Sonntag, 29. April 2012

Bei Besetzung Wirtshaus eingeäschert

Kaiserstuhl wurde nicht nur 1712 im Zweiten Villmergerkrieg von Zürcher Truppen besetzt (vgl. dazu den Beitrag von gestern). Auch im Ersten Villmergerkrieg 1655/56 mussten die Kaiserstuhler eine Besetzung durch die Zürcher erdulden.

In diesem Schlagabtausch zwischen Reformierten und Katholiken ging es allerdings nicht so glimpflich aus für die Kaiserstuhler. Wie man dem Artikel «Kaiserstuhl» in Meyers Konversations-Lexikon von 1888 (Bd. 9, S. 370) entnehmen kann, wurde «Kaiserstuhl zu Beginn des ersten Villmergerkrieges (1655) von den Zürchern erobert, wobei verschiedene Gewalttaten vorkamen».

Das Wirtshaus muss daran glauben

Eine dieser Gewalttaten war die Brandstiftung an einem Wirtshaus vor den Toren der Stadt. Der Weiacher Pfarrer Hans Rudolf Erny schrieb im ältesten erhalten gebliebenen Weiacher «Kirchturmdokument» von 1659: «Als die Eivangirlischen ort wider die babisten loss gezogen», sei «ein schön wirtz huss vor Keiserstuhl gestanden, ist im sälbigen innemen verbrännt worden.»

Im Artikel Weiacher Geschichte(n) Nr. 70 wird angenommen, bei diesem Wirtshaus habe es sich um den heutigen Gasthof «Zum Weissen Kreuz» zwischen Bahnlinie und Hauptstrasse gehandelt.

Auch das Schultheissenhaus wird ein Raub der Flammen

Dass neben dem von Pfr. Erny erwähnten Wirtshaus auch noch weitere Gebäude den Flammen zum Opfer fielen, kann man einem Artikel von 1917 über das Haus zur Linde (zwischen Stadtmauer und Bahnlinie gelegen) entnehmen. Autor Alexander von Senger schreibt da:

«Auf den Ruinen der Burgbauten [vor den Stadttoren] wurde 1533 vom Stadtschultheißen Ergli [gemeint: Erzli] ein Haus auf der Stelle des heutigen Hauses Linde erbaut. Das Haus wurde 1655 von einer Zürcher Kompanie zu Anfang des ersten Vilmerger Krieges eingeäschert.

Von 1763-1767 wurde aus den Ruinen des alten Schultheißenhauses das hier beschriebene
[und heute noch stehende] Haus Linde erbaut. Die Baukosten betrugen 90,000 alte Gulden [Fn-1].

Der Bauherr war der gestrenge Herr Mauricius Buoll, Statthalter von Kaiserstuhl. Das Haus wurde genau an der Stelle des alten Schultheißenhauses, zwischen der Ringmauer und der uralten Linde (1888 gefällt) aufgebaut.
»

Bemerkenswert ist, dass es mehr als ein Jahrhundert dauerte, bis auf dem von den Zürchern 1655 verheerten Platz unmittelbar beim grossen Turm wieder gebaut wurde.

Mord an einer Linde

Die oben erwähnte Fussnote 1 erläutert das Schicksal dieses Baumes. Seine Existenz wurde ebenfalls durch ein Feuer frühzeitig beendet: «Die alte Linde befand sich südlich vom Hause, nördlich vom Pfarrgarten (früher Konventgarten). Die Linde und der Pfarrgarten befanden sich innerhalb des heute zum Hause gehörenden Gartens. In den 80er Jahren ließ der Pfarrer von Schuljungen unter der Linde ein Feuer machen, angeblich weil sie seinen Garten verschattete. Der Baum verdorrte und mußte umgehauen werden, er war fast 4 m im Durchmesser gewesen und bis zur Verbrennung noch völlig gesund.»

Quellen
  • Turmdokument von 1659 verfasst von Pfr. Hs. Rudolf Erny, zitiert nach: Brandenberger U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Dritte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Weiach, 2003 – S. 31. (vgl. die Zitate in Weiacher Geschichte(n) Nr. 70 – Gesamtausgabe, S. 226, sowie Weiacher Geschichte(n) Nr. 56 – Gesamtausgabe, S. 152).
  • von Senger, Alexander: Haus Linde - ein aargauischer Herrensitz aus dem 18. Jahrhundert. In: Das Werk. Schweizerische Zeitschrift für Baukunst, Gewerbe, Malerei und Plastik, Band 4, Heft 12 Dezbr. 1917, S. 194-195.
  • Brandenberger, U.: 750 Jahre Nachbarschaft. Aus der gemeinsamen Geschichte von Kaiserstuhl und Weiach, 1255-2005. Weiacher Geschichte(n) Nr. 70 - S. 226

Samstag, 28. April 2012

Kaiserstuhl von den Zürchern besetzt!

Heute vor 300 Jahren waren Weiach und seine Umgebung Schauplatz einer der ersten militärischen Aktionen des Toggenburgerkrieges (nach der Entscheidungsschlacht auch Zweiter Villmergerkrieg genannt), der vom 12. April bis 11. August 1712 dauerte. Rund zwei Wochen nach der Kriegserklärung von Bern und Zürich an die Innerschweizer Kantone Luzern, Zug, Uri, Schwyz und Unterwalden trafen die Kriegsparteien im Norden der damaligen Grafschaft Baden bereits mit militärischen Mitteln aufeinander.

Schnelle Besetzung der Grenzstadt Kaiserstuhl

Darüber, was sich am 28. April 1712 vor den Toren des Städtchens Kaiserstuhl abspielte, berichtet Godefroy de Charrière in seinem 58-seitigen Werk «L'armée zuricoise dans la guerre du Toggenbourg: appendice à "La campagne de 1712"» aus dem Jahre 1868:

«Vers la même époque les cantons catholiques subirent un autre échec. Le commandant Hirzel, commandant du corps concentré autour de Regensberg, se porta, le 28 avril, sur Weyach, d'où il fit sommer la ville de Kaiserstuhl, défendue par le capitaine Imfeld d'Unterwalden. Ce dernier chercha à gagner du temps en négociant. Mais on fit avancer le matériel de siège et commencer les préparatifs du bombardement. Kaiserstuhl se rendit alors et fut occupée par une garnison placée sous les ordres du major Meier de Knonau. Le même jour, Zurzach qui était commandée par le capitaine Fr.-Louis de Reding-Biberegg, se rendit sans résistance et le lendemain, 29 avril, Klingnau ouvrit de même ses portes et reçut une garnison commandée par un officier bernois». (de Charrière, S. 22)

Der Kommandant der Zürcher Truppen im Bereich des heutigen Zürcher Unterlandes forderte also den Unterwaldner Hauptmann Imfeld auf, die Stadt Kaiserstuhl zu übergeben. Dieser versuchte mit Verhandlungen auf Zeit zu spielen. Als die Zürcher aber das Belagerungsmaterial in Stellung brachten und mit den Vorbereitungen zum Bombardement begannen ergab sich Kaiserstuhl und wurde durch eine Zürcher Garnison unter dem Kommando eines Major Meyer von Knonau besetzt. Ähnliches spielte sich wohl auch in Zurzach und Klingnau ab. Damit hatte die reformierte Koalition den Norden der Grafschaft unter Kontrolle.

Der Fürstbischof wollte Kaiserstuhl aus dem Krieg heraushalten

Nun war Kaiserstuhl allerdings von seiner rechtlichen Zugehörigkeit her mit der Niedergerichtsbarkeit auch eine Besitzung des Fürstbischofs von Konstanz, der über diesen Handstreich gar nicht erfreut war. Dies erläutert Otto Mittler 1943 in seiner Schrift Geschichte der Stadt Klingnau 1239-1939 (Argovia Bd. 55):

«Wegen eines Streites zwischen dem Abt von St. Gallen und seinen durch Zürich und Bern unterstützten Untertanen im Toggenburg prallten die konfessionellen Gegensätze 1712 im zweiten Villmergerkrieg neuerdings zusammen. Es war der letzte und zugleich blutigste der schweizerischen Religionskämpfe. Bern und Zürich drängten mit überlegener Macht und Strategie die viel schwächern Kräfte der katholischen Orte bald in eine hoffnungslose Lage.

Wohl suchten diese durch Besetzung der Grafschaft Baden die Verbindung der beiden reformierten Stände zu durchschneiden. Die Mannschaften von Würenlingen, Tegerfelden und Endingen wurden aufgeboten, in aller Eile bei Stilli an der Aare gegen die Berner Schanzen aufzuwerfen. Der Bischof von Konstanz versicherte am 16. April den Zürchern, er habe seinen Untertanen auf Schweizerboden Befehl gegeben, bei einem allfälligen Kriege stille zu sitzen, d.h. neutral zu sein. Er gab der Erwartung Ausdruck, daß auch im Kriegsfall die Angehörigen des Konstanzer Domstifts unangefochten blieben. Die Ereignisse schritten aber sehr rasch über diese Vorbehalte hinweg.
» [Fn-18]

(Fn-18: «1695 war wegen der Bildung einer kleinen katholischen Gruppe in der reformierten, zur Landvogtei Sargans gehörenden Gemeinde Wartau ein Konflikt ausgebrochen. Damals berieten die Kriegsräte der V innern Orte über einen Offensivplan gegen Zürich und Bern sowie über die Besetzung der Grafschaft Baden, wobei nach Kaiserstuhl 200 Mann aus der Grafschaft unter einem Unterwaldner Hauptmann gelegt werden sollten, während Klingnau durch 200 Bürger und Zuzüger von Leuggern und Zurzach zu verteidigen war. E.A. VI. 2b, 560.»)

Ob die Innerschweizer Garnison im April 1712 aus 200 Mann bestand, ist mir nicht bekannt. Immerhin war aber getreu den Beschlüssen von 1695 ein Unterwaldner Kommandant der Garnison.

Reformierte befürchten habsburgische Intervention

«Zürich und Bern war an einer raschen Vereinigung ihrer Truppen wegen der militärischen Operationen gegen den Abt von St. Gallen viel gelegen. Die zürcherischen Hauptleute in Weiach und Niederweningen berichteten, daß von deutscher Seite die Absicht bestünde, die bischöflichen Grenzorte, vorab Kaiserstuhl und Meersburg sowie andere Gebiete, zu besetzen. Sie ihrerseits erklärten, man sollte unverzüglich eigene Truppen nach Kaiserstuhl und Klingnau, ebenso ins Dorf und Kloster Wettingen legen.»

