Montag, 2. Dezember 2019

Parkierungskonzept-Flyer wirft Fragen auf

An der Gemeindeversammlung vom 28. November war keines der traktandierten Geschäfte das grosse Thema, weder das Budget 2020 noch das Einbürgerungsgeschäft.

Nein, die Aufmerksamkeit konzentrierte sich offensichtlich auf ein Thema, das noch vor wenigen Jahren keines gewesen wäre: das wilde Parkieren. Die seitens des Gemeinderates präsentierte Lösung für dieses Problem war sogar einen Aufmacher im Zürcher Unterländer wert.

Innerhalb eines Jahres hat der Gemeinderat ein «Parkierungskonzept für das Parkieren auf öffentlichem Grund» erarbeiten lassen. Man habe «eng mit der Kantonspolizei Zürich und einem Ingenieurbüro zusammengearbeitet, um die kritischen Stellen in Weiach zu identifizieren», so der Gemeindepräsident gemäss Unterländer.

Kommunikation mit den Abwesenden auf dem Prüfstand

Da die überwiegende Mehrheit der Weiacher sich weder an Informationsanlässen noch an Gemeindeversammlungen blicken lässt, ist es von grossem Interesse, wie der Gemeinderat zu diesem Thema schriftlich kommuniziert. Denn diese Zielgruppe muss sich allein auf Schriftliches abstützen.

Am 1. Dezember wurde unter der Rubrik Aktuelles das 4-seitige Dokument «Parkieren in Weiach» aufgeschaltet (PDF, 5.7 MB).

Im Dateinamen wird es zwar als Flyer bezeichnet, in der Ankündigung vom 1. Dezember und im Dokument selber (S. 1) nennt man das Papier aber explizit «Broschüre». Bei der auf Seite 4 unter dem Titel Weitere Informationen (S. 4) aufgeführten Broschüre «Parkieren in Weiach» scheint es sich um diesen Flyer zu handeln.

Nicht aufgeschaltet wurde hingegen das ebenfalls auf S. 4 aufgeführte Basisdokument «Parkierungskonzept Weiach mit Beilagen». Damit hätten sich möglicherweise einige der nachstehenden, durch den Flyer aufgeworfenen Fragen beantworten lassen. Aber eben: zeitgerechte und nachvollziehbare Internetkommunikation gehört (noch) nicht zu den Stärken dieser Gemeindeverwaltung.

Was gilt jetzt wo genau? Und ab wann genau?

Dass man nicht auf Trottoirs und vor fremden Einfahrten parkieren soll und dass der Verkehr nicht behindert werden darf (auch nicht der mit breiteren landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Lastwagen), das versteht sich von selbst. Und auch, dass auf der Stadlerstrasse (RVS 566 = Kantonsstrasse) das Parkieren nicht erlaubt ist - obwohl das nirgends erwähnt ist. Die als Hauptstrassen geltenden Kaiserstuhlerstrasse bzw. Glattfelderstrasse fallen sowieso nicht unter die Gemeindehoheit.

Aber auch beim Rest steckt der Teufel im Detail. Und man kann sich schon lebhaft vorstellen, wie parkierwillige und gesetzestreue Weiacher spätestens im Frühjahr 2020 (wann immer das datumsmässig sein mag) mit dem Messband bewaffnet ihre Strassen ausmessen, um ja keinen Fehler zu machen, der dem Ortspolizisten zu einem Bussgeldbescheid Anlass geben könnte.

Unter der Lupe

Auf der ersten Seite des Flyers werden die relevanten Massangaben anhand einer schematischen Darstellung präsentiert, für die ältere Semester schon einmal eine Lupe brauchen. Der Autor dieser Zeilen hat daraus das Nachstehende destilliert (aber vielleicht ist auch alles ganz anders):
  1. Jeweils fünf Meter vor Einmündungen anderer Strassen, dem «Einlenkerbereich», darf nicht parkiert werden. Und zwar auch auf der gegenüberliegenden Seite der Einmündung nicht.
  2. Wo auf einer Strasse ein Parkfeld aufgemalt ist, da darf in beide Richtungen nach «5-6 Personenwagen-Längen = ca. 30.00 Meter» wieder frei parkiert werden. Zwischen den Parkfeldern müssen also mehr als 60 Meter liegen, damit man dort sein Fahrzeug auf der Strasse abstellen darf.
  3. Gemeindestrassen mit einer Breite ab 5 Metern sind für das Parkieren zugelassen. Sobald aber zwischen Fahrbahnrand und Autotüre nur noch 2.50 Meter bleiben, dann ist das Parkieren wegen Verkehrsbehinderung verboten. Auf einer Strasse mit 4.50 Metern Breite herrscht also faktisch bereits Parkverbot.
Bei der Lektüre des Flyers wird man den Eindruck zuweilen nicht los, mit einer Art Denksportaufgabe konfrontiert zu sein. Es ist nicht auf den ersten Blick trennscharf definiert, was genau auf welcher Strasse gilt. Vor allem fehlt eine Liste aller derjenigen Strassen (bzw. Strassenabschnitte), auf denen a priori ein Parkverbot herrscht.

Wann wird sanktioniert? Einwohner anders als Auswärtige?

Unklar ist vor allem, wie diese «5-6 Personenwagen-Längen»-Regel im Strassenbild unmissverständlich kommuniziert wird. Gilt sie nur für Einwohner von Weiach, bei denen angenommen wird, dass sie diese Vorschrift intus haben? Wie erfahren Auswärtige, was Sache ist?  Bei der Tempo-30-Zone im Oberdorf ist das ja relativ einfach. Die ist an allen Eingängen klar signalisiert. Wird das bei den mit Parkfeldern auszustattenden Strassen (Chälenstrasse, Oberdorfstrasse, Seerenstrasse) auch so sein?

Verkehrssicherheit ohne Trottoir?

Von den drei mit Parkfeldern auszurüstenden Strassen hat die Seerenstrasse durchgehend ein Trottoir. Also kein Problem für die Fussgänger. Für den oberen Teil der Oberdorfstrasse mit fünf Parkfeldern oberhalb der Mühle ist dies auch der Fall, ebenso für das erste Parkfeld an der Chälenstrasse. Alles kein Problem.

Ganz anders sieht das mit dem sechsten Parkfeld der Oberdorfstrasse und den oberen drei Parkfeldern an der Chälenstrasse aus. Im Oberdorf ist die Verkehrssicherheit ja durch die 30er-Zone verstärkt worden. Aber in der Chälen? Da herrscht nach wie vor «Generell 50»!


Als die Baubewilligung für die Gebäude Chälenstrasse 23, 25 und 27 erteilt wurde, hat es die Gemeinde versäumt, die Weiterführung des Trottoirs bis zur Liegenschaft Nr. 29 durchzusetzen, angeblich aus Gründen des Ortsbildes, das nun mit den für den Ersatzbau direkt an der Strasse gewählten Materialien und Farben definitiv im Eimer ist.

(Foto: D. Meier, Chälenstr. 13)

Kein Trottoir also, obwohl weiter hinten Dutzende von Wohnungen der Überbauung Im Bruchli liegen und obwohl dorthin schon seit Jahren reger Verkehr herrscht.

Welcher «Experte» kommt auf solche Ideen?

Die Chälenstrasse ist vor allem im hinteren Teil (trottoirloser Teil nach Einmündung Stockistrasse) zu stark befahren und zu schmal, um noch auf der Fahrbahn parkierte Fahrzeuge tolerieren zu können.

Wie kann man da bloss auf die Idee kommen, ausgerechnet in der Kurve beim Steingarten der Liegenschaft Chälenstr. 22 einen Parkplatz platzieren zu wollen?

Ist das eine verkappte Verkehrsberuhigungsmassnahme, mit der die Einführung einer Tempo-30-Zone im Quartier Chälen verhindert werden soll? Denn würde am eben beschriebenen Ort kein Parkfeld auf die Strasse gemalt, dann müsste jedermann, der mit gesundem Menschenverstand und der Vorgabe «Verkehrssicherheit» ausgerüstet ist, vom Vorhaben ausgerechnet dort parkieren zu wollen, umgehend Abstand nehmen.

So sieht das wieder einmal danach aus, dass die Bewohner der hinteren Chälen diskriminiert werden, weil man die 60 Meter-Regel mit der Platzierung dieser vier Felder durchsetzen will. Der Gemeinderat nimmt schlicht in Kauf, dass es dort irgendwann verletzte oder gar tote Fussgänger gibt. Es sei denn, man würde nun endlich auch im Westen des alten Dorfkerns die im Oberdorf bereits bestehende 30er-Zone einführen.

«Ohne zeitliche Beschränkung»?

