Dienstag, 31. Oktober 2006

Ein Jahr WeiachBlog

Genau ein Jahr und zwei Stunden ist es her, seit der allererste WeiachBlog-Artikel online ging.

Zusammen mit diesem hier sind mittlerweile 302 Beiträge erschienen. Einige davon haben zu heftigen verbalen Scharmützeln Anlass gegeben, besonders solche über den Fluglärm - dort sind auch die Kommentar-Spitzenreiter zu finden.

Kampfplatz Fluglärmstreit

Wer sich in dieses politische Minenfeld vorwagt, der hat mit fast allem zu rechnen, wie WeiachBlog mehrmals feststellen musste. Denn für gewisse Protagonisten des Kampfes gegen Südanflüge herrscht «Krieg» (vgl. Tages-Anzeiger vom 26. & 27. Oktober).

Mit anderen Worten: in der Enttäuschung über den Staat sind einige wenige bereit, jegliche Grenzen zu überschreiten - nicht nur die des Anstandes.

Die Spitze der Hitparade

Nach wie vor ungeschlagener Spitzenreiter bei den Seitenabrufen (vgl. Bilanz über 250 Artikel) ist der Beitrag über den Flugzeugabsturz vom 14.11.1990 - den opferreichsten Unfall auf Gemeindegebiet seit Menschengedenken.

Es ist erstaunlich, wie häufig heute - bald 16 Jahre nach dem Ereignis - noch Informationen zu diesem Fall gesucht werden. Interessant ist, dass die internationalen Medienlandschaft für die einzige zeitgleich erfolgte, weltweite Verbreitung des Ortsnamens Weiach (selbst in regionalen Printmedien der USA wurde über den Absturz geschrieben) zielgenau ein Thema herausgepflückt hat, das offensichtlich selbst heute noch einige Menschen interessiert.

Zugriffsstatistik - gut 5000 Besucher

Seit dem Beginn der systematischen Traffic-Erfassung am 27. Dezember 2005 (d.h. ca. zwei Monate nach dem Start) sind 4998 Besucher zu verzeichnen.

Macht also im Durchschnitt 24 Besucher pro Tag. Die meisten kommen via eine Suchmaschine und bestimmte Begriffe hinein und sind ebenso schnell wieder weg (Average Visit Length: 1 Minute 30 Sekunden).

Die überwiegende Mehrheit greift über einen Schweizer Provider auf den WeiachBlog zu. Auf den Plätzen folgen Benutzer aus Deutschland und Österreich. Auch Italien, Frankreich, Schweden und die USA sind gelegentlich vertreten.

Wenige Stammleser

Nur sehr wenige bleiben hängen und werden sozusagen Stammleser. Ihre Zahl ist schwierig zu schätzen, dürfte sich aber im Rahmen von einem bis zwei Dutzend bewegen, was bei diesem «Orchideenthema», das eine Zielgruppe von maximal einigen hundert Personen hat, schon recht viel ist.

Nach wie vor unbekannt ist, wieviele Personen WeiachBlog über einen Feedreader lesen, da diese in der Regel keine Spuren in der Zugriffsstatistik hinterlassen.

Klickraten und Kommentare

Die Besucher klicken meist nur eine Seite an, die wenigen Stammleser auch wesentlich mehr, was sich dann in einem Total von 7'867 page views und einem Schnitt von 1.5 pro Besuch oder 35 pro Tag ausdrückt.

Insgesamt wurden zu den 302 Artikeln 165 Kommentarbeiträge abgegeben. Die meisten von WeiachBlog selber - als Nachträge auf den Artikel oder als Repliken auf Kommentare von Lesern. Spitzenreiter ist klar das Fluglärmthema, bei dem einige Südschneiser regelmässig ihren Standpunkt deponieren.

Montag, 30. Oktober 2006

Dem Nebel nach zu schliessen ist es doch Herbst

Das Oktober-Wetter war rekordverdächtig. Mit viiiiieeell Sonne. Jetzt soll es diese Woche noch wirklich unangenehm werden. Nasskalt, regnerisch, kurz gesagt: wääääk...

Aber das gehört halt zum Gesamtpaket. Schliesslich leben wir nicht am Äquator - und haben dafür lange Sommerabende und richtige Jahreszeiten.

Momentan ist es allerdings erst den frischen Temperaturen und den farbigen Blättern an den Bäumen zuzuschreiben, dass man dem Kalender glaubt, es sei Herbst. Die Sonnenscheindauer spricht da eine andere Sprache.

In Weiach spürt man den Herbst jeden Morgen. Der rheinbedingte Nebel hält sich an gewissen Tagen hartnäckig - manchmal bis gegen Mittag. Vom herbstlichen Weiacher Nebel hier eine Aufnahme, datiert auf den 11. Oktober, 08:00 MESZ. Im Bild das von Kaiserstuhl an die Haltestelle «Weiach, Gemeindehaus» heranbrausende Postauto der ZVV-Linie 515:

Sonntag, 29. Oktober 2006

e-mail-Transfer: Aus «schweiz.ch» mach «schweiz.org»

Vor fünf Monaten, am 29. Mai, stellte WeiachBlog die Frage, was mit den langjährigen e-mail-Adressen der Domain «schweiz.ch» passieren wird, wenn die Eidgenossenschaft die Domain schweiz.ch übernimmt - wie von ihr mittels schiedsgerichtlichem Verfahren angestrebt.

Anfang September teilte der aktuelle Betreiber der Domain, Stefan Frei, die Modalitäten der Abtretung von schweiz.ch mit:

«Per 30. November werden die CH-Domains auf die Schweizerischen Eidgenossenschaft übertragen, sämtliche Email-Dienste @schweiz.ch/@suisse.ch/@svizzera.ch werden per diesem Datum eingestellt.»

Der Bund kann also ab Anfang Dezember theoretisch den ganzen Mailverkehr an irgendwelche schweiz.ch-Adressen mitlesen. Der eigentliche Empfänger erfährt davon aber nichts, denn eine zeitlich befristete Weiterleitung oder zumindest einen anständigen Bouncing-Service («Sorry, diese Adresse ist nicht mehr in Betrieb, versuchen sie es mit *@schweiz.org o.ä.») scheint es nicht zu geben.

Schöne Aussichten, das! Bleibt also nichts anderes als das Zügeln.

Überlassung der Domain schweiz.org

Immerhin: Frei konnte mit dem Bund eine Überlassung der Domain «schweiz.org» aushandeln. Das vertraglich zugesicherte Nutzungsrecht sei unbeschränkt, schreibt er. Hoffen wir, dass die Eidgenossenschaft sich auch daran hält.