Diese Gerüchte hatten ihre Ursache in den diplomatischen Aktivitäten des Fürstabts von St. Gallen, der schon 1702 ein Schirmbündnis mit Kaiser Leopold I. von Habsburg abgeschlossen und von diesem 1706 sogar die Investitur als Reichsfürst empfangen hatte (vgl. vierten Absatz zur Vorgeschichte im Wikipedia-Artikel). Deshalb befürchtete man eine Intervention aus dem deutschen Gebiet. Diese Befürchtungen erklären auch, weshalb der Fürstbischof von Konstanz bereits wenige Stunden nach der Kriegserklärung mitteilte, er habe seine Untertanen in der Grafschaft Baden zur Neutralität verpflichtet. Trotzdem holten die Reformierten zum Präventivschlag aus:

«Am 23. April überschritt Oberst Hackbrett mit 2000 Bernern die Aare bei Stilli und vereinigte sich mit den Zürchern bei Niederweningen und Regensberg. Drei Tage später wurde Kaiserstuhl durch die Zürcher, am 28. April Klingnau durch die Berner unter Oberstlieutenant Samuel Tscharner besetzt. Der förmlichen Übergabe der Stadt durch den Rat folgte einige Tage später die Huldigung der Bürgerschaft.» [Fn-19]

(Fn-19:  «Über die Vorgänge unterrichtet besonders einläßlich der mehrere tausend Stücke umfassende Aktenbestand des Zürcher Staatsarchivs A 236, der in 24 voluminösen Mappen das gefamte, den Toggenburger Krieg betreffende Material chronologisch enthält.[...]»).

Interessanterweise sind sich Mittler (26. April) und de Charrière (28. April) bezüglich des genauen Zeitpunktes der Besetzung von Kaiserstuhl nicht einig. Mittler erwähnt auch nichts von Zurzach.

Besetzung mit Samthandschuhen

Die Besetzung verlief in jeder Hinsicht glimpflich. Die Okkupationsbehörden hatten wohl damals schon den festen Willen, die Grafschaft Baden nach Abschluß des Krieges, dessen Ausgang für sie keinem Zweifel unterlag, ganz an sich zu ziehen. Deshalb wäre es sinnlos gewesen, das Einvernehmen mit der Bevölkerung der besetzten Ortschaften durch rigorose Strenge zu trüben. Die Klagschriften des Bischofs gegen die Okkupation wissen darum wenig oder nichts von Gewalttaten in Klingnau und Kaiserstuhl anzuführen. Die Verzeichnisse von Kontributionen und Proviantlieferungen gehen nicht über das hinaus, was die Stadt im ersten Villmerger Krieg hatte leisten müssen. Die Berner Mannschaften scheinen die Verpflegung selbst besorgt oder dann bezahlt zu haben. So gestattete der Kommandant Tscharner am 10. Mai dem Seckelmeister Hans Georg Schliniger, den Truppen Speise und Trank zu verabfolgen, da die Wirtshäuser der Stadt dem Bedarf doch nicht zu genügen vermöchten.»

Ähnlich wie in Klingnau dürfte es auch in Kaiserstuhl gewesen sein, eine Annahme, die aber anhand der Quellen noch überprüft werden müsste.

Worum ging es in diesem Krieg überhaupt?

Die Historische Gesellschaft des Kantons Aargau organisiert am Samstag, 2. Juni 2012, 9.00 bis 18.00 Uhr eine Tagung zum Thema Der Zweite Villmergerkrieg im Aargau: Schauplätze und Hintergründe und schreibt dazu:

«2012 jähren sich die kriegerischen Ereignisse vom Sommer 1712. Deren Beurteilung ist bis heute kontrovers. War es in erster Linie eine konfessionelle Auseinandersetzung in der Tradition von Kappel, war es der alte Konflikt zwischen Städten und Länderorten oder nicht vielmehr ein Kampf um die Vormacht in der Eidgenossenschaft, der in den Gemeinen Herrschaften – im allen gehörenden «Niemandsland» – ausgetragen wurde? Sicher ist, dass es eine der blutigsten Auseinandersetzungen war, die in der heutigen Schweiz stattgefunden hat. Wir möchten deshalb unter kundiger Leitung einige der aargauischen Schauplätze dieser Auseinandersetzung aufsuchen und uns neben militärhistorischen Aspekten insbesondere der Frage nach den Auswirkungen des Zweiten Villmergerkriegs auf die Grafschaft Baden und die Freien Ämter und deren Bevölkerung widmen.»

Quellen

Freitag, 27. April 2012

Ein Werbevideo für die Gemeinde Weiach

Die Gemeinde Weiach will bekanntlich neue Einwohner anlocken. In den Quartierplangebieten ist Platz für viele Neubauwohnungen und die Schülerzahlen von Kindergarten und Primarschule lassen eine Blutauffrischung angeraten sein.

Fünfminütiger Bilderbogen

Anlocken. Wie geht das? Durch Werbung oder genauer: Standortmarketing. Indem man Weiachs Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Gemeinden hervorhebt. Und nicht nur auf den immer wieder zitierten tiefen Steuerfuss verweist. Familien wollen mehr als das. Auch auf diese Zielgruppe ist das auf der Plattform http://www.gate24.ch/ im März 2012 veröffentlichte Video (von Google am 30. März erfasst) gerichtet:



Der rund fünfminütige Film zeigt einen farbenfrohen Bilderbogen an aktuellen Filmaufnahmen, die Weiach im besten Lichte zeigen sollen. Begrüsst wird der Zuschauer vom amtierenden Gemeindepräsidenten persönlich (er spricht Dialekt), dann folgt ein Videorundgang, aus dem Off begleitet von einem Profi-Sprecher (hochdeutsch).

Was die Sprecher sagen: der Kommentar zum Bild

Nachfolgend der volle Wortlaut mit Anfangszeiten in eckigen Klammern:

[00:14] «Herzlich willkomme i de Gmeind Weyach. Weyach isch mit tusig Iiwohner e typischi Landgmeind und liit im schöne Züri-Underland.

Speziell angaschiere mer eus im Berich Jugend, Familie, Alter und Schport für en lebändige und aktive Zämähalt, so dass sich alli Bewohner bi eus dörfed wohlfühle.

Begleited Sie eus doch jetzt uf dem Rundgang und lönd Sie sich vo de Schönheite vo eusem Dorf beiidrucke.
»

[00:53] «Weiach im Zürcher Unterland ist die nördlichste Gemeinde des Bezirkes Dielsdorf. Die Gemeinde Weiach zählt knapp 1'000 Einwohner. Der ländliche Charakter mit viel natürlichem Erholungsraum zeichnet die Gemeinde aus.»

[01:14] «Weiach verfügt über einen eigenen Kindergarten und eine eigene Primarschule. Die Oberstufenschule wird in der Nachbargemeinde Stadel zusammen mit den Gemeinden Bachs, Neerach und Stadel geführt.»

[01:31] «Mit dem Auto ist der Flughafen Kloten in 20, die Zürcher City in 30 Minuten erreichbar. Ausserdem ist Weiach durch die Busverbindung nach Bülach mit SBB-Anschlüssen in Richtung Zürich, Winterthur und Schaffhausen mit öffentlichem verkehr zweckmässig erschlossen.»

[02:02] «Der VOLG-Dorfladen bietet ein umfangreiches Sortiment an Frischprodukten und Waren für den täglichen Bedarf. Zahlreiche kleine und mittlere Gewerbebetriebe in verschiedensten Branchen decken einen grossen Teil der nachgefragten Dienstleistungen ab und sind im Gewerbeverein organisiert.»

[02:27] «Seit 1962 wird in Weiach Kies abgebaut. Dieser wichtige Industriebetrieb trägt heute massgeblich zur stabilen Finanzlage und dem attraktiven Steuerfuss der Gemeinde bei.»

[02:39] «Erstmals wurde Weiach 1271 urkundlich erwähnt. Das Gemeindehaus und das benachbarte Baumgartner-Jucker-Haus - zwei Riegelhäuser an der Stadlerstrasse - gehören zu den markanten öffentlichen Gebäuden im Dorfkern. Zwischen den Gebäuden liegt der 2008 in freiwilliger Arbeit durch Private erstellte Spielplatz.»

[03:08] «Die 1706 erbaute Kirche - das Wahrzeichen des Dorfes - bildet zusammen mit den umliegenden Gebäuden eine harmonische Baugruppe im Zentrum des Dorfes. Die Friedhoferweiterung bildet einen neuzeitlichen Kontrast zur denkmalgeschützten Baugruppe.»

[03:21] «Als Folge des Kiesabbaus sind ökologisch wertvolle Flächen entstanden. Ein Trockenwiesenstandort mit nationaler Bedeutung, wo an sonnig-heissen Sommertagen Temperaturen vergleichbar mit Arizona gemessen werden, das heisst weit über 40 Grad Celsius. Oder die ökologische Ausgleichsfläche für den Flughafenausbau. Dazu kommen noch zahlreiche kommunale Schutzprojekte und Schmetterlingförderungsprojekte.»

[04:11] «Weiach konnte sich seinen überwiegend ländlichen Charakter als Bauerndorf bis heute weitgehend bewahren. Pferdehaltung, Milchwirtschaft und Rebbau bereichern das ländliche Dorfbild.»

[04:26] «Der Rhein, der entlang der nördlichen Gemeindegrenze vorbeiströmt, markiert die Landesgrenze zu Deutschland, aber auch den tiefsten Punkt im Kanton Zürich - mit 332 Metern über Meer.»

[04:39] «Der "Leuechopf", ein Felsvorsprung über dem Dorf, bietet eine prächtige Fernsicht den Rhein abwärts und in den naheliegenden Südschwarzwald. Der Ort wird mit seinen heute noch erkennbaren Wallanlagen als frühere Fluchtburg gedeutet, in deren Schutz sich die Bevölkerung bei kriegerischen Angriffen zurückzog.»

Guter Ansatz, aber schlechter Abschluss

Leider bricht der Kommentar des Sprechers hier ab. Natürlich sollen vor allem die schönen Bilder wirken. Das tun sie auch. Trotzdem vergibt der Video eine Chance, zum Schluss einen Appell an den Zuschauer zu richten: Weiach einen Besuch abzustatten und sich zu überlegen, ob man dorthin ziehen will.

Es wäre auch gut, wenn man eine Adresse einblenden würde, wo man weitergehende Informationen erhält. Überhaupt: Informationen. Ein Impressum fehlt völlig. Wer den Video finanziert hat kann man sich noch zusammenreimen. Aber schon die Fragen, wann und von wem das Werk produziert wurde und wer der Sprecher aus dem Off ist, bleiben unbeantwortet.

Immerhin: Die Gemeinde hat sich endlich zusammengerauft etwas für ihr Image zu tun. Und klar gemacht, dass der (noch) relativ tiefe Steuerfuss nicht der einzige Pluspunkt ist.

