Dienstag, 9. Mai 2023

Abraham (18), seit Jahren spurlos verschwunden

Die sog. Donnstags-Nachrichten sind ein Inserate-Blatt aus dem Alten Zürich, das ab 1730 einmal wöchentlich erschienen ist. Mit obrigkeitlicher Genehmigung.

Bei der ersten Ausgabe vom 23. Februar 1730 war dieser Umstand noch nicht ausdrücklich auf der Titelvignette vermerkt. Im Jahre 1776 hingegen sehr wohl. Da hatte die Zensurbehörde das Zürcher Staatsgebiet in eisernem Griff. Keine Zeile durfte eine Druckerei verlassen, es sei denn, mit offizieller Absegnung durch die Obrigkeit. Man stelle sich das vor: Selbst ein Inserateblättchen konnte nicht einfach produziert werden. Zu gross war die Angst der Regierenden vor staatsgefährdenden Umtrieben.


Dabei war das Anliegen der mutmasslichen Inserenten, der Familie Schurter in Weyach, ein völlig unverdächtiger Hilferuf. Es ging um ihren seit langer Zeit vermissten Sohn:

«Abraham Schurter, von Weyach, seines Alters 18 Jahre, hat einen grossen Kopf und gekrausene Haare, ist sonst kleiner Postur, Heinrich Schurter sel. Sohn von Weyach, wird schon etliche Jahre bey aller Nachfrag vermisset; als gehet das höfliche Ansuchen dahin, wem etwas von diesem Knab bewußt wäre, solches durch das Wochenblat, oder an den Ort seiner Geburt wüssenhaft zu machen.»

Wie man an den möglichen Anlaufstellen sieht, war der Wohnort der Eltern offensichtlich der Geburtsort. Damals hatten Hebammen und die Landärzte, wo vorhanden, ja noch eine überragende Rolle bei der Geburtshilfe. Dennoch überlebte aufgrund der mit Ländern des globalen Südens vergleichbaren Kindersterblichkeit längst nicht jedes Kind die ersten Jahre, sodass es besonders schmerzhaft war, dann auch noch einen Sohn zu verlieren, den man bis in die Adoleszenz gebracht hatte.

Hier ging es offensichtlich nicht um einen Ausreisser, wie im Jahr darauf (vgl. WeiachBlog Nr. 1745). Das Inserat gibt jedenfalls keinen Hinweis auf solche Abweichungen von der Normerwartung. 

Was die Ursache des Verschwindens war, ist bislang nicht geklärt. Ein Verbrechen oder ein Unfall, bei dem man die Leiche nicht gefunden hat? Oder einfach Abenteuerlust? Wir wissen es (noch) nicht. 

Vielleicht findet sich in den zu diesem Abraham noch zu konsultierenden Weiacher Kirchenbüchern neben seinem Taufeintrag auch einer, der das Rätsel einer Lösung zuführt.

Quelle und Literatur

  • Mit Hoher Verwilligung von Zürich auszugebende Donnstags-Nachrichten. No. XXVIII. Den 11. Heumonat, 1776 - Verschiedene Nachrichten [Nr.] 6  bzw. Donnstags-Nachrichten No. XXIX. Den 18. Heumonat, 1776. Verschiedene Nachrichten [Nr.] 14.
  • Brandenberger, U.: Fahndung nach jugendlichem Gewohnheitsausreisser, 1777. WeiachBlog Nr. 1745 v. 20. September 2021.

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