Montag, 26. Juli 2021

Fluch über dem Platz wegen illegaler Rodungsaktion?

Etliche (vor allem ortsfremde) Besucher des römischen Wachtturms im Weiacher Hardwald kennen die Hintergründe des dortigen Flurnamens «Verfluchter Platz» nicht. Da kommen dann schon einmal Vermutungen auf, dass da Hexen und Zauberer oder gar die Römer selber dahinterstecken könnten (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 108, S. 432-433).

Es dürften aber wohl profanere Gründe vorliegen. 1850 wurde die Herkunft des Flurnamens in der Weiacher Ortsbeschreibung (Edition: Wiachiana Fontes Bd. 3) überzeugend hergeleitet. Alt Zunftgerichtspräsident Baumgartner erklärt ihn mit einem «verfehlten Cultur-Plane» (d.h. falscher Anbaustrategie nach der Rodung). Diese Kultivierungsbemühungen seien, so Baumgartner, «vor 80 Jahren» erfolgt, also um das Jahr 1770 herum.

Nun sass zu diesem Zeitpunkt das Ancien Régime der Gnädigen Herren zu Zürich, bzw. für die fürstbischöfliche Verwaltung zu Meersburg am Bodensee, noch im Sattel und die alte Weiacher Holzordnung von 1567 (HO 1567) war noch in Kraft. Folgt man den noch vorhandenen Unterlagen im Staatsarchiv des Kantons Zürich, dann wurde nämlich erst 1796 durch die (zürcherischen) Neuamtsobervögte eine neue Holzordnung erlassen (vgl. Weibel 1996; Bemerkung 3 zu RQNA Nr. 180, S. 392). Inwiefern die hochobrigkeitlichen Waldschutzverordnungen des 18. Jahrhunderts Einfluss hatten (vor allem das Erneuerte Waldungs-Mandat von 1773), ist bislang nicht geklärt.

Nach Art. 13 HO 1567 (Zählung n. Weibel 1996, vgl. WeiachBlog Nr. 1704 von gestern) war es explizit verboten, Wald zu roden, jedenfalls «one unnser, der ober unnd nidern grichtsherren, wüssen unnd erlouptnuß, by achtzechen pfunden buoß», eine hohe Geldstrafe, die bei Verhängung vollumfänglich in die Zürcher Staatskasse floss. Wir haben vor einigen Tagen gesehen, dass dies 36 Tageslöhnen eines Handwerkers entsprach (vgl. WeiachBlog Nr. 1692). Und wenn man die heutige Praxis beachtet, dass der Tagessatz bei einem Strafbefehl nicht auf dem Bruttoeinkommen, sondern auf dem steuerbaren Einkommen abgestützt wird, dann sind 18 Pfund Busse schon sehr viel.

Dass auf Weiacher Gemeindegebiet im 17. und 18. Jahrhundert Wald gerodet wurde und dies mit dem Wissen und der Bewilligung der Obrigkeiten erfolgte (oder zumindest bestraft wurde), ist erwiesen, sonst hätte der Weiacher Pfr. Wolf 1740 nicht erfolgreich den Zehnten auf sogenanntem «Neugrüt» im Sanzenberg beziehen können, also kürzlich gerodeten Flächen, wie aus einem im Archiv der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach liegenden Dokument (ERKGA II.A.3) hervorgeht.

Könnte es sein, dass man da im Hardwald nahe des Rheins illegalerweise Waldflächen gerodet und einen Anbauversuch gemacht hat? Und als das dann nicht klappte, sich wie der Fuchs in der Äsopschen Fabel verhielt, der die für ihn zu hoch hängenden Trauben hocherhobenen Hauptes als sauer diffamiert?

Selbst wenn die Rodung mit Bewilligung erfolgte: Der Frust über den Fehlschlag war dadurch nicht kleiner. Die Verminderung des Verlustgefühls durch die Herabsetzung der Qualität des Bodens ist in der Psychologie bekannt: als Saure Trauben-Effekt. Ist immer noch besser als den Misserfolg dem eigenen Versagen zuordnen zu müssen.

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