[Veröffentlicht am 28. April 2012]

Donnerstag, 26. April 2012

Ordnungshüter gesucht

Über die neue kommunale Polizeiverordnung hat WeiachBlog bereits letztes Jahr ausführlich berichtet, vergleiche die Artikel Entwurf der neuen Weiacher Polizeiverordnung online (4. Mai 2011, Nr. 1003), Wildpinkeln und Spucken verboten – auch im Wald! (5. Mai 2011, Nr. 1004), Von der «guten policey» zur kommunalen Polizeiverordnung (6. Mai 2011, Nr. 1005), sowie Paintball auf öffentlichem Grund verboten (7. Mai 2011, Nr. 1006).

Mittlerweile ist die Verordnung von der Gemeindeversammlung abgesegnet worden. Zur Durchsetzung all dieser neuen Vorschriften sucht sich der Gemeinderat nun Unterstützung in Form eines kommunalen «Ordnungshüters» - das Wort «Polizist» wollte man offenbar nicht in den Mund nehmen.

In den Mitteilungen ausgeschrieben

In den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Augabe April 2012, war jedenfalls die folgende Stellenausschreibung abgedruckt:
«Per 01. Juni 2012 oder nach Vereinbarung wird einen Ordnungshüter / eine Ordnungshüterin gesucht, welche/r die Bestimmungen der neuen Polizeiverordnung sowie dem dazugehörenden Ordnungsbussenkatalog umsetzt und gegen Aussen vertritt. Bei Ordnungsverstössen sind Sie die Ansprechperson und klären die Situation vor Ort.

Ihr Profil:
- einwandfreier Leumund
- Durchsetzungsvermögen
- gesunder Menschenverstand
- gute Deutschkenntnisse
- wohnhaft in Weiach und in der Gemeinde verankert (von Vorteil, allerdings nicht zwingend)

Ihre Tätigkeit:
- Sie sind erste Ansprechperson bei Ordnungsverstössen.
- Sie rapportieren die Verstösse und haben die Kompetenz, gemeinderechtliche Ordnungsbussen auszusprechen.
- Sie arbeiten eng mit der Behörde zusammen.

Ihre Entschädigung:
- jährliche Warteentschädigung von CHF 300.00.
- jährliche Pauschalentschädigung von CHF 100.00 für die Erreichbarkeit /
Telefonentschädigung.
- Aufwandentschädigung gemäss Stundenrapport zum Gemeindestundenansatz (CHF 28.55).
» (MGW April 2012, S. 6)

Abgesehen von der grammatikalischen Unzulänglichkeit gleich im ersten Satz wirft auch das Anforderungsprofil Fragen auf: Bezieht sich die Klammerbemerkung «von Vorteil, allerdings nicht zwingend» nur auf die Verankerung in der Gemeinde oder auch auf den Wohnort selber?

Der Gemeinderat hat wohl geahnt, dass es nicht so einfach sein würde, jemanden mit dieser Ausprägung zu finden. Bislang hat sich anscheinend noch niemand gemeldet, wie man einem Artikel im «Zürcher Unterländer» (Wie ein Dorf seinen Ordnungshüter sucht) entnehmen kann:
«Und das nicht etwa, weil in Weiach niemand über gesunden Menschenverstand verfügte.». Je kleiner das Dorf, desto eher wird die Nähe zum Nachbarn und die vom Gemeinderat explizit geforderte Verankerung zum potentiellen Problem.

Nach Gesetzesbuchstabe oder lieber zwei Augen zudrücken?

Heikel ist der Job auf jeden Fall. Dass es der Gemeindepolizist nicht einfach hat, konnte man vor drei Wochen einer Story des Boulevardblattes BLICK entnehmen: «Zu fleissig! Polizist gefeuert» war da zu lesen. Der Gemeindepolizist von Oberdorf (Kanton Baselland) wurde vom Gemeinderat «per sofort freigestellt», weil «diverse Beschwerden bei der Gemeinde eingegangen» seien. Der Gekündigte wehrte sich, er «habe doch nur pflicht­bewusst seinen Job gemacht». Der Gemeindepräsident warf ihm in der «Basler Zeitung» Übereifer vor: «Wenn man mit Funkgerät und Klappmeter den Dienst antritt, ist das unverhältnismässig.»

Aufschlussreich sind auch die Kommentare auf BLICK online: «Die haben im Stellenbeschrieb wohl vergessen zu erwähnen dass man nicht alle im Dorf büssen darf, schreibt ein Leser aus Würenlos. Und einer aus Oberuzwil, doppelt nach. Das sei das Grundproblem jedes Gemeindepolizisten: «Wenn man einmal den falschen büsst, dann ist Feuer im Dach.». Leser aus Oberdorf selber sahen das anders: Ihr Polizist sei zu Recht entlassen worden. Er sei regelrecht auf die Jagd nach Verkehrs- und anderen Sündern gegangen und habe sich mit Pfefferspray, Schlagstock und Handschellen am Gürtel lächerlich gemacht.

Problem ist nicht neu

Dass es in früheren Jahrzehnten ebenfalls äusserst schwierig war, jemanden als Ordnungshüter zu gewinnen, kann man im Artikel Weiacher Geschichte(n) Nr. 110 nachlesen. Damals gab es noch eine Polizeistunde, der Nachachtung verschafft werden musste. Man kann sich vorstellen, was sich die Kontrolleure (die auch Anzeigen mit Bussenfolgen machen mussten) von Überhöcklern so alles anhören durften. Die Kontrollbeamten wechselten denn auch alle paar Monate, derart unbeliebt war dieses Amt.
Entscheidend ist und bleibt das Auftreten des Ordnungshüters. Da muss der Gemeinderat schon mithelfen und klar sagen wie er es haben will. Tenu, Ausrüstung und die gewünschte Art und Weise der Durchsetzung der kommunalen Polizeiverordnung und anderer Rechtsvorschriften müssen zusammen mit dem Stelleninhaber genau abgesprochen werden.

Ob man einen Wildpinkler, der im Wald seine Notdurft hinter einem Baum verrichtet wirklich büsst, das ist - obwohl in Art. 31 Polizeiverordnung ausdrücklich verboten - vor allem eine Ermessensfrage.

Quellen
[Veröffentlicht am 27. April 2012]

Mittwoch, 25. April 2012

Milchgenossenschaft Weiach: Ausflug zum 50sten

Mit ihrer Ende 1883 gegründeten Käsereigenossenschaft hatten die Weiacher nicht gerade viel Glück (für die Details vgl. Weiacher Geschichten Nr. 46 und 47). Im Juni 1910 beschloss die Generalversammlung ihre auch «Sennereigenossenschaft» genannte Vereinigung aufzulösen und sie aus dem Handelsregister streichen zu lassen.

Der Milchverband Winterthur nahm den Weiacher Bauern glücklicherweise bereits 1911 ihre Milch ab. Kurze Zeit später, 1912, wurde dann die Milchgenossenschaft Weiach aus der Taufe gehoben. Ihr war ein wesentlich längeres Leben beschieden, wie man der Jahreschronik von Walter Zollinger entnehmen kann:

«Die Milchgenossenschaft Weiach konnte 1962 ihr 50jähriges Bestehen feiern. Sie tat dies, indem sie allen Mitgliedern und Konsumenten eine Carfahrt bot. Diese führte uns am 25. April zur Verbandsmolkerei Zürich, zur Milchregulierstelle und zur Weichkäserei Uster. Im "Stadthof" Uster wurde ein splendides Mittagessen serviert und in der "Chässtube" Winterthur später ein Gratiszabig. - Am 17. Nov. sodann fand die Jubiläumsversammlung im "Sternen" statt, allwo noch ein Nachtessen offeriert und in verschiedenen Ansprachen des besonderen Ereignisses gedacht wurde.»

Ihr 100-Jahr-Jubiläum erlebte die Genossenschaft nicht mehr. Jedenfalls nicht unter dem ursprünglichen Namen. Die starke Abnahme der Anzahl milchproduzierender Betriebe bewog die verbliebenen Genossenschafter Ende November 2009 zu einer Änderung des Zwecks und der Annahme des neuen Namen «Bauerngenossenschaft Weiach».

Quellen[Veröffentlicht am 27. April 2012]

Dienstag, 24. April 2012

Aprilwetter 1962: fast zur Hälfte sonnig

April ist der Monat der meteorologischen Wechselbäder: einmal warm, dann wieder kalt. Sonne, Regen und gar Schnee. Da liegt alles drin. Vor 50 Jahren erlebte Weiach einen solch typischen April, wenn man den Aufzeichnungen Walter Zollingers in seiner Jahreschronik 1962 folgt:

«April: Im grossen-ganzen nicht übel! Ich verzeichnete neben 11 ganzen Sonnentagen und 4 sonnigen Nachmittagen nur zwei vollständig regnerische; daneben allerdings sehr oft Tage mit Hochnebel und zehn mit "durchzogenem", wechselnden Wetter und auch fast täglichem Wind. Regennächte gab's 4, Schneefall einmal, leichter Reif einmal.

Höchsttemperaturen: morgens 16°, mittags 24°, abends 18°,
Tiefsttemperaturen: morgens 0°, mittags +5°, abends +2°.

Unterm 24.4. heisst's in meinem Tagebuch: "Die Kirschbäume blühen, ebenso unsere Birnspaliere".
»

Bluescht an den Spalieren ist natürlich toll. Aber erst einmal muss diese Blüte noch bis Mitte Mai einige kalte Nächte überleben.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1962 - S. 7. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1962].

Montag, 23. April 2012

Publikationen finden - ganz ohne Google

Bibliothekskataloge sind heute vielfach digitalisiert und über das Internet abrufbar. Dazu muss man aber wissen, wie man einen solchen Katalog aufruft, denn über Standard-Suchmaschinen wie Google, Bing und Konsorten findet man selten etwas.

Suchmaschinen sehen längst nicht alles

Der Grund: Kataloge werden in Datenbanken abgefüllt. Und auf die kann man nur mit einer Eingabemaske zugreifen. Wenn man das tut, generiert die Datenbank sogenannt dynamischen Content. Suchmaschinen-Spider sind in vielen Fällen nicht in der Lage, solche Inhalte abzurufen. Entweder weil sie nicht fähig sind Abfragemasken effizient genug mit Schlagwörtern, Autorennamen o.ä. zu beschicken. Oder weil Versuche dazu seitens des Katalogbetreibers mittels einer «robots exclusion» von vornherein unterbunden werden. Man nennt diese zwar vorhandenen, für Google & Co. aber unsichtbaren Teile des Internets auch das «Deep Web».

Sucht man also nach einem Werk, das nur in Bibliotheken verfügbar ist, die von Google Books noch nicht erfasst wurden, dann fängt man am besten mit einer spezialisierten Meta-Suchmaschine wie dem Schweizer Virtuellen Katalog http://www.chvk.ch/ an. Kataloge auswählen - Suchbegriffe eingeben - Suchen lassen. So einfach geht das. Die etwas jüngere Version ist Swissbib http://www.swissbib.ch/, wo man noch weniger falsch machen kann: es gibt nur ein Feld, in welches man etwas eintippen kann. Und schon sucht die Metamaschine auf allen angeschlossenen Bibliothekskatalogen.

Broschüre zur Einweihung der Schulanlage Hofwies in Bibliothek verfügbar

Wenn man sich auf ganz bestimmte Begriffe spezialisiert - wie dieser Blog seit Jahr und Tag auf den Begriff «Weiach», dann fallen einem natürlich Einträge auf, die bei früheren Suchdurchgängen noch nicht vorhanden waren.

So ging es mir vor einigen Tagen mit einer kleinen Broschüre, die - wie in Weiach weithin üblich - als Gelegenheitsliteratur herausgegeben wurde. Da von den Adressaten dieser Schrift männiglich den Kontext ihrer Entstehung kannte und weil überdies angenommen wurde, es interessiere sich über den kleinen Kreis der Gemeinde hinaus sowieso niemand dafür, so wurde (und wird) in unserem Dorf meist auf Informationen wie Verlag, Erscheinungsjahr oder Erscheinungsort verzichtet, manchmal sind nicht einmal Herausgeber oder Autor genannt.

Dass dies auch bei der von mir kürzlich im Katalog der IDS Zürich gefundenen Gelegenheitsschrift «Einweihung der neuen Schulanlage Hofwies Weiach» der Fall war, zeigt sich am Eintrag, den die Forschungsbibliothek Pestalozzianum, welche zur Pädagogischen Hochschule Zürich gehört, dazu erstellt hat (vgl. IDS Uni Zürich 001992824):

«Titel Einweihung der neuen Schulanlage Hofwies Weiach : Freitag / Samstag / Sonntag, 3./4./5. September 1976 / [Primarschulpflege und Gemeinderat Weiach]
Impressum [Weiach] : [s.n.], [1976]
Umfang 1 Heft : Ill.
Bibliothek PH Zürich_Forschungsbibl. Sign.: IHBF H 1209
»

Die eckigen Klammern sind nach den einschlägigen ISO-Standards ein Hinweis darauf, dass die gemachten Angaben nicht einem Impressum entnommen, sondern aus einer Analyse des Inhalts abgeleitet wurden - für den Verfasser-/Herausgebervermerk z.B. die Angaben unter dem Grusswort, Vorwort, etc.

Übrigens: diese Publikation ist auch bei Google Books erfasst - nur steht da rein gar nichts darüber, bei welcher Bibliothek sie verfügbar wäre.

Sonntag, 22. April 2012

Volksinitiativen im Multipack

In den Leserbriefspalten ist Hanspeter Bühler, wohnhaft in der alten Mühle im Oberdorf zu Weiach, beileibe kein Unbekannter. Zwischen 2006 und 2010 hat WeiachBlog mehrmals berichtet.

Bühler ist vielseitig interessiert: von Israel und Gaza (Nr. 247), über DJ Bobo (Nr. 299), Gutmenschen (Nr. 490), das Swissairurteil (Nr. 492), Werbung in eigener Sache (Nr. 605), die Geldgier Roger Federers (Nr. 608), EU-Schweinetröge (Nr. 621) und eine Radrennfahrerin (Nr. 634) bis zum Ausmisten von Augiasställen (Nr. 851). Die kleine Übersicht zeigt: seine Themen gehen querbeet.

Gleich drei Initiativen aufs Mal

Es überrascht daher nicht, dass Bühler auch basisdemokratisch aktiv ist. Und wie. Als Mitglied eines Initiativkomittees hat er letztes Jahr auf einen Schlag gleich drei eidgenössische Volksinitiativen lanciert. Themen sind die Armee, die Nationalbank und die Pensionskassen.

Wie es Vorschrift ist, wurden die Initiativtexte von der Bundeskanzlei am 4. Januar 2011 vorgeprüft und im Wortlaut im Bundesblatt vom 18. Januar 2011 veröffentlicht. Samt Namen und Adressen der mit Mehrheitsentscheid zum Rückzug der Initiative Berechtigten.

Seither gilt: Sammelfrist bis 18. Juli 2012. Die Initianten haben also anderthalb Jahre Zeit die nötigen je 100'000 Unterschriften zusammenzubringen (vgl. Art. 139 Abs. 1 BV: «100 000 Stimmberechtigte können innert 18 Monaten seit der amtlichen Veröffentlichung ihrer Initiative eine Teilrevision der Bundesverfassung verlangen.»).

Mitentscheiden im Sinne der PK-Versicherten

Die erste Eidgenössische Volksinitiative «Unsere Pensionskassen nicht missbrauchen!» will, dass die Pensionskassen zu aktiven Aktionären im Sinne ihrer Versicherten werden. Sie sollen nicht einfach alles abnicken, was Konzernchefs den Generalversammlungen auftischen.
Deshalb soll es einen neue Buchstaben Abs. 2 Bst. f zum Art. 113 über die Berufliche Vorsorge geben:

«Art. 113 Abs. 2 Bst. f (neu)
2 Er [gemeint: Der Bund] beachtet dabei folgende Grundsätze:
f. Einrichtungen der obligatorischen Vorsorge üben ihre Aktionärsrechte, namentlich ihre Mitspracherechte an Generalversammlungen, im Sinne ihrer Versicherten aus; im Vorfeld von Generalversammlungen können sie den Willen ihrer Versicherten durch repräsentative Befragungen ermitteln.»

Weiterführende Informationen der Initianten unter: http://www.unserepensionskassen.ch/

Keine Libyen-Abenteuer mehr

Die zweite Eidgenössische Volksinitiative «Unsere Armee benötigt eine klare Kompetenzregelung für den Einsatz im Ernstfall!» verlangt die Ergänzung des Armee-Artikels der Bundesverfassung durch einen vierten Absatz. So soll auf Verfassungsstufe das im Militärgesetz und weiteren armeerelevanten Erlassen nach Meinung der Initianten ungenügend geregelte Primat der Politik mit konkreten Vorgaben verankert werden:

«Art. 58 Abs. 4 (neu)

Der Bundesrat beschliesst über Einsätze der Armee im Ernstfall, die im Inland oder im Ausland mit scharfer Munition durchgeführt werden sollen. An der Beschlussfassung müssen alle Mitglieder des Bundesrates teilnehmen. Der Beschluss kommt zustande, wenn fünf Mitglieder für den Einsatz stimmen. Die Beschlussfassung ist geheim und wird protokolliert.
»

Hier stand offenbar vor allem die Situation vor Augen, die entstand, als im Zuge der Geiselaffäre zwischen dem Ghaddafi-Clan und der Schweiz die Vorsteherin des EDA mit der Armee einen Zugriff in Libyen plante, von dem der Bundespräsident keine Kenntnis hatte.

Weiterführende Informationen der Initianten unter: http://www.unserearmee.ch/

Nationalbank an die Leine

Die dritte Eidgenössische Volksinitiative «Unsere Nationalbank gehört uns allen!» will den bestehenden Art. 99 BV über die Geld- und Währungspolitik von 4 auf 12 Absätze ausbauen und damit Alleingänge der Nationalbank unterbinden (vgl. den vollständigen Text).

Die Initianten sind der Meinung, das Nationalbank-Direktorium verschleudere mit der unlimitierten Stützung von Wechselkurszielen hunderte von Milliarden Schweizer Franken, stürze die Schweiz damit in unermessliche Schulden und gefährde uns alle damit existentiell, denn ein solches Vorgehen könne eigentlich nur im Konkurs der Nationalbank, ihrer Gläubiger und letztlich in einer Hyperinflation münden - dasselbe Szenario wie es dem Euro-Raum oder den USA droht, deren Notenbanken ebenso unlimitiert Geld aus dem Nichts erschaffen.

Weiterführende Informationen der Initianten unter: http://www.unserenationalbank.ch/

Quellen

Samstag, 21. April 2012

Export Taye verquantet Autos und Möbel

Grossunternehmen wie die Weiacher Kies AG (vgl. die Artikelserie der letzten drei Wochen) entstehen in einer kleinen Gemeinde nur alle paar Jahrzehnte - wenn überhaupt. Kleine Firmen werden aber doch recht häufig aus der Taufe gehoben. Alle paar Monate eine.

Den jüngsten Eintrag des Handelsregisteramtes des Kantons Zürich im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) generierte ein Gewerbe, das schon fast als Klassiker für Schweizer mit Migrationshintergrund gelten darf: Export von Autos.

Auf der Website moneyhouse.ch findet man den Eintrag:

«SHAB: 068 / 2012 vom 05.04.2012
Export Taye, in Weiach, CH-020.1.063.331-9, Kaiserstuhlerstrasse 47, 8187 Weiach, Einzelunternehmen (Neueintragung).
Zweck: Export von Waren aller Art, insbesondere Autos, Autoteile und Möbel.
Eingetragene Personen: Taye Majed, von Rüti ZH, Weiach, Inhaber, mit Einzelunterschrift.
Eintrag ins Handelsregister: 02.04.2012
Rechtssitz der Firma: Weiach (ZH)
»

Die Adresse Kaiserstuhlerstrasse 47 ist der Standort der früheren Bahnhofgarage Weibel. Seither sind wechselnde Unternehmen mit Automobil-Bezug dort einquartiert. Einmal war es ein Konstrukteur von Expeditions-und Offroad-Fahrzeugen. Heute ist es gemäss Telefonbucheintrag die «Sport Garage BG, Gashi».

Freitag, 20. April 2012

Schlussplädoyer des Regierungsrates überzeugte nicht

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es 1961 um die in Gründung befindliche Weiacher Kies AG zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Die Artikel ab dem 1. April zeichnen den zweiten Teil der Kantonsratsdebatte zu einer möglichen «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» nach.

