Mittwoch, 31. Mai 2023

Die Legende vom Ende des Schulstandorts Weiach

Letzte Woche hat Frank Lehmann, Kampagnenführer der Zukunft 8187-Befürworter, wieder einmal die Legende vom Ende unseres Schulstandorts zum Besten gegeben:

«Ich muss schon nochmals erwähnen das wir ohne zusätzlichen Schüler 2013 die Schule hätte schliessen müssen» (Facebook-Gruppe Du bisch vo Weiach, wenn..., 27. Mai 2023, 12:08)

Diese Erzählung gehört seit spätestens 2015 sozusagen zum festen Bestand des «gesicherten Wissens» bei all denjenigen, die Weiach als zentralen Schulstandort sehen und dieser Idee in Beton, Holz und Glas materielle Gestalt verleihen wollen.

So wie sie erzählt wird, stimmt sie aber nicht. Wie bei jeder Legende gibt es einen faktenbasierten Kern. Aber darum herum viel Hinzugedichtetes.

Fakt 1: Kleine Schulen müssen nicht schliessen

Wenn man sich die Daten der kantonalen Bildungsstatistik ansieht, dann zeigt sich deutlich: Ein kleiner Schülerbestand heisst noch lange nicht, dass der Standort gefährdet ist. 

Neben ein paar Zwergschulgemeinden im Weinland (bspw. Truttikon mit 26 Primarschülern) weist auch der Bezirk Dielsdorf zwei Gemeinden mit kleinen Primarschulen auf: Bachs (59) und Regensberg (61 Schüler). Das sind die jüngsten verfügbaren Zahlen (Schuljahr 2021/22). Und auch bei diesen beiden Gemeinden wird der Betrieb seitens der Bildungsdirektion weiterhin zugelassen.

Der Grund: Es wäre ein zu massiver Eingriff in die Gemeindeautonomie, eine Schulgemeinde zur Auflösung ihres Standortes zu zwingen.

Warum kommt es dann zu dieser Legende, ohne die Schüler aus dem Aargau hätte Weiach seine Schule schliessen müssen? Wie diese Angsterzählung zustande gekommen sein dürfte, zeigt die Entwicklung der Schülerzahlen für Weiach.

Fakt 2: Sinkende Zahlen ja, aber Trendumkehr schon 2012/13

Die dunkelblauen Balken basieren auf den Zahlen aus der Bildungsstatistik, die hellblauen auf dem Gemeindeporträt des Statistischen Amts des Kantons.

Wenn man nun die Zahlen ab 2011/12 ausblendet (z.B. mit der Hand abdeckt), dann wird schnell klar, wie es damals zu einer Torschlusspanik gekommen ist. Linear weitergeschrieben wäre die Primarschule Weiach nach dem Schuljahr 2014/15 ausgestorben.

Dieses schlagende Argument, sowie die kolportierte (aber nicht durch reale Kompetenzen des Kantons unterfütterte) Geschichte, die Schule werde durch den Kanton geschlossen, haben dann die Verhandlungen mit Kaiserstuhl und Fisibach angestossen.

Fakt 3: Verzögerte Grossüberbauungen wurden erst ab 2015 realisiert

Bekanntlich haben sich die Quartierpläne See/Winkel, Bedmen und Büel während Jahren verzögert. Einer der Gründe: Immissionsgrenzwerte (Zürcher Fluglärm-Index ZFI). Noch im Jahre 2007 war man der Meinung, die Oskar Meier AG aus Bülach werde das, was heute als fleischfarbene Überbauung Rheinblick am Dammweg zwischen Hauptstrasse und Bahnlinie steht, innert zweier Jahre bauen. Wie man auf der Gebäudealter-Karte von maps.zh.ch sehen kann, hat es dann fünfmal so lang gedauert.

Hätte die Bautätigkeit in Neu-Weiach früher eingesetzt, dann wäre auch die Trendwende bei den aus der Gemeinde stammenden Schülern früher eingetreten. Der Schulstandort Weiach wäre also früher aus der «Gefahrenzone» herausgewachsen. Dann wäre es wohl auch nie zu dieser «Aussterbepanik» gekommen.

Der Befürchtung, dass die Schule aussterbe, hätte man damals mit Gelassenheit begegnen können. Es war ja klar, dass mit den Grossüberbauungen vom Bedmen bis zum Alten Bahnhof auf über 10 Hektaren die Schülerzahlen wieder ansteigen werden. Ganz ohne Zuzug aus dem Aargau.

Fakt 4: Aargauer Kinder wirken als Überkompensation. Schülerzahlen explodieren

Weil aber die Verhandlungen mit den Aargauern auf fruchtbaren Boden gefallen waren, wollte die Schulpflege trotz deutlich erkennbarer Trendwende nicht mehr davon abrücken. Den Effekt sieht man in der Schülerstatistik am Sprung auf das Schuljahr 2016/17.

Grösser kann in diesem Fall tatsächlich besser sein, weil sich die Zahlen glätten. Dieser Umstand lässt sich statistisch beweisen. Die Volatilität bei den Schülerzahlen ist wesentlich kleiner, je grösser eine Schulgemeinde ist. Bei einer Kleinschule wie in Truttikon fällt hingegen eine zu- oder wegziehende Familie mit vielen Kindern massiv ins Gewicht.

Letztlich war der eigentliche Beweggrund für den Vertrag mit den Aargauern also ein ökonomischer. Man hat die Vorteile grösserer Schülerzahlen nutzen wollen. Die Angst einflössende Erzählung vom Ende der Weiacher Schule haben die Verantwortlichen als eine Art weisser Lüge gern genutzt, um 2015 den Entscheid für die Hinzunahme der Aargauer Schüler durch die Gemeindeversammlung zu bringen. 

Die mit Fakten widerlegbare Legende vom aussterbenden Schulstandort - ob ihre Verbreitung behördlicherseits aktiv gefördert oder bloss nicht richtiggestellt wurde, soll hier nicht erörtert werden - steht am Anfang einer zunehmenden Entfremdung der beiden Gruppierungen, die sich heute als Befürworter und Gegner des Projekts Zukunft 8187 gegenüberstehen.

[Veröffentlicht am 1. Juni 2023 um 00:55 MESZ]

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