Die bisherige Adresse der «Weiacher Geschichte(n)» (weiacher.geschichten@schweiz.ch) ist schon vor einigen Wochen nach weiacher.geschichten@schweiz.org umgezogen.

Reaktionen auf die «Weiacher Geschichte(n)» deshalb ab sofort nur noch an die neue «schweiz.org»-Adresse! Danke.

Freitag, 27. Oktober 2006

DJ Bobo an den Karren gefahren

Der früher in Eglisau und seit einigen Monaten in Weiach wohnhafte Kommunikationsberater Hanspeter Bühler ist ein aktiver Leserbriefschreiber.

Er nimmt kein Blatt vor den Mund und kommentiert das im Blätterwald publizierte Zeitgeschehen mit spitzer Feder. Und seine Zeilen finden das Interesse der zuständigen Redaktoren. Sie schaffen es deshalb häufig in die gedruckte Zeitungswelt.

Allein in den letzten 30 Tagen sind Beiträge Bühlers zu unterschiedlichen Themen erschienen. Als da wären:

Die Kontroverse um das Berliner Aufführungsverbot für Mozarts «Idomeneo», oder die aufgeregte Diskussion zu Bundesrat Blochers «Afrikaner-Aussage».

Aber auch Sportler und Popstars werden zu Bühlers Sujet. Im Blick vom 24. Oktober «Schumi», der kürzlich zurückgetretene Formel-1-Rennfahrer und heute im Tages-Anzeiger DJ Bobo - mit bürgerlichem Namen «Baumann».

DJ Bobo lehnte ab

Bühler reagierte auf den Tagi-Artikel «DJ Bobo kämpft gegen den Hunger auf der Welt» von gestern Donnerstag:

«Noch vor Jahresfrist habe ich als Vorstandsmitglied des kleinen Wasserhilfswerks «Die Wüste lebt - Wasser für alle» Herrn Baumann angefragt, ob er ehrenamtlicher Botschafter unseres Drittwelt-Wasserbeschaffungshilfswerks werden wolle. Er hatte keine Zeit dafür und lehnte auch ein Gespräch kurzerhand ab. Offenbar ist ihm die Publizität des aufgeblasenen, Hunderte von Millionen verschlingenden Papiertigers Uno wichtiger als eine unkomplizierte, unbürokratische Hilfe vor Ort - dort, wo so genannte stille Katastrophen bestehen, die nicht im Fokus der Weltmedien sind. DJ Bobo ist ein Produkt der heutzutage grassierenden Oberflächlichkeiten.»

Dienstag, 24. Oktober 2006

Bissiger Siebenschläfer

Im Bundesarchiv in Bern liegen die Kommandantentagebücher vieler militärischer Verbände der Schweizer Armee aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Darunter auch das der Grenzfüsilierkompanie I/269. Diese Einheit war zu Beginn des Krieges (Polenfeldzug) in Weiach stationiert.

Zu einer anderen Einheit desselben Bataillons gehörte auch ein gewisser Wachtmeister Zollinger, Weiacher Lehrer und Ortschronist, dessen Uniform heute im von ihm mitbegründeten Ortsmuseum hängt.

Wider den langweiligen Wachtdienst

Im Tagebuch der Kp I/269 gibt es - just zu dieser Zeit Ende Oktober - zwei Einträge zu einem Siebenschläfer:

«23. Oktober 1939

Wetter: Regen und Wind ohne Unterbruch.
Der Kp. Kdt fängt im Kaibengraben einen Siebenschläfer, welcher im Kp.-Büro in einen Käfig gesperrt wird.

26. Oktober 1939

Die Büroordon. Bär meldet um 20.10, der Siebenschläfer sei ausgebrochen und spaziere im Kp.-Büro. Nach einer tollen Jagd, die eine halbe Stunde dauerte, gelang es dem Kp. Kdten als bekannter Jäger, das bissige Tier einzufangen.
»

Der Kaibengraben ist ein ehemaliges Bachtobel am Rheinufer, das seinen Namen angeblich aus der Zeit des Zweiten Koalitionskrieg von 1799 hat. Damals sollen dort tote Pferde entsorgt worden sein.

Der erwähnte Kompaniekommandant (Kp.Kdt) hiess Cäsar Linsi und war kantonaler Fischereiaufseher in einem Revier am Zürichsee. Als solcher hatte er natürlich auch ein Jagdpatent.

Über das weitere Schicksal des Siebenschläfers schweigt sich das Tagebuch leider aus.

Quelle
  • Kommandantentagebuch der Gz. Füs. Kp. I/269. Original im Besitz des Schweizerischen Bundesarchivs (BAR); Signatur: E 5790 1871 Bd.2

Montag, 23. Oktober 2006

Seldwyla und die chinesischen Pflastersteine

Gottfried Keller hat Seldwyla mit Liebe zum Detail und beissendem Spott beschrieben. Als schweizerisches Schilda sozusagen.

Im Unterland ist man seither überzeugt: Seldwyla ist Bülach. Was die Bülacher mittlerweile sogar selber akzeptiert haben. Die Bülacher Theatertruppe par excellence heisst nicht zufällig «Spielleute von Seldwyla».

Eine lustige Reminiszenz an den Dichter aus dem 19. Jahrhundert - dachte ich bis vor einigen Stunden.

Tempi passati? Mitnichten!

Mit einigem Erstaunen konnte man letzten Samstag im Zürcher Unterländer lesen, dass die heutige Bülacher Stadtregierung für Seldwylereien der Extraklasse gut ist.

Vor dem Rathaus in der Altstadt wird derzeit gebaut. Im Tiefbau, um genau zu sein. Eine Begegnungszone soll entstehen. Bis 2009 in der ganzen Altstadt. Und weil sich Asphalt nicht so heimelig anfühlt, kommen Pflastersteine zum Einsatz.

Schön und gut. Nur: die auf dem Rathausplatz gerade verbauten Steine stammen aus dem «Reich der Mitte». Schreibt ZU-Korrespondent Friedel K. Husemann. Ich dachte erst, ich lese nicht richtig. Aber es scheint leider zu stimmen.

Pflastersteine werden in China abgebaut, um den halben Globus transportiert und in der Bülacher Altstadt verlocht. Was für ein Schildbürgerstreich! Wie wenn es in diesem Land keine Steinbrüche gäbe, welche mindestens so gute Qualität liefern könnten.

Nächstens kommen die Bülacher noch auf die Idee, ihren Wandkies ebenfalls aus China zu importieren. Aber vielleicht erinnern sie sich dann doch noch daran, dass in Weiach und im Rafzerfeld der Kies grad vor der Haustüre zu haben ist. Anschauungsunterricht gäbe es ja mehr als genug: Schüttgüterwaggons der Kiesunternehmen mit grossen Schriftzügen, die durch den Bülacher Bahnhof gezogen werden, bzw. nächtens dort herumstehen.