Schliesslich wäre da noch die Angabe «ohne zeitliche Beschränkung» zu den auf der Strasse mit weisser Farbe zu markierenden Feldern (vgl. Bild Chälenstrasse oben).

Bei den blauen Feldern der Parkierungsanlage Ortsmitte wird die sattsam bekannte Parkscheibe zum Einsatz kommen, wohl verbunden mit Tafeln, die auf die zeitlichen Einschränkungen und die Maximalparkzeit von sechs Stunden hinweisen.

Was ist nun mit der 48-Stunden-Beschränkung für Parkieren auf öffentlichem Grund ohne Bewilligung? Gilt die auf den weissen Parkfeldern nicht? Oder doch? Eine «Parkkarte 8187» wird ja offenbar nicht eingeführt.

Im Text erwähnter Artikel

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Nachtrag vom 3. Dezember 2019

Nun gibt es neben der Meldung unter Aktuelles auch eine eigene Webseite zum Parkierungskonzept. Zwar etwas versteckt und nur über die Suchfunktion auffindbar, aber immerhin.

Dort heisst es einleitend: «Die Gemeinde Weiach hat ein neues Parkierungskonzept für das Parkieren auf öffentlichem Grund entwickelt. In den folgenden Dokumentationen finden Sie die nötigen Informationen, um ihr Fahrzeug auf Gemeindegebiet korrekt abzustellen und die Neuerungen ab Frühjahr 2020 bezüglich des Parkierens in Weiach.» Nach diesem Text stehen drei Links:

Bei den beiden 9-Megabyte-Dateien handelt es sich um Ortspläne des ausführenden Planungsbüros Plane Raum aus Zürich.

Das sind offensichtlich die Beilagen zum nach wie vor nicht verfügbaren Dokument Parkierungskonzept Weiach mit Beilagen.

Der Plan Heutige Situation zeigt hellblau eingefärbt alle Strassenabschnitte auf, die sich zum Parkieren eignen. Zusätzlich wird die ungefähre Anzahl Parkplätze angegeben.

Der Plan enthält überdies die genauen Orte sämtlicher Strassenverkehrsunfälle der letzten 5 Jahre im überbauten Gebiet von Weiach: rund 60 Punkte, davon einige wenige rot, was Unfälle im Zusammenhang mit (falsch) parkierten Fahrzeugen bezeichnet.

Es zeigt sich auf diesem Plan auch, dass der offenbar einzige Strassenabschnitt mit signalisiertem Parkverbot derjenige vor den Mehrfamilienhäusern an der Steinbruchstrasse ist.

Überall sonst ist wildes Parkieren bisher nicht verboten, sofern man die Verkehrssicherheit beachtet. Und genau daran hat es ja in jüngster Zeit gehapert, sonst wäre der Gemeinderat nicht auf die Idee gekommen, das Thema aktiv anzugehen.

Der Plan Konzeption PP zeigt auf, welche Strassen und Strassenabschnitte sich nach Ansicht der Experten weiterhin für freies Parkieren eignen (grün) und welche gar nicht (violett; Parkieren nicht zulässig. Strassen die sich grundsätzlich für das Parkieren nicht eignen).

Diejenigen Abschnitte der Chälenstrasse, Oberdorfstrasse und Seerenstrasse, auf welchen Parkfelder vorgesehen sind (orange; Markierung der Parkfelder. Strassen auf denen das Parkieren durch die Bezeichnung von Parkfeldern klar geordnet wird) sind farblich gekennzeichnet. Hier wird die sonst universell geltende «5-6 Personenwagen-Längen»-Regel mittels Parkfeldern eingeschränkt.

In die Parkplatzbewirtschaftung der Privatstrassen Im Bruchli, Kindergartenweg und Birkenweg mischt sich die Gemeinde nicht ein (gelbe Markierung). Vergessen wurde dabei der Steinweg (zwischen Chälenstrasse und Herzogengasse).

Seltsamerweise gibt es auch öffentliche Strassen ohne Fahrverbot, wie die Herzogengasse, die Zelglistrasse, die Bachserstrasse, die Sackgasse Im Bungert, sowie der westliche Teil der Seerenstrasse, die überhaupt nicht eingefärbt sind - auch nicht violett. Da geht man offenbar davon aus, dass diese Strassen schmal genug sind, sodass keiner auf die Idee kommt, dort parkieren zu wollen.

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