Können Sie sich noch erinnern, wie der Autor dieser Sommerserie in
WeiachBlog Nr. 1665 etwas maliziös das Verhalten der Niedergerichtsherren ganz zu Beginn der Verhandlungen über die künftige Holzordnung kommentiert hat? Bevor überhaupt klar war, dass dieser multilaterale Vertrag zustande kommt, brachten sie die Verteilung der Bussgelder aufs Tapet. Und verlangten, dass sämtliche Bussgelder bis 9 Pfund Pfenning ihnen gehören sollten.
Demarkationslinie 9 Pfund Pfenning
Das war die Grenze, die gemeinhin zwischen Niedergericht und Hochgericht eingezogen war. Nur Inhaber der Hochgerichtsbarkeit, die über sog. Malefitz-Sachen entscheiden durften (d.h. Verbrechen und Vergehen mit Strafandrohungen bis hin zur Todesstrafe), durften Bussen höher als 9 Pfund verhängen. Was Neuamtsobervogt Stampfer auch getan hatte, um die Verhandlungen punkto Weiacher Wälder in Gang zu bringen.
In einigen der im Rahmen der Sommerserie 2021 in den letzten Wochen besprochenen Artikeln der Holzordnung sind Bussgeld-Beträge mit Destinatärangaben versehen, so z.B. bei der Bestimmung zum Gemeinwerk (wo die Busse vollumfänglich in die Gemeindekasse floss; vgl.
WeiachBlog Nr. 1707 vom Mittwoch) oder bei der Fridhäg-Bestimmung (wo zwei Drittel an die Gerichtsherren und ein Drittel an die Gemeindekasse ging; vgl.
WeiachBlog Nr. 1691).
Vertragliche Sicherung der Scheidelinie 9 Pfund
Als letzten Artikel der Holzordnung, Art. 15 HO, haben die drei Vertragsparteien (Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich, Fürstbischof v. Konstanz, Freiherr zu Wasserstelz) einen Auffangparagraphen gesetzt, der diejenigen Fälle regeln sollte, wo die Zuteilung nicht aus dem Text einer Bestimmung hervorgeht.
Bei Weibel liest sich die Transkription der Urkunde in diesem Punkt wie folgt:
«[15.] Alles mit dem wytern bescheid unnd erlütherung, was fürterhin obgerürter massen für buossenn gefallen unnd nit antzeigt worden, wem dieselben heimbdienen unnd gefolgen, da sölle hiemit angesechen unnd beschlossen syn, was biß uff die nün pfund pfenning oder darunder sige, das sölle unns, den nidernn grichtsherren, was aber ob den nünen biß uff die achtzechen pfund pfenning oder darob jst, unns, denen von Zürich als der hochen oberkeit zuo gehören unnd blyben, unnd unnder uns dhein [kein] theil den andern daran sumen noch verhindern jnn dheinen weg.»
Hier wird sie also feierlich festgehalten, die von den Niedergerichtsherren geforderte 9-Pfund-Regel.
Mit dieser Regel ist auch gleich festgeschrieben, wer in einem Fall von Missachtung einer der Regelungen der Holzordnung die Strafverfolgung an die Hand nehmen musste. Bei Bussandrohung bis 9 Pfund ging der Fall vor den fürstbischöflichen Obervogt bzw. das Dorfgericht Weiach, das von einem Abgesandten dieses Vogts präsidiert wurde (i.d.R. ein Kaiserstuhler). Alles, was darüber lag, landete beim zürcherischen Obervogt des Neuamts.
Bei Renitenten müssen die Zürcher in die Hosen
In der Bussgeldbestimmung Art. 15 HO ist als Absatz 2 auch gleich ein Wiederholungstäter-Passus eingebaut:
«Unnd das ouch wir, die grichtsherren, mit nammen unsere verfalne buossen mit unnsern gepotten biß uff die nün pfund jntzüchen mogen; unnd wann dieselben nützit verfachen weltint, alß dann erst unnser, dero von Zürich, vogt zuo Wyach, umb die pott der achtzechen pfunden antzerüffen schuldig syn söllen.»