Engstirnig auf kurzfristige Optimierung fokussiert

Vielleicht sollte die heutige Stadtregierung wieder einmal ihrem Alt-Stadtpräsidenten Menzi zuhören, wenn er Gottfried Kellers «Die Leute von Seldwyla» interpretiert:

«Der Glattfelder Schriftsteller habe damit die damaligen Bülacher vor Augen gehabt. Diese seien engstirnig und arrogant gewesen und hätten ihr Fähnlein gern nach dem Wind gehängt. Tatsächlich wurde Bülach, so Menzi, zweimal von den Eidgenossen in Brand gesetzt, weil es sich im Krieg auf die «falsche» Seite gestellt hatte.» (Unterländer, 5. Juli 2005)

Die falsche Seite wäre diesmal die der Energieverschwender und Arbeitsplatzverschieber. Ob man auch künftig dazu gehören möchte oder weiterhin kurzsichtigem Spareifer huldigt, sollten sich die Bülacher Stadtväter vielleicht besser überlegen, bevor sie die nächste Tranche Pflastersteine aus China ordern.

Quellen
  • Husemann, F.K.: Die Altstadt wirkt weiträumiger. Bülach - Bauarbeiten für die erste Etappe der Begegnungszone werden demnächst beendet. In: Zürcher Unterländer, 21. Oktober 2006
  • Calislar, F.: Die neuen «Leute von Seldwyla». Bülach - Rund 70 Neuzuzüger waren als Gast der Stadtverwaltung im «Stedtli» unterwegs. In: Zürcher Unterländer, 5. Juli 2005.

Sonntag, 22. Oktober 2006

Im Kreise der Wehrkirchen Europas

Jüngst publizierte Schriften, wie die Broschüre zum Jubiläum «300 Jahre Kirche Weiach», laufen immer Gefahr, dass kurz nach Redaktionsschluss und abgeschlossenem Druck noch etwas bisher Unbekanntes auftaucht - und sei es auch nur eine Literaturstelle.

In diesem Fall handelt es sich um einen Bildband des deutschen Kirchenexperten Karl Kolb aus dem Jahre 1983. Auf 179 Seiten beschreibt er das Phänomen der Wehrkirchen in Europa.

Vor allem in Ungarn und in Siebenbürgen, aber auch in Frankreich, findet man befestigte Gotteshäuser noch heute in grosser Zahl: die Insel Mont Saint-Michel ist lediglich die bekannteste unter diesen Kirchenfestungen.

Grosses Thema - komprimierte Abhandlung

Kolb hatte eine Herkules-Arbeit mit Reisen durch ganz Europa hinter sich und die schwierige Aufgabe, ein weitgespanntes Thema auf weniger als 200 Seiten abzuhandeln - Literaturverzeichnis und Ortsregister inklusive.

Die Wehrkirchen der Schweiz umfassen im Textteil nur gerade fünf Seiten. Im Bild vorgestellt werden u.a. die Bergkirche von Raron im Kanton Wallis, die St.Arbogast-Kirche in Muttenz und die Kirche von Boswil im Kanton Aargau.

«Längst vergessene Religionskämpfe» und andere Ungereimtheiten

Ein Abschnitt über die Nordostschweiz streift auch den Kanton Zürich:

«Als anderswo die Religionskämpfe als Folge der Reformation längst vergessen waren, erreichten in der Schweiz die Villmerger Kriege ihren Höhepunkt. Um 1700 stand noch ein weiterer Kampf mit den 1656 besiegten reformierten Ständen bevor. Deshalb bauten die Züricher überall dort ihre Kirchhöfe aus, wo sie Überfälle aus der Nachbarschaft befürchteten.

Im Kunsthistorischen Museum von Genf hängen zwei Gemälde, die sich über diesen Krieg lustig machen. Ein Bär und ein Stier übernehmen die Rolle der Hauptleute, die ihre Mannen ins Feld führen.

In Weiach ZH wurde sogar die alte Kirche abgerissen und 200 Meter weiter an einer taktisch günstigeren Stelle eine neue von dem Züricher Festungingenieur Hans Caspar Werdmüller errichtet. Zusammen mit dem Pfarrhaus von 1591 und dem Friedhof entstand so ein Fort. Von dieser Kirchenfestung des 18. Jahrhunderts zeugen noch die Schießscharten in der hohen Friedhofsmauer.

Derselbe Festungsingenieur hatte zuvor schon die militärischen Kirchenneubauten in Schönenberg ZH am Hirsel (1702) und danach in Bachs ZH (1713) errichtet, und 1662 kam der übereck gestellte Festungsbau mit Wehrgang und Schießscharten dazu.
»

Zu diesen Ausführungen ist ein ganzes Büschel von Anmerkungen zu machen:

  • Erstens wage ich zu bezweifeln, dass anfangs des 18. Jahrhunderts, kaum mehr als 50 Jahre nach dem Westfälischen Frieden von 1648, die erbitterten Religionskämpfe des Dreissigjährigen Krieges «längst vergessen» waren. Über den 2. Weltkrieg diskutieren wir schliesslich auch heute noch.
  • Zweitens übernimmt Kolb für das Pfarrhaus Weiach eine in der Literatur zwar häufig genannte, aber irreführende Jahrzahl. Es ist keineswegs bewiesen, dass es sich bei dem 1591 für den ersten in Weiach wohnhaften Pfarrer von der Zürcher Obrigkeit angekauften Haus um das anfangs des 18. Jahrhunderts zusammen mit der neuen Kirche in die Befestigung integrierte heutige Pfarrhaus handelte. Mitte des 17. Jahrhunderts soll das Weiacher Pfarrhaus nämlich bei einem Dorfbrand den Flammen zum Opfer gefallen sein.
  • Weiter wundert man sich über die Verschreibung des Hirzel zu «Hirsel», was verdächtig nach einer Niederschrift nach mündlicher Mitteilung aussieht.
  • Vollends unklar wird die Darstellung schliesslich beim «übereck gestellten Festungsbau» von 1662. Es ist mir schleierhaft, auf welche Anlage sich Kolb hier bezieht. Jedenfalls kann es sich nicht um einen von Hans Caspar Werdmüller (1663-1744) erstellten Bau handeln.
  • Daneben nimmt sich die - bei einem deutschen Autor und deutschem Verlag leider zu erwartende, aber von Hiesigen als falsch empfundene - Schreibform «Züricher» noch harmlos aus.

Alles in allem lässt dieses Werk also etliche Fragen offen. Die Zweifel an der Exaktheit der Darstellung werden auch nicht kleiner, wenn man entdeckt, dass auf Seite 158 unsere Kirche sogar in einer Kartenskizze mit dem Titel «Die Wehrkirchen im Rheintal» eingezeichnet ist.

Die Skizze beginnt bei Weiach, vermerkt Kaiserstuhl (sonst nirgends im Text erwähnt) und Muttenz und endet mit Köln.

Hier ist die Problematik, die damit verbunden ist, eine Kirchenfestung des beginnenden 18. Jahrhunderts mit den rheinabwärts gelegenen, eher mittelalterlichen Bauwerken in eine Reihe zu stellen, deutlich zu spüren.

Risiken und Nebenwirkungen von Google

Anmerkung: Ohne Google Books wäre ich kaum auf diese Literaturstelle gestossen. Zu früheren Trouvaillen und den mit dem Google-Projekt verbundenen Risiken vgl. die WeiachBlog-Artikel vom 17. November 2005 und 16. März 2006.

Quelle

  • Kolb, K.: Wehrkirchen in Europa. Eine Bild-Dokumentation. Echter Verlag, Würzburg 1983 - S. 133 u. 158.

Samstag, 21. Oktober 2006

Oktoberwetter 1956

Wie der September, so entschädigte auch der Oktober für den nassen August. Es gab noch einmal einige wunderbar warme Tage.

Etwas anders das Wetter vor 50 Jahren. Zollingers Beschreibung liest sich als geradezu typischer Steckbrief für den Herbst am Zürcher Rhein:

«Der Oktober zeichnet sich durch seinen "Nebelreichtum" aus. Meist hielt derselbe bis über Mittag hinaus stand und hob sich dann zu einer Hochnebeldecke, so dass wenig Sonnenschein registriert werden konnte. An 12 Tagen jeweils irgend einmal Regen, sei's vorm., nachm., abends. Der 6., der 26. und der 29. Oktober sind in meinem Notizheft sogar als "scheusslich, mit Regen und stürmischen Winden" eingetragen. Gegen Monatsende sanken die Morgentemperaturen mehrmals bis in die Nähe der Nullgrad-Grenze, sodass man bereits Morgenfröste befürchten musste. Am 27. "leuchten die Höhen im Deutschen drüben schneeweiss herüber".»

Bei den genannten Höhen handelt es sich vor allem um den Wannenberg (690 m ü.M.) ob Bergöschingen und den Kalter Wangen (671 m ü.M.) ob Stetten. Von der L 161a aus, die nahe beim Kalter Wangen über einen Pass von Stetten nach Grießen führt, kann man bei klarer Sicht Teile der Alpenkette sehen.

Zum Vergleich: der Ortskern von Weiach liegt auf ca. 390 m ü.M., die höchsten Punkte auf Gemeindeboden im Gebiet des Stadlerbergs auf ca. 615 m ü.M.

Bereits im WeiachBlog erschienene Wetterartikel

Weiacher Wetter im Jahre 1955 (28. Dezember 2005)
Januarwetter 1956 (14. Januar 2006)
Februarwetter 1956 (12. Februar 2006)
Märzwetter 1956 (6. März 2006)
Aprilwetter 1956 (13. April 2006)
Maiwetter 1956 (9. Mai 2006)
Juniwetter 1956 (12. Juni 2006)
Juliwetter 1956 (13. Juli 2006)
Augustwetter 1956 (22. August 2006)
Septemberwetter 1956 (20. September 2006)

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1956 – S. 4-5 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1956)

Montag, 16. Oktober 2006

Jeder 10. Korb Mist drückt doppelt schwer

Der Wümmet ist in vollem Gange. «Die Blauburgundertrauben sind reif — jetzt drängt die Zeit. Weinbauern aus der Region sind zufrieden mit der diesjährigen Qualität der Trauben», titelt das Neue Bülacher Tagblatt heute.

WeiachBlog schaut in diesem Beitrag noch etwas weiter zurück als vor einer Woche, wo es um die Ablösung des so genannten nassen Zehnten im Jahre 1878 ging.

Die Weyacher musste man im Gegensatz zu anderen Gemeinden offenbar nicht zwingen, diese Lehenlasten abzulösen. Sie waren ihnen lästig, wie aus der Ortsbeschreibung von Anno 1850/51 hervorgeht. Im Kapitel 4 über den Weinbau schreibt Pfarrer Conrad Hirzel:

«Ungünstig wirkt [...] der Umstand, dass, während der trockene Zehnden schon zu Anfang dieses Jahrhunderts losgekauft wurde, der nasse noch fortwährend auf dem Grundbesitz lastet und bei jedem 10. Korbe Mist oder Erde, der die steile Höhe hinangetragen wird, auch doppelt schwer auf den Rücken drückt, und so zur gründlichen Verbesserung Muth u. Lust raubt. »

Weiter unten findet man in Hirzels Text auch noch etwas über aktuelle Erträge und die Verwendung des eigenen Rebensaftes:

«Der durchschnittliche Jahresertrag sämmtlicher Weiacherreben ist laut der Zehntenrechnung ca. 400 Saum. Anno 1850 betrug der Gesammtertrag des Rebgeländes nicht viel über 80 Saum in einem Werthe von kaum 3 Thlr. der Saum. Nimmt man an, dass auch ein 3fach so grosses Quantum in der Gemeinde selbst consumiert und nur wenig davon aufgelagert, noch weniger ausgeführt würde, so ist sich über den Durst nach einem guten Neuen nach solchem Jahrgang nicht zu wundern, zumal wenn dem so gelinden Winter ein heisser Sommer nachfolgt.»

1850 war also ein hundsmiserabler Jahrgang. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass damals Mangel an Getränk mit Mangel an Wein gleichzusetzen ist und der Wein stark verdünnt von jedermann getrunken wurde, dann kann man sich die Bedeutung der Weinberge leicht ausrechnen.

Ein Saum Wein entsprach in der Schweiz etwa 150 Litern. Die erwähnten gut 3 mal 80 Saum entsprechen also 37'500 Litern. 1850 hatte Weiach eine zahlreiche Einwohnerschar: 716 Personen. Macht 52 Liter pro Person und durchschnittliches Jahr. Im Durstjahr 1850 waren es nicht einmal 17 Liter!

Quelle
  • Ortsbeschreibung Weiach Anno 1850/51. Verfasser: Pfr. Konrad Hirzel, a. Zunftgerichtspräsident Baumgartner, Vieharzt Hs. Hch. Willi, Schulpfl. Joh. Baumgartner. Original aus Turmkugel, 1967 herausgenommen. Abschrift: W. Zollinger, a. Lehrer. (Kap. 4 Weinbau. Verf.: C. Hirzel)

Sonntag, 15. Oktober 2006

Premiere: Web(er)-Auftritt der Kirche Weiach


Beim Durchsehen der Sitemeter-Statistiken für WeiachBlog erlebt man zuweilen Überraschungen der lokalen Art.

