Sonntag, 13. Juni 2021

Die SVP-Parole und das Vertrauen in die RPK

Was ist dieser Souverän doch für ein wankelmütiges Wesen! Aus Sicht der Bundesbehörden ist die Stimmungslage gemischt. Bei den einen knallen die Korken, bei den andern herrscht Katzenjammer, vor allem bei Bundesrätin Sommaruga, deren CO2-Vorlage mit wehenden Fahnen untergegangen ist.

Auf WeiachBlog wird der Fokus aber natürlich vor allem auf die lokalen Ergebnisse gerichtet. Und die sind in ihrer grossen Mehrheit nicht weiter verwunderlich. Fazit: Weiach ist und bleibt ein SVP-Dorf. Und: die Tendenzen sind die gleichen wie immer, trotz höherer Stimmbeteiligung, wie sie der Gemeindepräsident auf Twitter schon am Freitag um die Mittagszeit bekannt gegeben hat.

Stimmbeteiligung immer noch bei den Schlusslichtern

Bei der Stimmbeteiligung sind die rund 55 %, die an diesem Abstimmungswochenende zu verzeichnen sind, tatsächlich ein in diesen Zeiten selten erreichter Spitzenwert. Der ist aber auch nur Ausdruck einer quer durch die Schweiz erkennbaren, starken Mobilisierungswirkung der fünf eidgenössischen Vorlagen. Weiach wurde also sozusagen von der Flut angehoben, liegt aber verglichen mit allen anderen Gemeinden im Kanton im Wesentlichen immer noch gleich tief im Wasser wie gehabt. Kein Grund für Freude, aber auch keiner für Alarmstimmung.

Gleich drei kantonale Nein-Rekorde!

In allen drei Umweltvorlagen hält Weiach den höchsten Nein-Anteil aller zürcherischen Gemeinden.

Bei der Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» (sog. Trinkwasserinitiative, TWI), Stimmbeteiligung 55.56 %, sind es 74.43 % Nein. Bei der Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» (sog. Pestizidinitiative), Stimmbeteiligung 55.56 %, resultierten 74.28 % Nein. Das CO2-Gesetz wurde in Weiach bei einer Stimmbeteiligung von 55.31 % mit 72.92 % Nein bedacht. Auch das ist Kantonsrekord. 

Die Parole der SVP war in allen drei Fällen ein Nein (sowohl auf Bundesebene wie bei der Kantonalpartei). Das Ergebnis zeigt, dass die Mobilierungswirkung in Weiach ein breites Spektrum zur Stimmabgabe bewegt hat, quer durch alle politischen Lager.

Querschläger bei COVID

Beim COVID-19-Gesetz liegt Weiach nicht auf der gleichen Linie wie die Kantonsmehrheit. Bei einer Stimmbeteiligung von 54.89 % sind 57.76 % Nein zu registrieren, was Platz 7 in der Liste der Nein stimmenden Gemeinden bedeutet. Weiach und Bachs stechen mit ihren Nein-Mehrheiten im Zürcher Unterland deutlich hervor, im benachbarten Studenland einzig mit Böbikon und Wislikofen zu vergleichen. 

Auch hier dürfte die SVP-Parole eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die war nämlich nicht so eindeutig. Parole SVP Bund: Stimmfreigabe; SVP ZH: Nein. 

Interessant die Diskrepanz zu den beiden Landstädtchen Regensberg und Kaiserstuhl, die beide Ja-Anteile von deutlich über 60 % zeigen. 

Weiach stimmte mit dem Voralpen-Widerstandsgürtel (vgl. Gemeinderesultatekarte unten).

Quelle: watson.ch

Terroristen = Islamisten mit Sprengstoffgürtel, oder?

Dafür verschwindet Weiach dann bei der fünften und letzten Bundesvorlage, dem Gesetz zu den Polizeimassnahmen gegen Terrorismus (PMT), in der grossen Masse seiner Nachbargemeinden (nur Böbikon schlägt aus der Reihe). Bei 55.06 % Stimmbeteiligung haben 55.43 % der Weiacherinnen und Weiacher ein Ja eingelegt.

