX 47 a) und 1791 (StAZH B IX 4).
Diese Unterlagen könnten im Zusammenspiel mit genealogischen Daten aus den Kirchenbüchern (StAZH E III 136) sachdienliche Angaben liefern.

[30.5.2023 09:53 MESZ: Richtigstellung Name von Randy selber und der Glaubensgemeinschaft, der er angehört.]

Keine Kommentare: