Donnerstag, 22. Juli 2021

Das Gesangfest in Zeiten der Cholera

Die Cholera war im 19. Jahrhundert so etwa das, was wir heute mit SarsCov2 erleben. Ein Einschnitt im Leben der Menschen. Und eine heftige Kontroverse dazu.

Wie die Medizinhistorikerin Ritzmann im Historischen Lexikon der Schweiz schreibt (vgl. Quellen), habe es von ihrem ersten Auftreten an (in den 1830er-Jahren) bis über die Entdeckung des Erregers durch Robert Koch im Jahre 1883 hinaus einen heftigen «Streit über die Ursache der Cholera und die davon abgeleiteten medizinischen, wirtschafts- und sozialpolitischen Strategien zu ihrer Bekämpfung» gegeben.

«Die Kontagionisten gingen von einem ansteckenden Keim aus; die vorgeschlagenen Massnahmen lauteten deshalb Quarantäne, Isolierung, Meldepflicht und Grenzsperren. Die Miasmatiker postulierten dagegen ein ortsgebundenes Gift und beschränkten ihre Forderungen auf hygienische Verbesserungen. Insbesondere stellten sie sich vehement gegen jede Einschränkung des Handels und der individuellen Freiheit. Während die Bevölkerung mit Panik und Flucht reagierte, versuchten die Regierungen häufig, ihr epidemisches Auftauchen möglichst lange zu verschweigen.»

Der dritte Seuchenzug von 1867 erfasste auch den Kanton Zürich (der damals rund 280'000 Einwohner zählte) mit ziemlicher Wucht und tötete 500 Menschen, wobei offenbar vor allem die Ärmeren starben. Das verwundert nicht weiter, wenn man sich die hygienischen Verhältnisse der damaligen Zeit (insbesondere punkto Abwasserentsorgung) vor Augen führt.

Trotz dieser Seuchenlage liess sich Weiach offenbar nicht davon abbringen, ein Gesangsfest durchzuführen, wie die in Bern erscheinende Zeitung «Der Bund» am 17. September 1867 mitteilte:

«Zürich. Der Wohlthätigkeitsverein konnte bereits die Summe von Fr. 2281 (für heimgesuchte Familien, Cholerakranke u. s. w.) sammt vielen Gaben an Kleidung, Wein und Nahrungsmitteln verdanken.» [...]

«Wir freuen uns, aus diesem schwer heimgesuchten Kanton auch noch von einem Gesangfeste zu hören, welches in Weiach trotz Seuche und Ungewitter gefeiert wurde. 

Freitags war der Bestand der Cholerakranken 97; vom Freitag auf den Samstag kamen von neuen Fällen hinzu: in Zürich 14, in Außersihl 10, in Unterstraß 5, in Oberstraß 4, in Altstetten 3, in Stadel 2, in Riesbach, Wiedikon, Oerlikon, Adlischweil und Adlikon je 1. Todesfälle fanden 3 im Absonderungshaus, 11 auswärts statt. Es werden 7 Genesungen angegeben. Samstag Mittags war der Bestand 119, wovon 30 im Absonderungshaus.»

Was für ein Unterschied zwischen damals (Gesangsfest wurde durchgeführt) und heute (Dorffest 750 Jahre Weiach im September ist abgesagt).

Quellen

  • Der Bund, 18. Jahrgang,  N° 255, 17. September 1867
  • Ritzmann , I.: Cholera. In: Historisches Lexikon der Schweiz (e-HLS), Version vom 23.02.2005.

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