Mittwoch, 28. Juli 2021

Kommunales Gemeinwerk und Fronarbeiten (Art. 30 GO 1596)

Eine Bestimmung in der ältesten Weiacher Gemeindeordnung, Art. 2 GO 1596, befasst sich mit dem Thema Strassen (vgl. WeiachBlog Nr. 887). Für deren Unterhalt waren die Anstösser zuständig und die geschworenen Dorfmeier hatten «Ufsehens und Acht» darauf zu haben, dass die nötigen Arbeiten auch tatsächlich ausgeführt wurden.

Bereits im zweitletzten Artikel der Holzordnung von 1567 (Art. 14 HO), der als Artikel 30 in die Gemeindeordnung übernommen wurde, ist hingegen festgelegt, dass Unterhalt an der dörflichen Infrastruktur mittels im Gemeinwerk zu verrichtender Arbeit bewerkstelligt werden soll. 

Wie die Abgrenzung zwischen diesen beiden Bestimmungen funktioniert hat, ist unklar. Bei den in Art. 2 GO erwähnten Arbeiten dürfte es sich wohl um die kleineren Angelegenheiten gehandelt haben, bei den in Art. 30 GO um die umfangreicheren, wie sich aus dem nachstehend diskutierten Wortlaut ableiten lässt.

Arbeiten und arbeiten lassen. Der Unterschied zwischen Bauern und Tagnern

Die Holzordnung äussert sich jedenfalls sehr ausführlich zu Gemeinwerk und Fronarbeit für öffentliche Zwecke, die mit den Waldungen direkt nichts zu tun haben. In der Transkription Weibel (erstellt ab der Originalurkunde) liest sich Art. 14 HO wie folgt:

«Sovil dann die bruggen, stäg, weg unnd der gmeind zünung zuo verbessern antrifft, da söllinnt die puren, so roß- oder rinder züg habent, jeder zyt zuo demselben allem alle nothurfft zuohin zefüren schuldig syn, unnd dann die tagner alle gmeinlich mit jren lyben jre tagwan unnd jr bests thuon.»

Hier ist er wieder deutlich zu erkennen, der Unterschied zwischen Bauern und Taunern (vgl. WeiachBlog Nr. 1675). Ein Tagner, Tauner oder Taglöhner wird hier geradezu dadurch definiert, dass er aus eigenen Mitteln kein Gespann (ob mit Kühen oder gar Pferden) zusammenstellen kann. Deshalb muss er seinen Anteil am Gemeinwerk mit eigener Körperkraft leisten. Die Bauern waren nach diesem Absatz nur zu Transportdienstleistungen verpflichtet, diese allerdings in unbegrenzter Höhe. Von eigener körperlicher Arbeit steht da gar nichts.

Es galt die Gemeinwerk-Ersatzpflicht

Man konnte sich aus dieser Fronarbeit auch befreien, wie die weiteren Absätze des Artikel 14 HO erläutern:

«So aber einer söllichen tagwan selbs nit thuon köndte oder möchte, das dann einer dermassen einen knecht dahin stellen, der den tagwan wol versechen unnd vollstrecken möge; unnd sy die strassen all, so jnen zemachen zuostand, dermaßen machen unnd bessern, das die guot unnd wol zewandlen sigen.»

Dieser zweite Satzteil kommt einem nach Lektüre des Strassenartikels (Art. 2 GO 1596) ziemlich bekannt vor. Der Strassenzustand musste so sein, dass man darauf gut gehen, reiten und fahren konnte. Dass es auch anders sein kann, sieht man heute noch in den weiten Ebenen Russlands, wo regelmässig die Rasputiza (Schlammzeit) zuschlägt: Liegenbleibendes Wasser aus Schneeschmelze und Regenfällen, das die Strassen unpassierbar macht. Zum Glück ist die Landschaft bei uns nicht so topfeben. In Weiach hat man die Möglichkeit, Niederschlagswasser Richtung Rhein abzuleiten.

Zu wenig arbeiten können oder nur anwesend sein? Reicht nicht!

Zurück zur Ersatzpflicht. Ein selbst nicht anwesender Gemeinwerkpflichtiger konnte auch einen Dritten (z.B. einen seiner Knechte) zum Gemeinwerk abkommandieren. Der musste allerdings nicht nur körperlich in der Lage sein zu arbeiten, sondern auch tatsächlich arbeiten wollen:

«Wann aber einer einen knaben dahin schickte, der den tagwan nit volbringen möchte, oder einer von puren ald tagneren nit an das werch keme, oder ob sy glych daselbs weren unnd aber nit werchen weltind, alßdann sölle die gmeind gwalt haben, knecht an derselben statt an das werch zestellen, volgentz die ungehorsammen denselben heissen den lon geben, unnd wer derselben stucken eins übersicht, umb ein pfund pfenning zestraffen, unnd dieselb buoß jnen, der gmeind, belyben.»

Die Gemeinde konnte somit auf Kosten nicht arbeitender Gemeinwerkpflichtiger (aus welchen Gründen auch immer die Arbeit von ihnen nicht erledigt wurde) Realersatz organisieren und den Pflichtigen zur Bezahlung desselben zwingen. Darüber hinaus war dann noch eine Busse von 1 Pfund fällig, welche vollumfänglich in die Gemeindekasse floss. Damit war eine der «Unordnungen», die zur Gemeindeordnung geführt hatten, erneut adressiert und bekräftigt (vgl. WeiachBlog Nr. 883, Beschwerde Nr. 6).

Die Bestimmungen als Art. 30 GO

In der Mitte des 19. Jahrhunderts von Friedrich Ott publizierten Transkription einer Abschrift der Weiacher Gemeindeordnung ist der Artikel mit der Überschrift «Bruggen, Stäg und Wäg sc.» versehen. Hier der gesamte Text ohne zwischengeschaltete Kommentare:

«So vil die Bruggen, Stäg und Wäg und der Gemeind Zünung zu verbeßeren antrifft, da söllent die Puren, so Roß oder Rinder Züg habent, jederzit zu demselben allem alle Nothurfft zuhin ze führen schuldig sin, und dann die Tagner alle gmeinlich mit iren Liben ire Tagwen und ihr bests thun; so aber einer sollichen Tagwen selbst nit thun köndte oder möchte, das dann einer dermaßen einen Knecht dahin stellen, der den Tagwen wol versehen möge; und si die Straßen all, so inen zu machen zustand, dermaßen machen und beßeren, daß die gut und wol ze wandlen sigen. Wann aber einer einen Knaben dahin schickte, der den Tagwen nit vollbringen möchte oder einer von Puren ald Tagneren nit an das Werk keme oder ob sie glich daselbs weren und aber nit werchen weltind, alsdann solle die Gmeind Gwalt haben, an derselben Statt Knecht an das Werk ze stellen, volgents die unghorsamen denselben heißen den Lohn geben; und wer derselben Stuken eins übersicht, umb ein Pfund Pfenning ze straffen und dieselb Buß der Gmeind beliben.»

Quellen
  • Ott, F.: Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 183. [vgl. RQNA 180: Holzordnung].
  • Weibel, Th.: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt [=RQNA]. Aarau 1996 – S. 391.

Inhaltsübersicht zu Gemeindeordnung und Holzordnung

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