Montag, 14. Juni 2021

Schwarze Sonntagskleider, montags gebürstet

Am Sonntag ging es früher (nicht nur in Weiach) «gsuntiget», oder – wie einer meiner Ausbildner in der RS sagen würde – «süber gepützt und dargetan» in die Kirche. Die dafür angemessene Kleidung war, so man sich das leisten konnte (oder wie ein Gemeinderat oder Kirchenpfleger aufgrund seines Amtes leisten musste) in Schwarz gehalten.

Die aus Weiach stammende Louise Patteson (1853-1922) beschreibt das in ihrem im Oktober 1921 erschienenen Buch «When I was a girl in Switzerland» wie folgt:

«The Sunday apparel of the elders and matrons was usually black. Every Monday morning Mother brushed and put away her own and Father’s Sunday clothes. Once I had opportunity to take a good look at Father’s hat, and I noticed that there were holes in the crown. I took it for granted they were peep-holes; but, of course, they were for ventilation.»  (S. 128)

Mit den matrons sind die Hausmütter gemeint und in Ableitung davon wären dann die elders die männlichen Hausvorstände. Das bestätigt auch der nachfolgende Satz über das Bürsten der Sonntagskleider am Montag.

Wie der Hut von Louises Vater ausgesehen hat, wissen wir nicht. Ein Zylinder war es wohl nicht, sonst hätte sie die Bezeichnung top hat verwendet. Und um einen der hohen seidenen Hüte, wie ihn die Honoratioren trugen, die im Chorgestühl Platz nehmen durften (bzw. mussten), wird es sich sicher auch nicht gehandelt haben, vgl. Pattesons Beschreibung in WeiachBlog Nr. 1498.

Nicht zwingend schwarz

Patteson hat ihre Jugenderinnerungen erst Jahre nach den Ereignissen (in den 1850ern und 1860ern) aufs Papier gebracht. Es geht aber auch zeitnaher. Und da wird dieser Brauch praktisch 1:1 bestätigt.

Dass Sonntagkleider nicht zwingend schwarz waren, sondern schwarze Kleidung im Gegenteil eine Art Standesabzeichen darstellte, zeigt sich an der kurz nach dem Erlebnis geschriebenen Tagebuchaufzeichnung des damals 11-jährigen Jakob Meyerhofer über Pfingsten 1871: 

«Der Vater u. der Mann barbierten den Bart mit dem Barbiermesser. Der Vater anzog die schwarzen Kleider. Der Mann anzog die Sonntagskleider. Mein Vater u. der Mann gingen in die Kirche. Sie kamen wieder um 10 Uhr. Die Geschwister u. ich anzogen die Sonntagskleider», gingen auf einen Pfingstsonntagsbesuch bei Verwandten und anschliessend mit ihrer Mutter in die Kirche (vgl. WeiachBlog Nr. 1658).

Quellen und Literatur
  • Patteson, S. L.: When I Was a Girl In Switzerland. Lothrop, Lee & Shepard Co., Boston 1921 [Elektronische Fassung auf archive.org; PDF, 11 MB] – S. 128.
  • Tagebücher 1871, 1873 und 1875/76 von Jakob Meyerhofer von Weiach (ZH), 1868-1876 Schüler an der Blinden- und Taubstummenanstalt Zürich. Mit einer Einleitung von G. Ringli und G. Wyrsch-Ineichen. Hrsg.: Kantonale Gehörlosenschule, Zürich 2004. Fundstelle: 1871 – S. 20-21.
  • Brandenberger, U.: Kirchensitzordnung nach Geschlecht, Amt, Zivilstand und Alter. WeiachBlog Nr. 1498 v. 26. April 2020.
  • Brandenberger, U.: Pfingsten 1871 in Weyach, gesehen mit Kinderaugen. WeiachBlog Nr. 1658 v. 24. Mai 2021.

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