Die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde hat eine eigene Website! Seit spätestens heute abend.

Noch gibt es zwar ein paar offensichtliche Baustellen. Das zeigen etliche «TEXT TEXT TEXT»-Platzhalter. Aber die stören nun wirklich nicht. Verglichen mit vielen anderen Projekten ist nämlich schon erstaunlich viel drauf auf dieser Website. Zum Beispiel unter "Aktuell" eine Terminliste bis weit ins Jahr 2007 hinein.

Initiativer Pfarrverweser

Dass auch Pfarrverweser der Gemeinde neue Impulse - in diesem Fall elektronische - geben können, beweist Pfr. Christian Weber, der gemäss Impressum für den neuen Webauftritt verantwortlich zeichnet.

Das Pfarramt ist ab sofort nicht nur im Pfarrhaus an der Büelstrasse 17 bzw. per Telefon (044 858 22 44) zu erreichen, sondern auch per offizieller e-mail: pfarramt@kirche-weiach.ch

Als Herausgeber figuriert die Kirchenpflege der Reformierten Kirchgemeinde Weiach. Sie kann also nicht nur Geld für eine Jubiläumsbroschüre oder eine Tafel an der Kirche bewilligen. Es reicht sogar für eine Domain-Registrierung.

Beste Wünsche zum Start vom WeiachBlog

Auf der Startseite (vgl. Bild oben) wird einem der Gruss im Plural entgegengebracht: «Herzliche Willkommen bei der Reformierten Kirchgemeinde Weiach».

Dem jüngsten Mitglied in der Gilde der Weiacher Websites ein herzliches Willkomm zum ersten Internet-Auftritt und viele er- und gefreute Besucher!

Doch schauen Sie selbst. Der Geheimtip zur Jubiläumsfeier am 1. Oktober: Klicken auf Galerie.

Quelle
  • Website der Reformierten Kirchgemeinde Weiach - http://www.kirche-weiach.ch

Samstag, 14. Oktober 2006

Allenthalben Baustellen

Noch vor einigen Jahren lamentierten Gemeindevertreter, Weiach sei in seiner Entwicklung blockiert. Damit scheint es nun vorbei zu sein.

Ein kurzer Rundgang durch die Kernzone heute vormittag vermittelt nämlich einen ganz anderen Eindruck. Den eines kleinen Baubooms:

[Für grössere Abbildungen anklicken]

Ein Doppel-EFH aus Fertigelementen, in wenigen Tage auf der grünen Wiese hochgezogen. Das erste Wohnhaus an der seit längerer Zeit erschlossenen Obstgartenstrasse (vom Gartenweg aus gesehen).

Ein neues Marti-Häuschen an der Ecke Buhaldenstrasse/Leiacherweg.

Vom Fussweg zwischen der Bergstrasse und Im Bungert gesehen. Zwei neue EFH an der Bergstrasse.

So sieht es heute am Standort des vor zwei Wochen abgerissenen Bauernhauses von 1822 aus (Winkelstrasse 2; vgl. WeiachBlog vom 3. Oktober): Grosse Baugrube. Alles vorbereitet für die Fundamente und die Tiefgarage.

Auch an der Büechlihaustrasse wird wieder gebaut. Schon das zweite neue Haus innert kurzer Zeit. Das Wohnhaus im Vordergrund mit gelben Rolladenkästen ist erst wenige Monate alt.

Blick von der Leestrasse Richtung Buhalde. Das Haus vorne rechts ist erst vor wenigen Tagen fertig geworden. Im Blickfeld der markante Implenia-Kran auf dem Bauplatz Winkelstrasse 2.

Die Starenvögel nutzen den neuen markanten Turm als Vorsammelplatz (die sonst in Beschlag genommenen hohen Birnbäume sind nicht einmal mehr halb so interessant). Neben den Morgennebeln sind die sich sammelnden Stare ein untrügliches Zeichen, dass der Herbst endgültig da ist.


Schliesslich noch ein Blick zurück auf den Bauplatz an der Büechlihaustrasse. Im Hintergrund unter dem Kranausleger die deutsche Ortschaft Hohentengen mit der alten Marienkirche (hinter dem Hochspannungsmast).

Fünf Baustellen und vier Baukräne sprechen eine deutliche Sprache.

Freitag, 13. Oktober 2006

Geld für Informationstafel aufgetrieben


Aufmerksame Kirchgänger werden es bereits am Jubiläumssonntag vor bald zwei Wochen festgestellt haben: die Kirche Weiach informiert neuerdings an ihrer Aussenmauer über die wichtigsten Eckdaten ihrer Geschichte.

Einige Daten entsprechen den Tatsachen, einige sind interessant, weil sie darüber Auskunft geben, was der Auftraggeberin der Tafel, der evangelisch-reformierten Kirchenpflege Weiach, am wichtigsten erschien.

Kommentar zu den einzelnen Punkten auf der Tafel:

«Kirche Weiach - Erbaut 1705/06». Das stimmt. Begonnen wurde der Bau 1705, vollendet und eingeweiht im Jahre 1706.

«Wichtigste Renovationen 1763, 1886, 1914, 1926». Darüber, was wichtig ist, lässt sich natürlich trefflich streiten. Richtig ist, dass in den obgenannten Jahren Arbeiten an der Kirche ausgeführt wurden, wenn auch völlig unterschiedliche. 1763 und 1886 ist v.a. der Dachreiter genannt, 1914 wird als erste Gesamtrenovation bezeichnet und 1926 wurde lediglich das Wandtäfer ersetzt. Zu beachten ist, dass a) längst nicht über alle Renovationen schriftliche Zeugnisse vorliegen und b) über bestimmte Massnahmen tendentiell eher berichtet wird als über andere. Renovationen, die sich auf reine Pinselarbeiten beschränkten, wurden wohl oft als nicht der Überlieferung wert empfunden.

«Gesamtrenovation 1967/68». Korrekterweise müsste von einer «Restaurierung 1966/68» die Rede sein. Denn die damals ausgeführten Arbeiten wurden schon im Herbst 1966 begonnen (vgl. WeiachBlog vom 14. September über das Schicksal der alten Orgel). Sie gingen überdies viel weiter als eine übliche Gesamtrenovation. Die Kirche wurde dem mutmasslichen Zustand ihrer Bauzeit wieder näher gebracht.

«Neue Orgel 1969». Das stimmt. Die heutige Orgel wurde am 26. Oktober 1969 feierlich eingeweiht (vgl. WeiachBlog vom 1. Oktober).