Holderbank wollte keine Kantonsbeteiligung

Nach mehr als zwei Dutzend Voten erhielt Regierungsrat Meierhans am 16. Oktober 1961 noch einmal Gelegenheit, den versammelten Kantonsräten den Standpunkt der Regierung darzulegen. Seine Replik ging auch auf die von Kommissionspräsident Frei gemachten Vorwürfe (WeiachBlog von gestern, 18. April) und Fragen von weiteren Votanten ein (so z.B. die von Dr. M. Kuhn, ob schon Lieferverträge abgeschlossen worden seien):

«Regierungsrat Dr. P. Meierhans stellt fest, der Regierungsrat habe sich vorerst um die Ausbeutung des Weiacher Kieses bemüht. Als er sah, dass dies unmöglich sei, versuchte er, sich mit der Haniel AG zu verbinden. Der Holderbank AG wurde für ihr Werk in Hüntwangen der gleiche Vertrag wie der Haniel angeboten, was jedoch von dieser abgelehnt wurde. Die zwei Millionen Franken Einsparungen sind keine blosse Behauptung, sondern durch Unterlagen der Haniel AG belegt. Aus Konkurrenzgründen können aber diese Unterlagen nicht veröffentlicht werden. Dem Kanton geht es nicht um den Gewinn, sondern darum, Einblick in das Kiesgeschäft zu erhalten. Die Haniel AG hat nur dann Anspruch auf Lieferungen, wenn sie zu marktkonformen Bedingungen liefert. Um diese marktkonformen Preise festzustellen, wurde die Submission für die linksufrige Höhenstrasse eröffnet. Die kurze Frist drängte sich auf, um das Bauvorhaben innert der notwendigen Zeit ausführen zu können. Nur durch eine Beteiligung des Kantons an der Haniel AG kann verhindert werden, dass sich die beiden Hauptbeteiligten [Haniel und Holderbank] auf Kosten des Kantons einigen. Persönliche Interessen haben mit dieser Beteiligung nichts zu tun. Regierungsrat Dr. P. Meierhans wird nie in diesem Verwaltungsrat Einsitz nehmen. Bis heute wurde kein Vertrag mit Haniel über die Lieferung von Koffermaterial abgeschlossen.»

Wie beschleunigt man ohne kritisiert zu werden?

Der Kommissionspräsident konnte es sich nicht verkneifen, nachzutreten und erlaubte sich das letzte Wort:

«H. Frei - Zürich erklärt, es sei unkorrekt, dass erst am 9. Oktober 1961 die Submission ausgeschrieben wurde, nachdem die Notwendigkeit der Lieferungen dem Regierungsrat schon seit einem halben Jahr bekannt war.»

Wenn man sich die Sachzwänge vor Augen führt (Parlament gegen Staatskieswerke und gleichzeitig absehbar grosser Bedarf für den Nationalstrassenbau), dann kann man schon fragen, weshalb die Ausschreibung erst am Tag der ersten Debatte erfolgte.

Unter Einrechnung des Kopfschüttelns, das dem Regierungsrat wohl von Seiten des Kommissionspräsidenten gegolten hätte, wäre man bei der Verwaltung zweigleisig gefahren (Laufender Antrag ans Parlament und parallel dazu das Submissionsverfahren auf 10 Jahre), wird das gewählte Vorgehen aber zumindest verständlicher.

Fast zwei Drittel sind dagegen

Damit war das Geschäft endlich reif für die Abstimmung.

«Der Kantonsrat beschliesst mit 87 gegen 47 Stimmen:

I. Der Kredit von Fr. 1 000 000.- für die Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach wird abgelehnt.

II. Mitteilung an den Regierungsrat.
»

Und so kommt es, dass die Weiacher Kies AG bis heute nur zwei Aktionäre hat. Die Gemeinde Weiach und den jeweiligen Anlagenbetreiber.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1806. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Donnerstag, 19. April 2012

Ausschreibung bevorzugt einseitig die Haniel AG

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es 1961 um die in Gründung befindliche Weiacher Kies AG zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Die Artikel ab dem 1. April zeichnen den zweiten Teil der Kantonsratsdebatte zu einer möglichen «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» nach.

Der Kommissionspräsident klagt an

Als mittlerweile 26. Redner meldete sich noch einmal Hans Frei zu Wort. Frei hatte ursprünglich beantragt, die Beteiligung des Kantons in einer Spezialkommission zu untersuchen und war dann deren Präsident (vgl. WeiachBlog vom 20. Juni 2011).

Als Vertreter der Kommissionsmehrheit machte er auch am 16. Oktober noch einmal unmissverständlich klar, dass eine Beteiligung des Kantons nicht in Frage komme (vgl. WeiachBlog vom 15. Juli 2011 für sein Eingangsvotum):

«H. Frei - Zürich betont, es sei nicht die Aufgabe des Kantons, sich in den privaten Konkurrenzkampf der Kies- und Betonlieferanten einzumischen. Der Kanton hat dafür zu sorgen, dass die Nationalstrassen gebaut werden und dass dafür genügend Kies geliefert wird, was aber auch ohne direkte Beteiligung möglich ist. Die Einsparungen in der Höhe von 2 Millionen Franken sind nicht bewiesen. Es ist übrigens zu erwarten, dass bei einer echten Konkurrenz wesentlich grössere Einsparungen möglich wären. Der Kommissionspräsident kritisiert die Ausschreibung vom 9. Oktober 1961, welche Offerten für Kieslieferungen auf 10 Jahre hinaus verlangt. Die Umschlagsplätze und die Kiesaufbereitungsanlagen sind überdies durch den Lieferanten zu finanzieren. All diese Unterlagen müssen bis zum 21. November 1961 beschafft werden, was praktisch überhaupt nur von zwei Firmen, der Haniel AG und der Firma Flisch in Landquart, die aber nur ein verkappter Ableger der Haniel AG ist, realisiert werden kann. Die Bedingungen der Submission sind so gehalten, dass die Aufträge praktisch nur der Haniel AG vergeben werden können. Zweifellos wird der Kantonsrat dazu noch Stellung nehmen müssen.»

Happige Vorwürfe an den Regierungsrat

Mit dem Hinweis, Einsparungen von 2 Millionen seien nicht bewiesen, zweifelte Frei Aussagen von Regierungsrat Meierhans, die dieser am Schluss seines Votums vom 9. Oktober gemacht hatte, offen an.

Dann ging er zum Generalangriff über und unterstellte der Kantonsverwaltung und dem zuständigen Regierungsrat, durch die Art der Bedingungen und die Fristensetzung der Ausschreibung einseitig die angestrebte Vertragspartnerin zu bevorzugen. Weiter insinuierte Frei, dass damit dem Steuerzahler höhere Kosten entstünden als bei freier Konkurrenz.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1805-1806. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Mittwoch, 18. April 2012

Fuss arg zerdrückt - das Kieswerk fordert Opfer

Bei Grossprojekten wie dem von der Haniel AG aufgezogenen industriellen Kiesabbau mit Verarbeitungswerk in Weiach geht es selten ohne Schäden ab. Immer wieder sind auch Verletzte oder gar Tote zu beklagen. Bauen ist nun einmal nicht ungefährlich.

In seiner Jahreschronik 1962 hat Walter Zollinger für den heutigen Tag vor 50 Jahren unter der Rubrik «Verkehrswesen/Unfälle» einen der ersten Verletzten des Kiesfiebers notiert:

«18. April Walter Willi-Wolf, der im neuen Kieswerk arbeitet, verunfallt beim Bau der dortigen Strassenunterführung, ein Fuss arg zerdrückt.»

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1962 - S. 22. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1962].

Dienstag, 17. April 2012

Gemeinde und Kanton hätten sich absprechen sollen

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es 1961 um die in Gründung befindliche Weiacher Kies AG zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Die Artikel ab dem 1. April zeichnen den zweiten Teil der Kantonsratsdebatte zu einer möglichen «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» nach.

Die von Ratsmitglied Winiger geforderte rein staatliche Lösung (vgl. WeiachBlog von gestern) hätte man von langer Hand vorbereiten müssen. Entweder hätte der Staat frühzeitig auf dem Markt auftreten müssen, was nach Aussagen von Regierungsrat Meierhans am 9. Oktober 1961 nicht der Fall war: «Die privaten Unternehmen sind ihm [dem Kanton] aber überall zuvorgekommen». Oder aber es wären Gesetzesänderungen nötig geworden - konkret die Neudefinition des Bergregals. Bei beiden Vorhaben hätte es wohl an der nötigen Unterstützung im Parlament gefehlt.

Man kann es daher als frommen Wunsch sehen, wenn ein Ratsmitglied aus dem Tösstal als 25. Redner den Weiachern vorhält, sie hätten es versäumt, sich frühzeitig mit dem Kanton abzusprechen:

«R. Ott - Turbenthal erachtet es als einen Fehler, dass sich die Gemeinde Weiach nicht früher mit dem Kanton verständigt hat, um eine Lösung zu finden. Der Vertrag zwischen der Haniel AG und dem Kanton ist für diesen ungünstig; daher sollte die Vorlage abgelehnt werden.»

Ob der Vorwurf berechtigt ist, könnte lediglich durch die Analyse von noch vorhandenen Akten der Gemeinde Weiach und der Kantonsregierung sowie deren Verwaltungsapparat eruiert werden. In diesem Punkt besteht vertiefter Forschungsbedarf.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1805. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Montag, 16. April 2012

Linker Kantonsrat fährt Weiachern an den Karren

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es 1961 um die noch gar nicht gegründete Weiacher Kies AG zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

In den Artikeln ab dem 1. April hat WeiachBlog den Verlauf des zweiten Teils der Debatte im Kantonsrat nachgezeichnet. Sollte sich der Kanton an der Weiacher Kies beteiligen oder nicht?

Verärgerung über eigenen Willen der Weiacher

Ratsmitglied Winiger, ein Parlamentarier aus dem linken Spektrum, war klar für ein Staatskieswerk. Es passte ihm daher gar nicht, dass die Weiacher bereits einen Vertrag abgeschlossen und an der Gemeindeversammlung vom 15. April genehmigt hatten. Am 28. Juni hiessen die Weiacher Stimmbürger überdies die Beteiligung der Gemeinde an der Weiacher Kies AG mit einem Kapital von 50'000.- gut.

Man kann sich also nur über die Missachtung der Gemeindeautonomie wundern, wenn man in seinem Votum als 24. Redner liest, wie er den Weiachern in der Ratssitzung vom 16. Oktober 1961 öffentlich an den Karren fährt:

«M. Winiger - Zürich ist nach wie vor der Auffassung, dass der Kanton den Weiacher Kies ausbeuten soll. Die Gemeinde ist natürlich dagegen, weil der Kanton keine Steuern entrichtet. Es ist aber nicht zu verstehen, wieso dem Kanton verboten werden soll, sich an lukrativen Geschäften zu beteiligen, um so mehr, als damit bisherige Monopolstellungen erschüttert werden könnten.»

Kommissionsmitglied Winiger hatte sich bereits am 9. Oktober zu Wort gemeldet (vgl. Wollte man Kies zu Wucherpreisen verkaufen? WeiachBlog, 27. Juli 2011).

Gesetzesänderung zum Bergregal?

Winiger redet hier de facto der Auffassung das Wort, auch Kies falle unter das Bergregal. Dies widerspricht aber der kantonalen Gesetzgebung (§ 148 EG ZGB; vgl. WeiachBlog, 8. Juni 2011).

Das Bundesrecht gewährt den Kantonen völlig freie Hand bezüglich den Bodenschätzen und der Regelung der Verfügungsgewalt darüber. Ein Kanton kann dieses Regal beanspruchen oder auch nicht. Es gibt auch keine Vorgaben, welche Stoffe grundsätzlich dem Regal unterstellt sind und welche nicht (vgl. Kapitel 12 Gesetzliche Grundlagen der Rohstoffnutzung auf dem Geologieportal).

