Unterhalb des nordwestlichen Teils des sog. Märliwalds (offizieller Flurname: Häulen) und oberhalb des Bifig, bzw. der Liegenschaft Steinbruch. Dort liegt auf Weiacher Gemeindegebiet eine landwirtschaftlich genutzte Flur mit dem Namen «Turgäuer».
Exklusiv weycherisch ist dieser Flurname nicht. Gemäss der Online-Datenbank von ortsnamen.ch existiert er in der Nähe des Unterwerks Breite (ehemals NOK, heute: Swissgrid) auf dem Gemeindegebiet von Nürensdorf noch ein weiteres Mal. Beide Angaben verdanken wir den von Bruno Boesch und Jörg Rutishauser im Hinblick auf ein Zürcher Namenbuch vorgenommenen, flächendeckenden Erfassungsarbeiten.
Für Weiach datiert die Flurnamenkarte auf das Jahr 1958 und als Gewährsmann wird ein Alb. Meierhofer angegeben (mutmasslich der damalige Gemeindepräsident Albert Meierhofer-Nauer):
In einem alten Zehntenverzeichnis, einer Verkaufsurkunde oder dergleichen findet sich ein «Turgäuer» also nicht. Dafür aber im Eheregister der Pfarrei Weiach.
Genau heute vor 400 Jahren (wenn man die 1582 beim Wechsel vom julianischen zum gregorianischen Kalender ausgefallenen zehn Tage einrechnet) ist der Name schriftlich zum zweiten Mal in Aufzeichnungen des damaligen Weiacher Pfarrers Tobias Widmer überliefert (E III 136.1, EDB 67):
Am 19. Juni 1621 st.v. (stilus vetus, d.h. nach julian. Kalender) wurde die Ehe zwischen Jakob Näf von Weiach, genannt «Turgeüwer», und der ebenfalls aus Weiach stammenden Verena Lienberger offiziell verkündet. Damit lief eine Frist, innert der Meldungen betreffend Ehehindernissen beim Pfarrer eingereicht werden konnten. Offenbar gab es keine, denn Pfr. Widmer vermerkt zu dieser Heirat, es sei die erste Hochzeit an einem Dienstag gewesen (gemäss Mandat betreffend Sonntagsheiligung für die Landschaft vom 22. Juli 1620, vgl. StAZH III AAb 1.2, Nr. 17).
Nur wenige Monate älter ist die erstmalige Erwähnung. Am 2. Juli 1620 wurde das Eheversprechen eines Jakob Näf, genannt «Turgeüwer», sich mit Verana (Verena) Meier von Schleinikon vermählen zu wollen, öffentlich verkündet (E III 136.1, EDB 66). Ob es da ein solches Hindernis gab, oder dem Näf (es handelt sich wohl um dieselbe Person) die Frau schon nach wenigen Monaten gestorben war (z.B. an Geburtskomplikationen), müsste anhand anderer Unterlagen in den Weiacher Kirchenbüchern abgeklärt werden.
Was bedeutet «Turgäuer»?
Hatte dieser Jakob Näf Landbesitz etwa an der Stelle, wo heute die Flur «Turgäuer» verortet wird? Das wissen wir nicht. Es wäre aber eine mögliche Erklärung. Da gibt es nämlich einen historisch verbürgten Weiacher Flurnamen «der Faldeyen Brand» (in der Beschreibung der Gemeindegrenze von 1558, vgl. RQNA Nr. 178; S. 386, Z. 33) und das Geschlecht der Faldey, das im 17. Jahrhundert gemäss Ehedatenbank in Weiach bzw. Raat ansässig war.
Die Schreibweise des Flurnamens im blauen Büchlein von Walter Zollinger, «Im Thurgäuer» mit th statt t, zeigt, in welche Richtung es gehen könnte: in die Ostschweiz.
In diese Richtung weist auch ein weiterer Eintrag in der Ehedatenbank des Zürcher Staatsarchivs (E III 143.1, EDB 279): In der Kirchgemeinde Wildberg wurde am 13. April 1641 «H. Ulrich Maag, ein Turgeüwer», Dienstknecht im Weiler Schalchen, mit der dort ansässigen Witwe Anna Kägi verheiratet.
So weit die jahrhundertealten Hinweise.
Hinweis auf die Rebsorte Müller-Thurgau?
Nun ist aber die Flur im Turgäuer von alters her eine mit Weinbergen belegte Fläche, wie man sowohl auf der Wildkarte (1843-51), wie der Siegfriedkarte (ca. 1880) sehen kann. Vor den Verheerungen durch die Reblaus war diese Fläche noch zu grossen Teilen mit Reben bestockt.
Die heute dort wachsenden Weinstöcke sind alle neu gepflanzt, auf reblausresistenter Unterlage. Gemäss Mitteilung von Anita Meierhofer in der Alten Post, die mit ihrem Mann Hansruedi u.a. im Tugäuer Wein anbaut, sei da allerdings immer Tokaier gewachsen, aber nie Müller-Thurgau.
Nun, es hätte ja sein können, dass der Flurname Thurgäuer erst in neuerer Zeit aufgekommen wäre, nachdem ab 1908 die Neuzüchtung Müller-Thurgau über Pfropfreben weite Verbreitung fand (vgl. Wikipedia-Artikel).
Fazit: Nichts Genaues weiss man nicht. Wie so oft bei Flurnamen.
Vielleicht stösst man ja dereinst in Unterlagen aus dem Gemeindearchiv (v.a. solchen aus dem 19. Jahrhundert) per Zufall auf den Flurnamen. Bis dahin ist ein «missing link» zu konstatieren.
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