Donnerstag, 3. Juni 2021

Holzen erlaubt! Das Brückenunterhalt-Urteil von 1521

Eine Holzbrücke, wie sie sich seit spätestens 1294 bei Kaiserstuhl über den Rhein geschwungen hat, bedarf des stetigen Unterhalts: Das Holz dazu kam zu einem guten Teil aus dem Weiacher Wald.

Dürfen Beauftragte des Hugo von Hohenlandenberg, Fürstbischofs von Konstanz, in den Weiacher Gemeindewäldern nach Belieben holzen? Müssen wir das Holz gratis geben? Diese Fragen stellten sich die Weiacher vor 500 Jahren.

Alter Rechtsanspruch? Oder eben doch keiner?

Mit dem Verkauf der Rechte an Dorf und Meierhof Weiach durch die Freiherren von Wart am 8. Februar 1295 waren (so sah es die fürstbischöfliche Verwaltung) auch diese Holzrechte zum Brückenunterhalt an das Fürstbistum gekommen. 

Die vertraglichen Abmachungen dazu waren aber wohl noch etwas älter: Die dem Hochadel angehörenden von Wart waren nämlich mit den Herren von Kaiserstuhl und den einst mächtigen Freiherren von Regensberg familiär und geschäftlich eng verbunden und hatten wenige Jahrzehnte zuvor, in den 1250ern, in einer Art Joint venture das Städtchen Kaiserstuhl gegründet. Ein wesentliches Element der Stadt war die Brücke über den Rhein, auf dessen nördlichem Brückenkopf sich das Schloss Rötteln, der Amtssitz des bischöflichen Obervogts, befindet.

Über 200 Jahre nach dem Ende des Einflusses derer von Wart probten die Weiacher den Aufstand und behaupteten rundweg, dass die Fürstbischöflichen gar keinen Rechtsanspruch auf Weiacher Holz für den Brückenunterhalt hätten. 

Die Angelegenheit wurde vor Gericht gezogen und dort machten die Gemeindevertreter geltend:

«es möge wol syn, das unnser gnediger herr von Costantz oder syne vögt unnd amptlüt zuo zytten etwan jnn jren gemainden höltzeren zuo Wyach zuo der gemelten brugkh zuo Keiserstuol habend holtz gehauwen. Aber nit von kheiner gerechtigkheit, sonnders von pitt wegen, das sy ein gemeind darumb habend erbetten, das sy jnen söllichs güttlich habind nachgelassen unnd verwilligt.» 

Sie stellten es also so dar, dass man diese Holzerei aus reiner Gutmütigkeit und ohne eine Rechtspflicht dafür zu haben, seitens der Gemeinde bisher zugelassen und bewilligt habe.

Wahrscheinlich spekulierten die Weiacher darauf, dass die Gegenseite keine Dokumente (für die erwähnte gerechtigkheit) vorweisen könne. Wenn sie damit durchkämen und die Richter auf einer Urkunde beharren würden, dann könnten sie künftig entweder den Holzschlag ganz verbieten oder aber mindestens eine Entschädigung dafür verlangen.

Pech gehabt: das alte Harkommen wird geschützt

Das klappte allerdings nicht. Das Gericht, bestehend aus Vertretern von Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich (also der Zürcher Regierung), entschied am 15. April 1521: 

«Daß unser gnediger herr von Costantz oder sine vögt unnd anwällt jnn der vorgemelten von Wyach gemeinden höltzern hinfür wol mögend eychen unnd holtz zuo der dickhgemelten brugkh zuo Keyserstuoll zimblich zuo jr nootdurfft houwen, wie von alltem harkhommen unnd gebrucht ist. Doch wann sy also houwen wöllen, sollen sy denen von Wyach solliches khunndt thuon.» (StAZH A 135.1 Nr. 27, zit. n. Weibel, Th., 2006, S. 425, s. Quelle unten).

«Dickgemelte brugkh» heisst so viel wie «nun oben mehrfach erwähnte Brücke».

Ein kleines Eingeständnis. Aber im Wesentlichen hatten die Weiacher nichts gewonnen. 

Pergamenturkunde aus dem fürstbischöflichen Archiv

Die obigen Zitate findet man in den Akten der Obervogtei Neuamt einsortiert. Aber auch in Urkunden, die in den fürstbischöflichen Archiven landeten, findet sich das Resultat dieses ersten verbrieften Rechtsstreits um das Weiacher Holz: ein Pergament, das nach dem Urteil am nämlichen 15. April 1521 ausgestellt und mit dem Siegel der Stadt Zürich versehen worden ist. Mit der Säkularisierung ab 1803 gelangte die Urkunde ins Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) und 1932 im Tausch an das Staatsarchiv des Kantons Zürich (StAZH).

Das Repertorium schweizergeschichtlicher Quellen im GLA verzeichnet das Dokument unter der Nummer 2802 U und das Regest lautet:

«Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich urteilen im Streit zwischen den Anwälten des Bischofs von Konstanz Hans von Landenberg von Breitenlandenberg, Vogt zu Arbon, und Konrad Heggenzi, Vogt zu Kaiserstuhl, einerseits und den Vertretern der Gemeinde Weiach anderseits, dass der Bischof befugt sei, in den Wäldern der Gemeinde Weiach das für die Brücke zu Kaiserstuhl benötigte Holz zu hauen, in einem solchen Falle es der Gemeinde aber kundtun solle.» (Ehemals GLA 5 / 726; jetzt StAZH C V 6.3, Nr. 84)

Mit Konrad Heggenzi hatten die Weiacher es gleichzeitig auch mit einem ihrer Niedergerichtsherren zu tun, denn dieser Schaffhauser Adelsfamilie gehörte bis 1587 die eine Hälfte des Weiacher Niedergerichts (die andere lag beim Bischof).

Nicht der letzte Streit über die Holzrechte

Damit war aber das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn bis zur Auflösung des Fürstbistums als staatlicher Entität anfangs des 19. Jahrhunderts, also während rund 275 Jahren, gab es noch mehrere aktenkundig gewordene Auseinandersetzungen um die Frage der Rechte von Auswärtigen im Weiacher Wald. Der zeitlich nächste Hosenlupf (wieder mit der Zürcher Obrigkeit als Schiedsrichter) fand im Juni 1548 statt (vgl. Aargauer Urkunden Bd. XIII, Nr. 199, s. auch Weiacher Geschichte(n) Nr. 70, Gesamtausgabe S. 226).

Quellen

  • Geiges-Heindl, F.; Mommsen, K.; Salzmann, M.: Repertorium schweizergeschichtlicher Quellen im Generallandesarchiv Karlsruhe. Abteilung I: Konstanz-Reichenau. Band 1: Urkunden mit Selektenbestand.  Zürich 1982. XVIII, 698 Seiten. RsQ I/1, 2802 U – S. 371. Vgl. StAZH-Bestand Zürcher Urkunden aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe, 1338-1785.
  • Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich fällen ein Urteil in einem Streit zwischen den Vertretern des Bischofs von Konstanz und der Gemeinde Weiach bezüglich Holznutzung. StAZH A 135.1, Nr. 27. Teilzitat in: Weibel, Aarau 2006: SSRQ ZH NF II/1, Nr. 191, Vorbem. 1 – S. 425.

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