Die einzige Vorlage, die vor dem Weiacher Souverän Gnade gefunden hat, ist aus dem Hause Keller-Sutter. Der Watson-Chefredaktor Maurice Thiriet kommentiert das PMT-Ergebnis und empfiehlt der EJPD-Chefin, etwas Neues zu versuchen. Nämlich, das erfolgreich in trockene Tücher verbrachte PMT nicht zu missbrauchen:

«Grundrechtseinschränkungen aus vorgeblichen Sicherheitsgründen sind dagegen nützlich zur Drangsalierung und Kriminalisierung nicht genehmer gesellschaftlicher oder politischer Zielgruppen. Und das ist dann der schlechtere Fall.

Nun haben Sie beides: Ein Nachrichtendienstgesetz, dass [sic!] dem Geheimdienst sehr weitgehende Abhörmöglichkeiten einräumt. Und ein Antiterror-Gesetz, das der Bundespolizei aufgrund geheimdienstlich gewonnener Informationen ermöglicht, aussergerichtlich die Rede- und Bewegungsfreiheit von Individuen einzuschränken.

Unter diesen historischen Vorzeichen wäre es eine Weltneuheit, wenn wir es schaffen würden, das PMT wirklich nur für den Zweck einzusetzen, für den es beworben worden ist: Die Radikalisierungsprävention innerhalb fundamentalistisch-islamistischer Gruppierungen.»

Sein Wort in Gottes Ohr. Ganz nach dem jahrhundertealten Motto Confusione hominum et providentia Dei Helvetia regitur

Die Rechnungsprüfungskommission sagt, was Sache ist

Damit kommen wir zur einzigen kommunalen Vorlage, die aus Weiacher Sicht allerdings von epochaler Bedeutung ist, der Einheitsgemeinde-Vorlage. Einst von Gemeinderat und Schulpflege gemeinsam vorgelegt, wurde sie nun von der Schulpflege bekämpft. Damit wurde es spannend. Zünglein an der Waage spielte die RPK.

In den letzten Jahren konnte man sich auf eine überaus zuverlässige Prognose verlassen: Was die RPK Weiach gutheisst, wird angenommen. Und was sie zur Ablehnung empfiehlt, wird versenkt. So war das 2017 bei der Fusionsabstimmung zur Kirchgemeinde Stadlerberg (Weiach lehnte ab). So war das diesen Frühling bei der Kündigungsinitiative Ebnöther, die im grossen Saal des Ebianum abgeschmettert wurde. 

Einzige Ausnahme von dieser Regel: die Balance-Abstimmung von Ende Juni 2020. Da war wohl die Argumentation nicht genügend überzeugend, wie auch in WeiachBlog Nr. 1531 festgestellt wurde. Aber sonst ist die RPK die kommunalpolitische Glaskugel.

Einheitsgemeinde angenommen. GO 2022 kommt. 

Im Beleuchtenden Bericht zur heutigen Urnenabstimmung schreibt die Kommission: «Aus finanzieller Sicht konnte die RPK keine wesentlichen Vor- oder Nachteile herausfiltern. Da eine rein finanzielle Abwägung nicht möglich war, hat die RPK die folgenden Punkte für ihre Entscheidungsfindung berücksichtigt:

  • Klarheit bei überschneidender Nutzung der Liegenschaften
  • Verbesserter Informationsfluss - Synergien nutzen
  • Professionalität (Finanzen, Liegenschaften)
  • Konzentration auf das Kerngeschäft (Primarschule)
  • Schulgesetz steht über dem Gemeindegesetz
  • Trend im Kanton geht in Richtung Einheitsgemeinde
  • Finanzbefugnisse bleiben bis auf Art. 34 unverändert (erhöhte Kompetenz für Primarschule)
  • Gemeinsame Finanzplanung»
Vor allem der erste Punkt ist angesichts der heillosen Verflechtung im Mehrzweckteil der 1976 in Betrieb genommenen Anlage Hofwies ein sehr überzeugender. Zusammen mit den anderen Punkten war der politische Mist damit sozusagen geführt und die Primarschulpflege muss eine bittere Pille schlucken: 346 Ja zu 217 Nein.

Die Schulgemeinde ist somit nach vielen Jahrzehnten Unabhängigkeit  – einst der Aufsicht des Pfarrers glücklich entronnen – nun unter der Kuratel des Gemeinderates gelandet.

Quellen

Keine Kommentare: