Dienstag, 22. Juni 2021

Wo man das Zaunmaterial hernehmen durfte (Art. 24 GO 1596)

Im Sommer 2010 sind Beiträge über die Artikel 1 bis 18 der ältesten Weiacher Gemeindeordnung (GO 1596) publiziert worden (vgl. WeiachBlog Nr. 909). 

In der aktuellen Sommerserie geht es um die Bestimmungen aus der Holzordnung von 1567, einem multilateralen Vertrag der drei damals für Weiach zuständigen Obrigkeiten zur Lösung der Nutzungskonflikte um den Weiacher Wald (vgl. WeiachBlog Nr. 1667), die von der Zürcher Obrigkeit zu einem Teil der Gemeindeordnung erklärt wurden.

Zäune sind ein wesentlicher Bestandteil jeder landwirtschaftlichen Nutzung. Die Einfriedung um Felder und Bauerngärten (oder gar um den Friedhof) herum ist nicht primär als optische Grenze für die Unterscheidung von Dein und Mein unter Menschen gedacht. Wenn man Tiere weiden lassen will, seien es Enten, Gänse, Schafe, Ziegen, Schweine oder Rindvieh, dann sind währschafte Zauneinrichtungen unabdingbar. Deshalb waren Zäune auch Gegenstand der Weiacher Gemeindeordnung (vgl. Artikel 11 GO 1596 in WeiachBlog Nr. 900). 

Oranges Blinklicht bei Stechpalme, Weissdorn und Haselstrauch

Woher das Holz für diese Zäune kam, das war schon in der Holzordnung geregelt. Bäume für die Art von Zaunpfählen, wie wir sie heute kennen, durften höchstens aus Privatwaldungen entnommen werden. Der Gemeindewald hingegen war nur für ausgewählte Arten eine zugelassene Quelle. Ansonsten galt, besonders im Jungwuchs: Finger weg!

Welche Holzarten zum Zäunen erlaubt waren, steht im Artikel 6 der Holzordnung. Der Artikel liest sich in der Transkription Thomas Weibels (1990er-Jahre) so:

«Zuodem sy [die Weiacher] all gmeincklich zuo jren gütern [Felder und Gärten] uß den gemeinen höltzern zuo der zünung nüt schädlichs noch ungepürlichs, sonnder jnn denselbenn unnd den jungen höwen nüt annders dann stächbalmen, thörn unnd haßlen howen unnd sich jnn alweg deß gmeinen nutzes unnd bescheidenheit beflyssen unnd ouch die salwyden nit howen, biß das sy stecken geben mögennt, by der buoß oben daruf gesetzt.»

In der Gemeindeordnung wurde diese Bestimmung zum Artikel 24. Die Transkription von Friedrich Ott (1850er-Jahre), die auf einer Abschrift des 18. Jahrhunderts beruht (auf welcher genau, ist noch nicht klar), trägt den Titel «Zün Holz», und liest sich folgendermassen:

«Zu dem sie all gmeinlich zu ihren Gütern uß den gemeinen Hölzern zu der Zünung nüt schädlichs noch ungebührlichs, sonder in denselben und den jungen Houwen nüt anders dann Stechbalmen, Dorn und Haßlen houwen und sich in allweg des gmeinen Nutzes und Bescheidenheit flißen, und ouch die Salwiden nit houwen, biß das sie Stäcken geben mögent bi der Buß oben daruf gesetzt.»

Selbst Stechpalmen, Dornenbüsche und Hasel sollten also mit Bescheidenheit und unter Berücksichtigung des gemeinen Nutzens geschnitten werden, obwohl man sie nicht (wie einige Obstbäume in Artikel 1 HO 1567, vgl. WeiachBlog Nr. 1671) als «schädliches» Holz bezeichnet hat.

Salweiden unter Schutz

Auf die Salweiden, welche zwischen zwei und zehn Meter hoch wachsen, hatten die Obrigkeiten ein besonderes Auge. Anders kann man die Erwähnung dieser Baumart unter dem Kapitel Zaunholz nicht interpretieren. Salweiden mussten die Weiacher mindestens so gross werden lassen, dass sie Zaunpfähle zu liefern vermochten. Für das zu frühe Abschneiden der Salweiden war auch ein Bussgeld vorgesehen, möglicherweise die drei Pfund nach Art. 20 GO 1596 (vgl. WeiachBlog Nr. 1671).

Quellen
  • Ott, F.: Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 181. [vgl. RQNA 180: Holzordnung].
  • Weibel, Th.: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt. Aarau 1996 – S. 390.

Inhaltsübersicht zu Gemeindeordnung und Holzordnung

 
Bisher erschienene Artikel der Sommerserie 2021

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