Donnerstag, 17. Juni 2021

Hofgebundener Verteilschlüssel + Handelsverbot (Art. 23 GO 1596)

Gestern haben wir gesehen (WeiachBlog Nr. 1674), dass ab dem Inkrafttreten der obrigkeitlich dekretierten Holzordnung im Jahre 1567 (HO 1567) nur noch an Grundeigentümer (bzw. abgeleitet davon: an die Pächter) Holz aus dem Gemeindewald verabfolgt werden durfte. Damit sollte dem bis dahin faktisch ungeregelten (und damit aus Sicht der Obrigkeiten übermässigen) Holzschlag sowie der Waldweide Einhalt geboten werden.

Der Hof ist massgebend, nicht der Bewohner

Artikel 4 Holzordnung (Art. 23 Satz 1 GO 1596) präzisierte die Bezugsberechtigung. Und schränkte sie auch weiter ein. Denn da wird festgehalten, dass die Menge des Brennholzes nicht von der Anzahl Personen auf Hofstätten bzw. in Häusern (mit den entsprechenden Gerechtigkeiten versehen) abhängig sein solle. Nein, jeder Hof erhielt (im Prinzip) das gleiche Quantum:

«Es soll ouch das holtz von den winterhöwen nit uff die personen glych, sonnder uff die hüser unnd hoffstetten ußgetheilt, unnd einem jeden huß nit mer damit jerlich ein how zur nothurfft geben werden, nach gestalt unnd gelegenheit der sach unnd nachdem der hoff ald gwerb unnd volck jm huß verhanden jst.» (Transkription von Th. Weibel)

Nach Gestalt der Sache. Daraus kann man nun schliessen, dass für die vier Geschworenen, die die Winternutzungen ausgeben mussten (vgl. Art. 1 HO, WeiachBlog Nr. 1670), doch ein gewisser Ermessensspielraum bestand. Sozusagen ein Kompromiss zwischen dem Eigentumsprinzip (der Hof als eine Art Anteilschein am Gesamtbestand des Gemeindewaldes) und dem Bedürfnisprinzip (Zuteilung pro Kopf), das aus sozialen Gründen als angemessen empfunden werden kann. 

Denn gesamte Holzmenge geteilt durch Anzahl Dorfbewohner, das wollten sowohl die hablichen Bauern wie die gnädigen Herren der drei Obrigkeiten ja offensichtlich nicht.

Holz verkaufen und verschenken verboten!

Nun könnte man auf die Idee kommen, so etwas wie einen dorfinternen Ausgleichsmechanismus zu schaffen. Wer nach den Bestimmungen des Artikel 4 mehr erhält, als er brauchen kann (man denke nur an den reichen Untervogt Bersinger, vgl. WeiachBlog Nr. 1666), der könnte das Holz an Höfe und Häuser mit vielen Bewohnern abgeben. 

Dem aber schob das Dekret der Obrigkeiten in Artikel 5 der Holzordnung (Art. 23 Satz 2 GO 1596) radikal den Riegel. Egal ob entgeltlich oder unentgeltlich, und selbst innerhalb der Gemeinde. Von seiner Zuteilung etwas abzugeben, war ab 1567 verboten:

«Unnd benanntlich dheiner [keiner] by obangetzeigtem ufgesetztem einung [d.h. Art. 4 HO 1567] nit gwalt haben, wyter zehowen oder von dem theil, so jme zuotheilt unnd geben jst, nützit, weder jnn noch usserthalb der gmeind, zuo verschencken noch zuo verkouffen.»

Auch wenn die Zuteilung im Winterhau den Jahresbedarf an Holz für Heizen und Kochen nicht deckte: hier wurde noch einmal festgehalten, dass man dann nicht einfach noch etwas weiter holzen darf.