Hätte man im Falle von Weiach einen verstaatlichen Kiesabbau entgegen dem kommunalen Willen und ohne Entschädigung (wie von Winiger implizit gefordert) durchsetzen wollen, dann wären wohl nicht nur Gesetzesänderungen nötig geworden sondern auch die Enteignung aller übrigen Kieswerkbesitzer im Kanton. Dass ein solches Vorhaben nur schon die parlamentarische Hürde genommen hätte, war bei den damals herrschenden Mehrheiten nicht zu erwarten.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1805. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Sonntag, 15. April 2012

Kurzfristige Submission ist eine Farce

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es 1961 um die noch nicht einmal gegründete Weiacher Kies AG zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Dass sich ein Regierungsrat und ein Kantonsparlament vor dem Handelsregistereintrag einer privaten Firma stundenlange Wortgefechte liefern, ist schon etwas ungewöhnlich. Im Falle des seit einem halben Jahrhundert wichtigsten Unternehmens der Gemeinde Weiach fand genau dies statt.

Debattiert wurde über den Antrag des Regierungsrates vom 25. Mai 1961, nach dem sich der Kanton an der zu gründenden Weiacher Kiesabbau-Firma beteiligen sollte.

Submissionsverfahren kritisiert

Dem Vorhaben blies der Wind im Kantonsrat frontal ins Gesicht. Vor allem bürgerliche Ratsmitglieder fanden keinen guten Faden daran. Verstaatlichungen seien abzulehnen und Minderheitsbeteiligungen ebenfalls wenig vorteilhaft (vgl. das Votum des 22. Redners im WeiachBlog von gestern).

In dieselbe Kerbe hieb am 16. Oktober 1961 Redner Nummer 23, kam dann aber gleich auf das schon besprochene Thema Submission (vgl. u.a. WeiachBlog vom 5. April) zu sprechen:

«Dr. H. Duttweiler - Zürich befasst sich mit der Frage des Schutzes der Minderheitsaktionäre in der Aktiengesellschaft. Die vom Kanton vor einer Woche ausgeschriebene Submission ist eine reine Farce, da die privaten Kieswerke gar nicht vorbereitet sind, in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit die notwendigen Abklärungen vorzunehmen. Es ist falsch, dass die Kieslieferungen jetzt schon auf 10 Jahre hinaus vergeben werden. Auch geht die Submission weit über den im Titel genannten Umfang der Lieferungen hinaus. Es wäre ein unschöner Akt des Regierungsrates gegenüber dem Kantonsrat, wenn auf diese Weise die private Konkurrenz ausgeschaltet und die Haniel AG allein bevorzugt werden sollte.»

Eile wegen Nationalstrassenbau

Die Submission hätte die Verwaltung wohl besser erst nach dem Parlamentsentscheid angestossen und nicht schon als der regierungsrätliche Antrag im Kantonsrat noch pendent war. Warum man die Scherereien trotzdem in Kauf nahm? Die Regierung wollte das offensichtlich so. Die zeitlichen Sachzwängen hängen direkt mit dem Prestigeprojekt Nationalstrassenbau zusammen.

Nach ersten Konzepten um 1940 (Ost-West und Nord-Süd-Achse ausbauen) war 1959 die Planung für das ehrgeizige Nationalstrassennetz abgeschlossen und in sechs Bänden veröffentlicht. Und wie Stefan Sandmeier im Historischen Lexikon der Schweiz (e-HLS; Artikel Nationalstrassen; Stand: 24/03/2011) schreibt, ging man kurz darauf zur Sache:

«Nach dem Inkrafttreten des NSG 1960 [Nationalstrassengesetz] begannen Bund und Kantone, das vom Parlament gutgeheissene, 1'811 km lange, auf 800 km als Autobahn auszubauende Nationalstrassennetz zu realisieren.»

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1805. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Samstag, 14. April 2012

Schweizer Erstaufführung in der Kirche Weiach

Heute Samstag, 14. April findet um 19.30 Uhr in der Kirche Weiach ein klassisches Konzert statt. Unter der Leitung von Moritz Baltzer gibt das Kammerorchester Kloten sein Frühlingskonzert 2012.

Der Eintritt ist frei. Zur Deckung der hohen Kosten bitten die Organisatoren um eine «grosszügige Kollekte». (MGW, S. 14 u. Inserat S. 15)

Wie man den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (April 2012, S. 14 und 15; ganzseitiges Inserat, vgl. Bild unten) entnehmen kann, kommen Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Carl Maria von Weber und Ludwig van Beethoven zur Aufführung. Sie umrahmen die Schweizer Erstaufführung der «Sinfonia do médio São Francisco Op.139» von Ernst Widmer (1927-1990).

Who the f... is Ernst Widmer

Im Konzertprogramm wird auch erklärt, was es mit diesem Ernst Widmer auf sich hat: der «berühmte Aargau-Brasilianer» werde in Salvador de Bahia «als Erschaffer des dortigen Musiklebens verehrt». Mehr dazu im Wikipedia-Artikel über den Komponisten.

Das in Weiach gespielte Werk wird übrigens auch am 31. August 2012 anlässlich der Wettinger Sommerkonzerte durch das Kammerorchester 65 aufgeführt. In deren Ausschreibung steht zu Widmers Sinfonia folgende Erläuterung:

«Viele seiner Werke sind allerdings in Europa noch ungespielt oder unveröffentlicht, u.a. auch, weil bei vielen Werken das Aufführungsmaterial verloren gegangen ist. (Dies ist auch bei der hier auf-geführten 2. Symphonie der Fall. Das Kammerorchester 65 hat dieses Material als Eigenleistung aus der Partitur neu erstellt). Die 2. Sinfonie von Ernst Widmer, die Sinfonia «do médio São Francisco, op. 139», stammt aus der Reifezeit des Komponisten und gehört zu seinen zentralen Werken. In dieser Sinfonie verarbeitet Widmer Volksmusikelemente aus der Region São Francisco zu einem Orchestertableau von kraftvoller Farbe und Intensität. Widmer erweist sich hier als ferner brasilianischer Nachkomme Béla Bartòks, den er zu seinen grossen Vorbildern zählte.»


Die Zugpferde sind wohl die Altbekannten

Vom eigentlichen Alleinstellungsmerkmal dieser Veranstaltung - der Schweizer Erstaufführung - wird auf anderen Veranstaltungskalender (z.B. Moonwalk.ch) kein Wort erwähnt.

«Orchesterkonzert Sa, 14.04.2012 19:30 Konzert Classical Klassik

Wer, was: Kammerorchester Kloten, Moritz Roelcke (Klar), Leitung: Moritz Baltzer, Werke von Mozart, Weber, Widmer, Beethoven.
[...]

Reformierte Kirche Weiach, Bühlstrasse, 8187 Weiach
»

Wahrscheinlich ist es schon so, dass die meisten Besucher der bekannten Namen (Mozart, von Weber, van Beethoven) wegen nach Weiach reisen werden.

Bleibt noch die Frage, weshalb von zwei Aufführungen (die zweite am 15. April in Kloten) die erste ausgerechnet in Weiach stattfindet. Das hängt wohl mit der Präsidentin des Kammerorchesters zusammen: Käthi Baumgartner wohnt in der Müliwis am südlichen Dorfeingang.

Freitag, 13. April 2012

Minderheitsaktionär hat zu schwache Stellung

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es vor etwas mehr als 50 Jahren um die Weiacher Kies AG zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Der Zürcher Regierungsrat wollte eine «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach». Dies stiess lediglich bei der linken Ratshälfte auf Zustimmung - sonst hagelte es Kritik.

In der Kantonsratssitzung vom 16. Oktober 1961 sprach der mittlerweile 22. Redner einen weiteren Schwachpunkt an:

«Dr. K. Hackhofer - Zürich verneint die Zweckmässigkeit einer Beteiligung des Kantons an einer privaten Aktiengesellschaft. Die Stellung des Kantons als Grossbezüger ist bedeutend stärker, wenn er nicht an eine einzelne Firma gebunden ist. Auch innerhalb der Aktiengesellschaft hat der Kanton mit seiner 40%igen Beteiligung eine schwache Stellung. Er soll sich deshalb die volle Handlungsfreiheit vorbehalten und allen die gleichen Lieferchancen geben. Dem Regierungsrat und dem Kantonsrat kommt allerdings durch ihr bisheriges Vorgehen doch ein gewisses Verdienst zu, indem sich die Situation gelockert hat und damit genügend Angebote eintreffen.»

Auch hier sieht man wieder, dass das Vorgehen der Regierung wohl mit dazu beigetragen hat, die offenbar erhebliche Selbstzufriedenheit unter den Beteiligten im binnenländischen Kiesmarkt zu stören. Zumal sie auch noch die Unverfrorenheit hatte, ihre Beamten mit einem ausländischen Grosskonzern anzubandeln zu lassen und Anstalten zu Nägeln mit Köpfen zu machen.

Es ist - wie in dieser Artikelserie auch schon erwähnt - durchaus möglich, dass die Mehrheit der Regierung sich zwar den zum Strassenbau nötigen Kies sichern, dazu aber gar nicht zwingend ein staatliches Kieswerk aufziehen oder einen Vertrag mit einem ausländischen Konzern abschliessen wollte.

Die Regierungsräte konnten sich sicher vorstellen, welchen Aufruhr ein solches Vorhaben im bürgerlich dominierten Kantonsrat haben würde und dass demnach die Chancen, mit dem Antrag durchzukommen, nicht gerade gross waren.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1804-1805. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Donnerstag, 12. April 2012

Neid auf besser ausgerüsteten Konkurrenten?

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es vor etwas mehr als 50 Jahren um die Weiacher Kies AG zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Am 16. Oktober 1961, dem zweiten Tag der Kantonsratsdebatte um die Frage, ob sich der Kanton Zürich an einer zu gründenden «Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» beteiligen solle, kam bereits Redner Nummer 21 zu Wort:

«E. Egli - Pfäffikon kann nicht verstehen, dass hier eine ausländische Firma angegriffen wird, weil sie mit neuen Methoden versucht, den Kies preiswert zu produzieren und damit zu verbilligen. Er ersucht, der Vorlage zuzustimmen, da der Ausbau des Nationalstrassennetzes wichtig sei und nicht verzögert werden dürfe.»

Damit hat Egli eines der Hauptmotive für den heftig geführten Abwehrkampf gegen die deutsche Haniel genannt: Futterneid und Angst um die eigene Zukunft. Die Konkurrenz aus dem Norden war ganz einfach besser auf die kommende industrielle Transformation der Branche vorbereitet. Diese war aufgrund der hochkonjunkturbedingten Mengenausweitung kaum vermeidbar.