«Unter Eidgenössischen Denkmalschutz gestellt 1968». Das stimmt nicht. Die Unterschutzstellung trat erst im Dezember 1970 in Kraft. Da aber die meisten Quellen den Abschluss der Restaurierung und die Unterschutzstellung in einem Atemzug nennen, ist dieser Fehler leicht erklärbar (vgl. WeiachBlog vom 5. Juni 2006).

«Renovation Aussenfassade, Zifferblätter & Zeiger 1996/97». Das ist teilweise richtig. Der Abschluss der Arbeiten erfolgte im Herbst 1997. Die Problemanalyse (Feuchtigkeitsschäden und Versalzen der Mauern) hingegen bereits im Sommer 1995.

Die Freude an der Tafel soll durch das Obige nicht geschmälert sein. Entgegen den Unkenrufen im WeiachBlog-Beitrag vom 26. Januar 2006 ist sie nämlich erfreulicherweise auch für Zeitgenossen lesbar, die nicht mit modernster Technologie bewaffnet sind.

Montag, 9. Oktober 2006

Nasser Zehnten lastete bis 1878 auf den Rebbergen

Vor einigen Wochen hat man bei den hiesigen Reben die ersten Öchsle-Messungen gemacht und für die Jahreszeit rekordhohe Werte festgestellt. Das liess auf einen guten Jahrgang mit zuckersüssen Beeren hoffen. Möge es in diesen Tagen gelingen, eine gute Ernte einzubringen.

Heute lebt nur noch ein Rebbauunternehmer aus dem Rafzerfeld von den Weinstöcken. Noch vor wenigen Jahrzehnten war das in Weiach noch anders - und der Rebbau ein ernstzunehmender Nebenerwerbszweig. Davon zeugt indirekt das folgende im Bülach-Dielsdorfer Volksfreund (heute: Neues Bülacher Tagblatt) abgedruckte amtliche Inserat:

«Die Weinzehntenkorporation Weiach sucht um Bewilligung zur Löschung des Weinzehntens nach. Zu diesem Behufe werden allfällig noch nicht befriedigte Ansprecher solcher Berechtigungen aufgefordert, binnen 6 Monaten von heute an in der Kanzlei des unterzeichneten Gerichtes sich zu melden und ihre Ansprüche geltend zu machen, widrigenfalls die Notariatskanzlei zur Löschung der in den Grundprotokollen eingetragenen Weinzehntenverpflichtungen ermächtigt würde.

Dielsdorf, den 8. September 1877
Im Namen des Bezirksgerichtes:
Der Gerichtsschreiber:
Meier.
»

Erstaunlich, wie lange sich dieses Relikt aus dem Mittelalter halten konnte. Andere Zehntenlasten wurden nämlich bereits Jahrzehnte früher abgelöst. War dieser späte Zeitpunkt der starken Zersplitterung des Rebbesitzes geschuldet?

Quelle
  • Vermischte Anzeigen. In: Bülach-Dielsdorfer Volksfreund Nr. 73, 15. September 1877 - S. 3.

Sonntag, 8. Oktober 2006

Will Avenir Suisse die Gemeindeautonomie abmurksen?

Die Debatte zwischen Anhängern des Zentralstaates und denen des Föderalismus bis auf Gemeindeebene ist so alt wie die Wurzeln der Schweiz als moderner Staat. Nämlich mindestens 200 Jahre.

In der Helvetik führte der mit Waffen geführte Streit von Unitariern und Föderalisten schliesslich dazu, dass Napoleon das Experiment abbrechen liess und 1803 die Mediationsakte diktierte.

Kantönligeist-Schelte und Gegenschelte

Auch heutzutage sind die altbekannten Fronten immer wieder festzustellen. Seitens der Gegner des Kantönligeists und der «ausufernden» Demokratie fechten die think tanks des Finanzkapitals, unter anderen Avenir Suisse.

Deren Direktor Thomas Held erhielt in der Weltwoche vom 5. Oktober eine Plattform für seine neoliberalen Ideen. Die sind bei der breiten Bevölkerung offenbar nicht auf das erhoffte Echo gestossen.

Und erst recht nicht bei Kommentatoren wie Frank A. Meyer, der heute im SonntagsBlick Spott und Häme über «ultraliberale Manager und Milliardäre» ausgiesst, die uns in den vergangenen Jahren, u.a. mit dem «Weissbuch» vorgerechnet hätten, «die Schweiz entgehe dem Untergang nur durch massiven Abbau des Sozialstaates».

Bürger zuwenig wachstumskompatibel?

Markus Schneider (selber einer der Autoren obgenannten Weissbuchs) über ein Gespräch mit Thomas Held:

«Was würde er heute anders machen, wenn er die ganze Wachstumsdebatte nochmals von vorn beginnen könnte?

Thomas Held denkt nach. Er würde nicht so stark die Politik angreifen, sondern auf die Zielgruppen zugehen und dabei den aufklärerischen Aspekt ins Zentrum stellen. Er würde fragen: «Was bedeutet Wachstum? Warum ist Wachstum gut? Warum braucht es Wettbewerb? Warum nützt es der Gesellschaft als Ganzes, wenn einzelne Gruppen im Moment etwas verlieren?» Ja, er würde versuchen, auf populäre Art und Weise Antworten zu geben. «Aber thematisch würde ich gar nichts ändern.»

Und studiert Thomas Held die Zeitungen, dann fühlt er sich erst bestätigt. Gerade heute sind ihm in der NZZ zwei Meldungen aufgefallen:

– Die Elektra Birseck Münchenstein BL, ein Strommonopolist, hat sich als Kabel-TV-Betreiber versucht und fünf Millionen Verlust eingefahren; neu engagiert die Elektra Birseck auch Gärtner, Maurer, Maler, hat sogar drei Handwerksbetriebe hinzugekauft und preist sich nun an als Sanierer von «ganzen Badezimmern», zu vermutlich nicht ganz kostendeckenden Preisen. Ist solcherlei Quersubventionierung Staatsaufgabe?

– Die Gemeinde Stadel ZH lehnt den Bau von Hindernisbefeuerungen (sichtbare Masten im Wald) für den Flugverkehr auf ihrem Gemeindegebiet vorläufig ab, wie zuvor die Gemeinde Weiach ZH. Allerdings sei die Gemeinde Stadel zu Verhandlungen bereit. Gefordert werden verbindliche Regeln im künftigen Betriebsreglement, Mitsprachemöglichkeiten bei An- und Abflugverfahren und finanzielle Entschädigungen. Erlaubt solcherlei Gemeindeautonomie eine nationale Flughafenpolitik? «Ein klassisches Politikversagen», urteilt Thomas Held.
»

Das Interview wurde offensichtlich am 7. September 2006 geführt. Held nimmt nämlich Bezug auf den Artikel «Stadel lehnt neue Befeuerung für Nordanflug vorläufig ab.» (vgl. Kommentar zum WeiachBlog vom 6. September)

Politikversagen? Ah ja?

Worin genau besteht denn nun das Versagen der Politik, Herr Held?

Darin, dass die UNIQUE einen Versuchsballon hat steigen lassen und negative Reaktionen aus den betroffenen Gemeinden kommen?

Darin, dass Regierungsrätin Rita Fuhrer es genauso wenig wie ihr Vorgänger Ruedi Jeker geschafft hat, die Zürcher von Nutz und Frommen unbegrenzten Fluglärms zu überzeugen?

Darin, dass wir im Unterland trotz Schalmeienklängen nicht bereit sind, in vorauseilendem Gehorsam das zu beschliessen, was die Vordenker von Avenir Suisse gerne hätten? Nämlich ohne langes Nachdenken Ja und Amen zu allem zu sagen, was die Weisen aus dem Wirtschaftsland uns als Heilsbotschaft auftischen?

Oder will man bei Avenir Suisse damit gar zum Ausdruck bringen, die Gemeindeautonomie gehe zu weit und gehöre abgeschafft?

Fragen über Fragen. Vielleicht bekommt man ja auch einmal Antworten.

Herr Held möge bitte seinem aufklärerischen Anspruch gerecht werden. Sonst kann man sein Gejammer über angebliches «Politikversagen» schlicht nicht ernst nehmen.

Quellen

Samstag, 7. Oktober 2006

Der SBB-Wartsaal als Umkleideraum

Vor bald einem Monat fand im Zürcher Unterland bekanntlich eine nationale OL-Meisterschaft statt (WeiachBlog brachte am 6. Januar eine Vorschau).

Dieser Sportanlass berührte am 10. September unser Gemeindegebiet nur am Rande - in den Waldgebieten. Vor genau 50 Jahren hingegen war Weiach Dreh- und Angelpunkt für Tausende von jungen OL-Läufern.

Diese Erkenntnis verdanken wir - wie so Vieles aus der Zeit vor einem halben Jahrhundert - der Jahreschronik von Walter Zollinger. Unter dem Kapitel «Aus dem Leben der Gemeinde» schreibt er im Abschnitt «d. Vereine und Genossenschaften»:

«Unter dieser Rubrik darf wohl auch noch, obwohl der T.V. bei der eigentlichen Durchführung nicht viel zu helfen hatte, der "Zürcher Orientierungslauf" erwähnt werden. Er fand am 7. Oktober bei scheusslichem Regenwetter statt. Ausgangspunkt war Weiach; der Lauf selber führte die verschiedenen Jungmannschaften ins Gelände des Sanzenberg, Haggenberg und Stadlerberg. Rund 7'800 Jugendliche, Mädchen und Burschen, beteiligten sich trotz des äusserst ungünstigen Wetters daran. Schulhaus, Dreschhaus, Wartsaal SBB mussten als Umkleideräume zur Verfügung gestellt werden.»

Da haben wir ja heute wettermässig Glück gehabt.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1956 – S. 13-14 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1956)

Mittwoch, 4. Oktober 2006

Mit dem Segen des Handwerkers

«Gott erhalte dise Kirchen u. Thurm in beständigem wolstand u. behüte sie vor allem schaden bis an das end der welt. Amen»

Diesen Segen gab der Pfarrer von Weyach, Hans Heinrich Brennwald, am 9. August 1706 der neuen Kirche mit in den Kirchturmknopf.

Ein halbes Jahrhundert später wünschte auch einer der Handwerker unter dem Motto «Solly deo glorya» dem von ihm gerade reparierten Bauwerk nur das Beste:

«Es segne aber Gott der himmlische Vater dise Kilchen sambt dem Thurm, die liebe Christenheit vor Führ, Wasser-Noth, Thüre, Krieg und bestilentz. So lang der Thurm hie steht [...] wünsch Ich von Gottes gnad und seinem reichen Segen die Ihr jetz kommet her Euch [...] gut Glük und Sicherheit dis [...]

Seit höflich von mir gegrüst, die ihr das werdet lesen

Heinrich Volkhart Mahler von Nöschikon.
»

Die Auslassungen mit [...] bezeichnen unleserliche Passagen, die in der verwendeten Transkription als Leerstellen erscheinen.

Quelle
  • Kirchturmdokument N° 4 von 1763 (s.d., nach August 30), verfasst von Maurer & Mahler Heinrich Volkart von Nöschikon. Transkription nach: Zollinger, W.: Chronik der Kirchenrenovation Weiach. 1963-1970. Handschrift, Archiv des Ortsmuseums Weiach - S. 46.

Dienstag, 3. Oktober 2006

Requiem auf ein Bauernhaus, 1822-2006

Es war ein amtlich angekündigter Tod. Seit dem Eintrag im Amtsblatt des Kantons Zürich waren die Tage eines charakteristischen Zeugen bäuerlicher Baukultur aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts gezählt.

«8187 Weiach. Gasser & Partner Architekten AG, Sonneggweg 5, 8180 Bülach: Abbruch Wohnhaus mit Scheune, Vers.-Nr. 320 mit Ersatzbau Reihen-EFH und Neubau MFH, AV-Kat.-Nr. 288, Winkelstrasse 2 (Kernzone A, KA).»
Bild: Ausschnitt aus der letzten Zeichnung von Hans Rutschmann, September 2006 (zum Vergrössern anklicken).

Kernzoniger geht es gar nicht. Deshalb wurden den Bauherren auch Auflagen gemacht, was das äussere Erscheinungsbild der neuen Häuser anbelangt: die Fassade des vorderen Hauses soll ähnlich aussehen wie einst und auch die Eichenbalken sollten wiederverwendet werden.

Bild: Aufnahme WeiachBlog vom 1. Oktober 2006, dem Kirchenjubiläumstag. Die traurigen Reste von 176 Jahren Weiacher Geschichte (zum Vergrössern anklicken).

Dieses Gebäude stand mitten im alten Dorfzentrum an der Verzweigung Oberdorfstrasse-Winkelstrasse, einem vom Ortsbild her sensitiven Gebiet. Seit gestern steht kein einziger Balken mehr auf dem anderen.

Es ist immer wieder erschreckend, wie schnell eindreiviertel Jahrhunderte für immer aus dem Dorfbild getilgt werden können. «Memento mori» - daran erinnern uns auch die Schicksale unserer Behausungen.

Quellen

  • Amtsblatt des Kantons Zürich, Nr. 27 vom 8.7.2005 - 027/152560
  • Rutschmann, H.: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2006, Titelbild

Montag, 2. Oktober 2006

Güllenloch gegraben und Skelette gefunden

Die Hinweise auf den Standort des alten Friedhofs von Weiach verdichten sich. Schon bisher war bekannt, dass er sich im Geviert zwischen Alter Poststrasse, Oberdorfstrasse, Querstrasse und Stadlerstrasse befinden muss (vgl. WeiachBlog vom 11. Februar 2006 zum Haus Bianchi).