Warum hier 18 Pfund explizit genannt werden? Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass dies die Maximalbusse für Widersetzlichkeit gegen niedergerichtliche Vorgaben darstellte.
Die Fassung nach Art. 31 GO
In der Gemeindeordnung von 1596 erhielten die oben aufgeführten Bestimmungen den Titel «Wem die Bußen zugehören» und der Text liest sich wie folgt:
«Was obgerürter Maßen für Bußen gefallen und nit anzeigt worden, wem dieselben heimb dienen und gevolgen, da ist angesehen und beschlossen, was biß uf die nün Pfund Pfenning oder darunter ist, das soll den nideren Grichtsherren, was aber ob den nünen bis uf die achtzehen Pfund Pfenning oder darob ist, minen Herren von Zürich als der hohen Oberkeit zugehören und beliben, und kein Theil den anderen daran sumen noch verhinderen in keinen Weg; und das auch die Grichtsherren ire verfallenen Bußen mit iren Gebotten biß uf die nün Pfund inzüchen mögen. Und wann dieselben nützit verfahren [wohl verschrieben v. verfahen] weltind, alsdann erst miner Herren von Zürich Vögt zu Wyach umb die Pott der achtzechen Pfunden anzerüfen schuldig sin söllint.»
Interessant ist, dass hier bei der Renitenzklausel der Plural Vögt verwendet wird, in der Urkunde (nach Weibel) jedoch der Singular Vogt. Korrekt ist wohl der Singular, wie sich aus dem Kontext ergibt, denn der zürcherische Untervogt (der Einsitz im Weiacher Dorfgericht hatte) musste seinem Vorgesetzten, dem zürcherischen Obervogt, in einem solchen Fall Meldung erstatten. Dazu kommt, dass der Neuamts-Obervogt ja nicht in Weiach ansässig war, sondern in der Stadt Zürich seinen Amtssitz hatte (wie bei allen sog. inneren Vogteien üblich; nur Landvögte residierten auf der Landschaft draussen, wie in Regensberg, Eglisau oder auf der Kyburg)
Ratifikationsvermerk
In der Urkunde von 1567 folgt dem Text des letzten Artikels noch eine Ratifizierungs- und Gewährleistungsfloskel, d.h. die Bekräftigung der Annahme der vorstehenden Bestimmungen durch die Vertragspartner, verbunden mit der Aufforderung an die Rechtsunterworfenen (wer auch immer das im Einzelfall konkret war), diesen Vorgaben nachzuleben:
«Unnd wann nun wir, obgemelten vordern [!; nicht «hohen»] unnd nidern grichtsherren, obgenanter unser verordneten ansechen unnd gestelte ordnung verhört unnd darjnne nützit untzimlichs, sonnder alle billigckeit befunden, so habennt wir die zuo gefallen angenommen, die zuo chrefften erkent, bestät unnd wellennt, das hinfüro allem dem, so obstat, thrüwlich gelept unnd nachkommen, unnd dawider niemer nichts fürgenommen noch gehanndlet werde jnn dheinen [keinen] weg, alles gethrüwlich unnd ungefarlich.»
Am Falz unter diesem Text hängen die Siegel der drei Vertragsparteien.
Dass sich kurz darauf sowohl die Kaiserstuhler, sowie im Gefolge auch die Weiacher nicht wirklich an diese Vorgaben gehalten haben (jedenfalls aus Sicht der Zürcher bzw. des Herrn zu Wasserstelz) geht aus Interventionen vom September 1568 bzw. April 1570 hervor (vgl. letzten Abschnitt von
WeiachBlog Nr. 1347, s. RQNA Nr. 180, Bemerkungen 1 u. 2, S. 392.)
Quellen
- Ott, F.: Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 183. [vgl. RQNA 180: Holzordnung].
- Weibel, Th.: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt [=RQNA]. Aarau 1996 – S. 391-392.
Inhaltsübersicht zu Gemeindeordnung und Holzordnung
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