Ob das alle Schweizer Kiesunternehmer erkannten? Die im Zementgeschäft tätige Holderbank konnte sich wohl am besten vorstellen, was mit dem Markteintritt des Haniel-Konzerns auf dem Markt los sein würde. Daher auch der Widerstand.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1804. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Mittwoch, 11. April 2012

«Aussenseiterfirma» privilegieren?

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Am 16. Oktober 1961, dem zweiten Tag einer Debatte des Zürcher Kantonsrates trat bereits der 20. Redner zum Thema Weiach auf! Wie der Vorredner einer mit Doktortitel, der sich nun aber konkret mit der Frage der Behandlung von Kartellen durch staatliche Akteure befasste. Soll der Kanton sich an einer «Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» beteiligen? Alles in allem erneut eine Akademikerantwort:

«Dr. M. Kuhn - Zürich stellt fest, dass durch den Vertrag mit Haniel eine Aussenseiterfirma privilegiert würde. Damit wird ein Gedanke aufgegriffen, der in Amerika schon lange verwirklicht, bei uns aber bisher eher verpönt war. Wenn es aber um die Brechung von der Macht der Kartelle und Monopole geht, gibt es genügend wirksame Mittel, ohne dass gerade zum schärfsten, der staatlichen Beteiligung gegriffen wird. Er erkundigt sich, ob der Kanton bereits einen Abnahmevertrag über eine grössere Menge Kofferkies abgeschlossen habe. Sollte dies zutreffen, dann erschiene die Submission allerdings in einem fragwürdigen Licht.»

Kuhn hat übrigens selber mitgeholfen, dass sein Votum gehört wurde (vgl. seine Empfehlung, die Rednerliste nicht zu schliessen: WeiachBlog vom 2. April.)

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1804. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Dienstag, 10. April 2012

Gut verdienen im Schlaf?

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Als bereits 19. Redner in der langen Liste der Votanten (vgl. auch die Artikel vom 1. bis 8. April) zur Frage, ob sich der Kanton Zürich an einer durch die Franz Haniel AG in Weiach zu gründenden Kiesabbau-Gesellschaft beteiligen solle, sprach am 16. Oktober 1961 ein weiteres Ratsmitglied, das nicht in der vorberatenden Kommission Einsitz gehabt hatte:

«Prof. Dr. M. Beck - Winterthur ist erstaunt über den Vorwurf, die Kieswerke hätten bisher geschlafen, während man ihnen anderseits vorwerfe, sie verdienten zu gut. Die Regierung sollte diesen selbständigen Unternehmen die gleichen Lieferchancen bieten wie der Haniel AG.»

Eigentlich ist es doch klar: wer ohne grosse Anstrengungen gut verdient braucht sein Geschäftsmodell auch erst dann zu ändern wenn ihm existentielle Gefahr droht. Zum Beispiel durch einen deutschen Grosskonzern.

Wenn man etwas maliziös sein will, dann unterstellt man hier, dass dem Protokollführer von der professoralen Rede gerade einmal die oben abgedruckten Worte geblieben sind - jedenfalls wenn es sich um ein ebenso langes Votum gehandelt hat wie die der Vorredner. Zugunsten des Herrn Professor kann man aber auch davon ausgehen, dass er sich kurz gefasst hat.

Trotzdem bleibt die Frage: Hat er sich nun für oder gegen eine Beteiligung des Kantons ausgesprochen?

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1804. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS

Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Montag, 9. April 2012

Zittergruppe im Altersheim

Dass alte Menschen auch ohne Angst zittern liegt in der Natur des menschlichen Lebens. Einige tun es - nolens volens.

Um eher unfreiwilligen Humor dürfte es sich daher handeln, wenn das zur SENIOcare-Gruppe gehörende Wohn- und Pflegeheim Zur Heimat im benachbarten Stadel in den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW April 2012, S. 24) und auf seinen eigenen Internetseiten ankündigt:


Ein «Konzert mit der Zittergruppe Grenzland» am heutigen Ostermontag! Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

Gemeint war natürlich die «Zithergruppe Grenzland».

[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Sonntag, 8. April 2012

Ein Rafzer fordert besseren Finanzausgleich

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Bereits kommen wir zum 18. Redner einer ausufernden Debatte um die Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach, welcher der Zürcher Kantonsrat am 9. Oktober 1961 aufnahm und am 16. Oktober weiterführt. Man ahnt, dass es da längst nicht nur um Weiach oder das dortige Kieswerk geht. Längst war der Streit um ordnungspolitische Grundsatzfragen und der Kampf gegen «Zementbarone und Trusthalunken» wichtiger.

Zugunsten des Standpunkts der Gemeinde Weiach sprachen nur wenige. Neben Kantonsrat Maag aus Stadel war das interessanterweise ein ebenfalls aus einem späteren Kiesabbaugebiet stammender Rafzer:

«A. Kramer-Rafz stimmt der Vorlage zu, weil damit der Gemeinde Weiach geholfen werden kann. Der Regierungsrat war ursprünglich gegen die Ausbeutung dieser Kieswerke durch die Haniel AG, weil es sich um eine deutsche Firma handelte. Als er aber einsah, dass eine Opposition unmöglich sei und das Werk auf alle Fälle erstellt würde, fasste er eine Beteiligung des Kantons ins Auge. Infolge der Initiative des Regierungsrates liegen nun plötzlich Angebote für genügende Quantitäten Kies vor, was aber nicht bedeuten soll, der Beteiligung müsse nicht mehr zugestimmt werden. Kramer ersucht den Regierungsrat, rasch für einen besseren Finanzausgleich unter den Gemeinden zu sorgen, damit diese in ihrer Bewegungsfreiheit gegenüber solchen Werken nicht eingeengt werden, wenn Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht bleiben. Bedauerlich ist, dass durch solche Landverkäufe wieder selbständige bäuerliche Existenzen eingehen, da selbst für junge Bauern die Versuchung gross ist, die schwere Landarbeit mit einem einträglicheren Einkommen zu vertauschen.»

Die Feststellung, dass die Regierung mit dem Antrag auf Beteiligung einen durchaus schlauen Schachzug gemacht hat, ist durchaus berechtigt. Erst die Aufregung über die Verhandlungen mit dem deutschen Kontrahenten haben die gewerblichen Kiesabbauer aus der Reserve gelockt. Bestand doch die Gefahr, dass viele staatliche Aufträge dann ausbleiben würden.

Kramer lässt offenbar offen, wie er zur Beteiligung steht, nutzt aber das Podium, um dem Kantonsrat die schwache Verhandlungsposition der Kiesgruben-Gemeinden und die Erosion in der bäuerlichen Landwirtschaft nahezubringen (vgl. dazu den WeiachBlog-Artikel «Verkaufssüchtige» Bauernsöhne vom 14. Januar 2011 [Nr. 965] und weitere)

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1803-1804. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Samstag, 7. April 2012

«Zementbarone und Trusthalunken»

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Mit Redner Nummer 17 der Kantonsratsdebatte zur Frage der «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» kam es am 16. Oktober 1961 zum offenen Angriff der Ratslinken auf den LdU (Landesring der Unabhängigen, die Partei von Migros-Gründer Duttweiler, gegründet 1936, aufgelöst 1999). Mit markigen Worten wurde deren «Fahnenflucht» an den Pranger gestellt; sogar der Protokollführer notierte sie sich:

«P. Ackermann-Zürich wendet sich an den Landesring der sonst gegen Trust und Kartelle kämpft, heute aber erstaunlicherweise in Reih und Glied hinter den «Zementbaronen und Trusthalunken» marschiert. Was wird wohl Altmeister Gottlieb Duttweiler dazu sagen? Nachdem Regierungsrat Dr. P. Meierhans den Rat über die Monopolabsichten der Holderbank AG aufgeklärt hat, ist es unverständlich, dass die Landesring-Fraktion weiterhin deren Tendenzen unterstützt.»

LdU-Übervater Duttweiler starb im Juni 1962, lebte zum Zeitpunkt dieser Debatte also noch. Der Sukkurs für den sozialdemokratischen Regierungsrat Meierhans und seine Beteiligungspläne kam ganz eindeutig aus der linken Ratsecke.

Interessanterweise lief der Grosskonzern Haniel aus Deutschland für Kantonsrat Ackermann nicht unter dem Kampfbegriff «Zementbarone und Trusthalunken». Diese Bezeichnung war für die in der Schweiz dominante Holderbank und namentlich deren Besitzer, die Familie Schmidheiny reserviert (vgl. den WeiachBlog-Artikel vom 10. Juli 2011).

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1803. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG
[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Ein Duttweilerscher Begriff. Nachtrag vom 11. April 2012

Der Begriff «Trusthalunken» wurde von Gottlieb Duttweiler selber verwendet, wie man im deutschen Magazin Der Spiegel vom 17. November 1954, S. 36 nachlesen kann:

Er habe, heisst es da, neben seinen vielfältigen Aktivitäten noch «Zeit genug, hier einen Konzerndirektor öffentlich "verbrecherischen Trusthalunken" zu schimpfen (500 Franken Strafe) oder dort von einem leitenden Trustangestellten zu behaupten, er habe sich seinen Oberstengrad in der Schweizer Armee damit erkauft, daß er seinen militärischen Vorgesetzten Verwaltungssitze in der Konzernfirma zugeschustert habe (5000 Franken Buße, zehn Tage Gefängnis).»

Die zehnseitige Titelgeschichte des Spiegel 47/1954 mit dem Aufmacher «Die verkürzte Handelskette», aus der dieses Zitat stammt, ist es auch sonst wert gelesen zu werden. Die Wurzeln des Phänomens Migros werden dadurch wesentlich greifbarer.

Freitag, 6. April 2012

Bei Privatbahnen und der Swissair geht es doch auch

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

In der Kantonsratssitzung vom 16. Oktober 1961 äusserte sich der 16. Redner zur Frage der Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach (Fortsetzung der Beratungen vom 9. Oktober). Er findet den Begriff der Verstaatlichung völlig übertrieben:

«H. Fuchs-Zürich würdigt die Beteiligung des Kantons an dieser Gesellschaft nicht als eine Verstaatlichung, sondern als eine weitere gemischtwirtschaftliche Zusammenarbeit, wie dies bei Kraftwerkbauten, Privatbahnen, aber auch bei der Swissair usw. üblich ist. Unterhalt und Reparatur der Nationalstrassen sind Sache des Kantons. Es ist deshalb wichtig, dass deren Kosten verbilligt werden können. Es gibt kein zwingendes Argument gegen eine Beteiligung des Kantons an dieser Aktiengesellschaft. Die Initiative der Baudirektion ist verdienstlich; dem Kredit sollte zugestimmt werden.»