Ein Hintergedanke zum Handelsverbot könnte gewesen sein, dass Wohlhabendere (wie Ende des 18. Jahrhunderts der Untervogt, vgl. oben), zudem oft noch Privatwald besassen und den ja auch regelmässig nutzen mussten, vor allem nach Windwurf-Ereignissen. Die würden dann auf ihren Anteil an den Winterschlägen im Gemeindewald verzichten. Denn sie mussten das zugeteilte Holz nicht nur selber schlagen und abführen. Sie mussten es auch bei sich lagern (und es an Dritte abzugeben war explizit verboten). So würde der Druck auf den Wald gemindert werden. Und auf diese Weise gäbe es dann Luft für die vier Geschworenen, «nach Gestalt der Sache» einem Hof mit vielen Bewohnern mehr zuzuteilen, als es eine fixe Quote zuliesse. Implizit wäre damit eine Sozialkomponente eingebaut, ohne gleich den Gemeindewaldkommunismus einzuführen.

In der Gemeindeordnung zusammengefasst

Die beiden Artikel 4 und 5 der Holzordnung wurden in der Gemeindeordnung zu Artikel 23 zusammengefasst, der in der von Friedrich Ott 1855 verwendeten Abschrift mit dem Titel 
«Holtz allein uf Hüser ußgeben» versehen ist. Der Artikel lautet:

«Es soll ouch das Holz von den Winterhöwen nit uf die Personen glich, sonder uf die Hüser und Hofstatten ußgetheilt, und einem jeden Huß nit mehr dann jerlich ein Houw zur Nothurft geben werden, nach Gstalt und Glegenheit der Sach und nachdem der Hof ald Gwerb und Volk im Huß vorhanden ist; und benanntlich Keiner bei obangezeigten ufgesetzten Einung nit Gwalt haben witer ze howen oder von dem Theil, so ihme zuteilt und geben ist, nützit, weder in- noch ußerthalb der Gmeind, zu verschenken noch zu verkoufen.»

Tauner gegen Bauern: die soziale Frage

Eigentlich konnte man schon beim Erlass des Dekrets am 15. Juli 1567 voraussehen, dass der an die Hofstätte bzw. das Haus gebundene Verteilungsmodus zu Problemen führen würde. 

Wenn in einem Haus mehrere Haushaltungen lebten, jede mit eigenem Rauch, und sie auch an Köpfen zahlreich waren, dann war es für diese ärmeren Weiacherinnen und Weiacher ein umso grösseres Problem, dass es nun die Begrenzungen der Holzordnung gab. 

Wenig Land zu haben war in Weiach die Regel, gar kein Land zu haben keineswegs die Ausnahme. Viele Tauner waren (wie es die Gruppenbezeichnung in Abgrenzung zu den Bauern andeutet) zum Überleben auf die Tätigkeit als Tagelöhner angewiesen.

Entsprechend beschwerten sich die Tauner auch indirekt über die Holzordnung, wie man einem Schiedsspruch vom 3. November 1589 entnehmen kann. In diesem Streit «von wëgen nutzung und niesßung deß weidgangs jm ackereth» ging es um Weiderechte mit Ziegen, bzw. mit Schweinen im Wald (ackeret ist laut Glossar RQNA, S. 496 «der zur Schweinemast benutzte Ertrag des Waldes an Eicheln und Buchnüssen»).

Die Tauner wiesen auf die Ungerechtigkeit hin, dass sie zwar für Frondienste wie ein Bauer in Anspruch genommen würden. Trotzdem werde «uff ein hußhoffstatt, wie vil joch jnn dem huß der hußhaltungen sygen, allein ein houw holtzes gegëben» (Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Taunern, 1589, in: RQNA Nr. 182, S. 404, Z. 13-14; Transkription von StAZH B V 30 fol. 123 f. durch Th. Weibel).

Allein schon aus diesem Grund hatte der Weiacher Förster über Jahrhunderte das Problem, dass sich die Ärmeren dann halt selber behalfen. Not kennt kein Gebot. Und das Gerechtigkeitsempfinden lässt sich auch nicht einfach abstellen. Ob die Obrigkeiten das nun «Holzfrevel» nannten oder nicht.

Quellen
  • Ott, F.: Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 181. [vgl. RQNA 180: Holzordnung].
  • Weibel, Th.: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt. [RQNA]. Aarau 1996 – S. 390, 404, 496.

Inhaltsübersicht zu Gemeindeordnung und Holzordnung

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