(für grösseres Bild anklicken)

Zwischen altem Waschhaus...

Walter Zollinger setzte in der ersten Weiacher Ortsgeschichte (publiziert 1972) das Waschhaus im Oberdorf als Referenzpunkt für den Standort der alten Kirche (und damit des Kirchhofs, der zumeist als Friedhof genutzt wurde). Dieses Häuschen ist im Besitz der Gemeinde und wird heute als Altölsammelstelle genutzt. Es trägt die Assekuranznummer 278 und stammt gemäss Datenbank der Gebäudeversicherung des Kantons Zürich aus dem Jahre 1783.

...und Zeindlers Güllenloch

Gestern machte alt Gemeindepräsident Ernst Baumgartner-Brennwald auf ein weiteres Mosaikteilchen aufmerksam. Als die Familie Zeindler ein Güllenloch erstellt habe, seien bei den Erdarbeiten ganze Reihen von Skeletten zum Vorschein gekommen.

Da dieses Loch zwischen den Liegenschaften Oberdorfstrasse 22 und Stadlerstrasse 21 gelegen ist, dürfte sich dort auch ein Teil des alten Friedhofs befunden haben, der wohl zur Zeit der Reformation, d.h. nach 1519, angelegt und 1706 aufgehoben und an den heutigen Platz verlegt wurde.

Längst verstorbene Einwohner, so z.B. Luise Liebert, die letzte Besitzerin des heutigen Ortsmuseums, haben Walter Zollinger erzählt, in der Nähe des Gemeindewaschhauses im Oberdorf hätten Buben Knochen gefunden.

Dass weder der eine noch der andere Fund die Kriminaltechniker der Polizei auf den Plan rief, dürfte auch damit zusammenhängen, dass der Standort des alten Friedhof bei den Hiesigen allgemein bekannt war.

Die Mesmer wohnten in der Nähe...

Auch Übernamen stützen diese These. Weil die Sigristenfamilie traditionell in unmittelbarer Nähe der Kirche wohnte, sind auch die Zunamen der seit alters her in den umliegenden Häusern wohnhaften Familien von grossem Interesse. Sie trugen häufig den sprechenden Bestandteil Mesmer. So zum Beispiel s'Mesmerjokebe, s'Mesmer Alberte (wohnhaft Oberdorfstrasse 22) und s'Mesmer Hans (wohnhaft Oberdorfstrasse 26).

Quellen
  • «Dossier Zollinger»; nach neueren Erkenntnissen: Ortsgeschichte-Ordner von Adolf Pfister (1936-1942 in Weiach), weitergeführt von Walter Zollinger. Archiv des Ortsmuseums Weiach, ohne Signatur.
  • Zollinger, W.: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). 1. Aufl. 1972; 2. ergänzte Aufl. 1984.
  • Gebäudenummernkonkordanz der Gemeinde Weiach: 1812–1895–1955–1992. Elektronisches Spreadsheet, Weiach 2002-2005.
  • Persönliches Gespräch mit Ernst Baumgartner-Brennwald, 2. Oktober 2006.

Sonntag, 1. Oktober 2006

Die ersten Tage der neuen Orgel

Eigentlich war die Gesamtrestauration der Kirche Weiach bereits 1968 abgeschlossen. Der Einrichtungsstand des Gotteshauses war wieder ähnlich wie zur Bauzeit, 250 Jahre früher.

Für heutige Gottesdienste fehlte aber noch ein wichtiges Element: die Orgel. Erst im Spätsommer 1969 lieferte die (heute nicht mehr bestehende vgl. den Kommentar am Schluss des Beitrags) Firma Neidhart & Lhôte aus St-Martin, Kanton Neuenburg, das neue Instrument aus.

Walter Zollinger vermerkt zu den ersten Tagen der heutigen Orgel:

«25. Aug.: Nun erfolgt noch die hoffentlich letzte Etappe, die Orgel wird auf die Empore gestellt & installiert; Beginn letzte Augustwoche.

12. Sept.: Bereits wird mit dem Stimmen der Orgel begonnen, sodass im Laufe des nächsten Monats wohl die Einweihung derselben stattfinden kann.

26. Okt.: Es ist soweit, die Orgel ist fertig & kann nun der Kirchgemeinde, als letzte Etappe in der gesamten Kirchenrenovation, übergeben werden.
»

Zwei Monate ist eine durchaus übliche Zeitspanne für das Einrichten einer neuen Orgel.

Mit dem «Stimmen» ist das so genannte Intonieren gemeint, die erste Einstellung des Instruments, samt Abstimmung der Register aufeinander und auf den Raum in dem die Orgel steht. Das später periodisch nötige Stimmen ist dann nur noch eine Feinjustierung dieser ersten Arbeit. Intonieren können nur erfahrene Orgelbauer.

Klassisches Konzert zur Einweihung

Auf Seite 17 ist das Programm dieser Einweihung eingeklebt - ein gedrucktes Faltblatt.

Dem Gottesdienst am Morgen (an der Orgel: Walter Harlacher) folgte am Nachmittag ein eigentliches Konzert. Ausführende waren: Hans Suter am Bass, das Kammerorchester Kobelt sowie Jakob Kobelt an der Orgel.

Gespielt wurden Werke von Dietrich Buxtehude, Johann Pachelbel, Girolamo Frescobaldi, Arcangelo Corelli, Domenico Zipoli, Johann Sebastian Bach (u.a. die Tripelfuge in Es-Dur) sowie Georg Friedrich Händel.

Quelle

Zollinger, W.: Chronik der Kirchenrenovation Weiach. Handschrift, Archiv des Ortsmuseums Weiach. Weiach 1963-1970 - S. 16-17.

Korrektur vom 16. Oktober 2018

Die Firma Neidhart & Lhôte wurde 1963 gegründet und bei der Pensionierung Neidharts im Jahre 1982 an drei seiner Angestellten verkauft. Diese führten das Unternehmen unter der Bezeichnung «Manufactures d'orgues St.-Martin S.A.» weiter. (Eintragung im Registre du Commerce du Canton de Neuchâtel am 15. Juni 1982)

Vgl. http://www.orgues-et-vitraux.ch/default.asp/2-0-92-11-6-1/
bzw. https://metiersdart.ch/fr_CH/metiers-d-art/repertoire-artisan/jacques-andre-jeanneret-alain-aeschlimann-et
sowie den Wikipedia-Beitrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Manufacture_d%E2%80%99orgues_St.-Martin