Über die Frage, ob der Staat sich an Post-, Bahn- und Telekommunikations-Unternehmen beteiligen soll, wird schon viele Jahrzehnte (um nicht zu sagen: Jahrhunderte) debattiert. Leider ist es so, dass weder die eine noch die andere Form nur Vorteile bieten.

Beim Untergang der Swissair agierten staatliche Akteure ja nicht unbedingt glücklich. Und auch über den Nutzen der Aufteilung der Stromwirtschaft in eine Monopol-Netzgesellschaft und viele halbstaatliche Produktionsunternehmen kann man geteilter Meinung sein. Gemeinwesen tendieren nun einmal - je nach Blickwinkel und gerade vorherrschender wirtschafts- und ordnungspolitischer Strömung - eher zum Modell Nachtwächterstaat oder aber zu staatlicher Monopolisierung.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1803. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Donnerstag, 5. April 2012

Umgehung der Submissionsverordnung?

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Der 15. Redner in der Kantonsratssitzung vom 16. Oktober 1961 zur Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach kam wieder auf die Grundsatzfrage zurück, ob der Staat im Kiesgeschäft mitzumischen habe:

«W. Leutenegger-Zürich lehnt es ab, die Beschaffung von Kies als staatliche Aufgabe zu bezeichnen, selbst wenn der Strassenbau ohne Zweifel in den Aufgabenbereich des Staates gehört. Es ist zu befürchten, dass durch diese Beteiligung die Submissionsverordnung umgangen wird. Die Baudirektion verhandelt schon seit Monaten mit der Haniel AG, während die anderen Kieswerke erst vor einer Woche die Unterlagen für die Kieslieferungen erhielten und sich innert Monatsfrist entscheiden müssen. Laut Vertrag wurde der Haniel AG ein ausschliessliches Lieferrecht eingeräumt, so dass die Ausführungen des Baudirektors an der letzten Sitzung nicht korrekt waren. Auch die Behauptung, es könnten für den Bau der linken Höhenstrasse 2 Millionen Franken eingespart werden, ist unbewiesen und entbehrt jeder realen rechnerischen Grundlage. Die anderen Kieswerke sind ohne weiteres bereit und auch in der Lage, dem Kanton genügend einwandfreien Kies zu liefern. Sie haben auch Anspruch darauf, berücksichtigt zu werden, um zu verhindern, dass der Haniel AG eine Monopolstellung eingeräumt werde.»

Mit der «linken Höhenstrasse» ist die Autobahn A3 von Zürich Richtung Bündnerland gemeint, die von Zürich-Brunau über den westlichen Seerücken nach Südosten führt. Vor Ort gab es da praktisch nur Moränenmaterial. Der nötige Kies für die Kofferung musste von anderswo her beschafft werden.

Dass die Lieferanten von Kleinmengen auch bei Ablehnung einer Kantonsbeteiligung am neuen Weiacher Kieswerk im Nachteil sein würden, schwante damals wohl schon einigen Beteiligten. Denn der Kanton hatte das geplante Grosskieswerk in Weiach, welches grosse Mengen liefern konnte, auch deshalb im Visier, weil der vorgesehene Bahnanschluss zur Entlastung des Strassennetzes beitragen konnte. Verkehrsstaus und Klagen über massiven Lastwagenverkehr durch Wohnsiedlungen waren schon damals ein Problem.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1802-1803. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Mittwoch, 4. April 2012

Gewerbler hauen wo möglich den Staat übers Ohr

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Im Gegensatz zu den Vorrednern der Kantonsrats-Debatte am Vormittag des 16. Oktober 1961 (vgl. WeiachBlog vom 2. und 3. April), fand der 14. Redner, der Streit um Verstaatlichung oder Privatwirtschaft verfehle das Ziel völlig. Die Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach müsse unter einem anderen Aspekt betrachtet werden:

«Für H. Gerteis-Winterthur handelt es sich nicht um die grundsätzliche Frage: Privat- oder Staatswirtschaft. Für ihn geht es darum, dass der Kanton ohne Übervorteilung genug Kies erhält, um die Nationalstrassen bauen zu können. Der Vertrag mit der Haniel AG bietet dazu eine geeignete Grundlage, um so mehr, als in gewissen Kreisen des Gewerbes die Tendenz besteht, wenn immer möglich den Staat zu übervorteilen. Neben dem direkten Einblick in die Kalkulationsgrundlagen erhält der Kanton 40% des Reingewinns des Unternehmens.»

Der genannte Reingewinn ist auf den angestrebten Anteil von 40% am Aktienkapital bezogen. Unabhängig davon, ob der Kanton ebenfalls die hohen Preise der gewerblichen Kiesunternehmer knacken oder ganz einfach die grossen Mengen sichern wollte: Gerteis ist klar für eine Beteiligung.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1802. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Dienstag, 3. April 2012

Privatwirtschaft ist besser als Staatskrücken

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Den Verstaatlichungsvorstellungen der Linken konnte bereits der nächste Redner (Nummer 13) in der Kantonsratsdebatte vom 16. Oktober 1961 rein gar nichts abgewinnen. Im Gegenteil, er zerpflückte das Vorgehen der Kantonsverwaltung und die Argumentation der Regierung nach Noten:

«A. Heimann (Kilchberg) weist die Vorwürfe von Regierungsrat Meierhans [Holderbank wollte ein Kies-Monopol. WeiachBlog, 5. August 2011] und M. Winiger [Wollte man Kies zu Wucherpreisen verkaufen? WeiachBlog, 27. Juli 2011], den Gegnern dieser Vorlage gehe es um Profitstreben, zurück. Der heutige Wohlstand ist allein der Initiative der Privatwirtschaft zu verdanken. Ein Staatsbetrieb wäre nicht in der Lage, eine aktive Preispolitik zu führen. Übrigens beweist gerade der mit der Haniel AG abgeschlossene Vertrag, dass die Unterhändler des Kantons jenen der Privatwirtschaft unterlegen waren. Warum werden Kieslieferungen ausgeschrieben, wenn der Kanton eine Abnahmeverpflichtung eingegangen ist? Im Vertrag fehlt übrigens eine Entschädigungspflicht des Unternehmens, falls die vereinbarten Lieferungen nicht ausgeführt werden können. Der Kanton wird sowohl in der Generalversammlung als auch im Verwaltungsrat stets in der Minderheit bleiben. Heimann hat nichts gegen Lieferungen der Haniel AG an den Staat einzuwenden, aber diese Firma soll ihre Leistungsfähigkeit im offenen Konkurrenzkampf beweisen, statt sich auf Staatskrücken zu verlassen. Der Kredit ist abzulehnen.»

Ob die monierten Mängel im Vertrag tatsächlich bestanden haben und wenn ja, ob sie von der Regierung nicht halbwegs bewusst eingebaut wurden, um das ungeliebte Vorhaben des sozialdemokratischen Kollegen an den kantonsrätlichen Vorbehalten scheitern zu lassen, ist nicht bekannt. Interessant ist jedenfalls, dass Heimann nicht Mitglied der vorberatenden Kommission war.

Dass der Kanton parallel zum laufenden Antrag vor dem Rat auch Ausschreibungen durchführte ist durchaus nachvollziehbar. Denn sollte das Geschäft scheitern (wofür einiges sprach), dann müsste der für die Grossprojekte der folgenden Jahre nötige Kies auf dem freien Markt beschafft werden. Der Kanton versuchte also Zeit zu gewinnen um sich die nötigen Kapazitäten sichern zu können.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1802. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Montag, 2. April 2012

Linke Ratsminderheit verlangt staatliches Kieswerk

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Anders als sein bürgerlicher Vorredner Maag aus Stadel votierte am 16. Oktober 1961 im Zürcher Kantonsrat der 12. Redner in der Debatte um die «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach». Privatwirtschaftliche Lösungen seien abzulehnen:

«E. Burlet (Zürich) erinnert daran, dass man anlässlich der Beratung der Taxrevision sehr vom Sparen gesprochen habe; heute aber, wo sich für den Kanton die Möglichkeit grosser Einsparungen böte, will die bürgerliche Mehrheit des Rates nichts davon wissen. Burlet hätte ein staatliches Werk vorgezogen und beantragt deshalb, die Vorlage an den Regierungsrat zurückzuweisen, damit dieser ein Projekt für ein eigenes Werk ausarbeiten kann.»

Da war sie also, die Verstaatlichungsforderung. Und weil im Votum auch gleich Antrag auf Zurückweisung gestellt wurde bestand für den Rat nun Handlungsbedarf. Als kleiner Nebenschauplatz wollte ein Ratsmitglied auch der seiner Ansicht nach ausufernden Debatte den Riegel schieben:

«E. Schellenberg-Zürich ersucht, den Rückweisungsantrag Burlet abzulehnen; gleichzeitig erkundigt er sich nach der Zahl der eingeschriebenen Votanten.

Der Vorsitzende teilt mit, dass noch vier Redner eingeschrieben seien.

E. Schellenberg-Zürich beantragt, die Rednerliste zu schliessen.

Der Rat lehnt den Rückweisungsantrag Burlet mit grosser Mehrheit ab.

Dr. M. Kuhn-Zürich empfiehlt, die Rednerliste nicht zu schliessen.

Der Rat lehnt den Antrag Schellenberg mehrheitlich ab.
»

Ein halbes Jahrhundert danach können wir deshalb bis zum Abschluss der Beratung des Geschäfts noch weitere 13 Voten nachlesen.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1801-1802. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Sonntag, 1. April 2012

Stadler Kantonsrat legt sich für Weiach ins Zeug

Im gestrigen Artikel wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Heute fahren wir mit dem nächsten Votum der Kantonsratssitzung vom 16. Oktober 1961 fort.

Als Redner Nummer 11 meldete sich zur Frage der «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» ein mit der lokalen Situation vertrauter Parlamentarier zu Wort:

«H. Maag-Stadel bestätigt, dass die Kiesgruben von Weiach sehr ergiebig und qualitativ einwandfrei seien. Die Verstaatlichungsgefahr wird durch die Beteiligung des Kantons an diesem Werk nicht grösser. Es ist zwar ein Schönheitsfehler, dass eine ausländische Gesellschaft mit dem Kanton zusammenarbeiten soll, aber trotzdem sollte der Vorlage auch im Interesse der Gemeinde Weiach zugestimmt werden.»

Hört, hört! Da warf uns also ein Nachbar einen freundschaftlichen Stein in den Garten. Besonders die Windlacher haben ja auch Kies ähnlicher Qualität unter den Füssen. Trotz Unbehagen über den deutschen Grossinvestor war Maag aber für eine Beteiligung des Kantons.

Der Verweis auf die Verstaatlichungsgefahr ist besonders auf das Votum von Kommissionsmitglied Krafft gemünzt.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1801. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG
[Veröffentlicht am 10. April 2012]