Sonntag, 8. Dezember 2019

Als der Gemeinderat endlich das «Totenhäuschen» renovieren liess

Manche kleinere Renovation ist in der Bauchronologie der Jubiläumsbroschüre «ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach». 300 Jahre Kirche Weiach, 1706 – 2006. (2., korr. u. erg.  Aufl., April 2007; pdf, 17156 kB) nicht aufgeführt. So zum Beispiel diese hier:

«Die Kirchenpflege liess die westliche, stark verwitterte Giebelseite der Kirche, der Gemeinderat den ebenfalls unansehnlich gewordenen Vorbau zur Kirche (sog. "Totenhäuschen") endlich wieder instand stellen.» (Zollinger, W.: Chronik des Jahres 1953. G-Ch Weiach 1953 – S. 11).


Foto Walter Zollinger nach der Renovation 1953

Bei dem von Zollinger erwähnten «Totenhäuschen» handelt es sich um den linken Teil dieses Vorbaus zur Weiacher Kirche. Diese Bezeichnung passt zum Umstand, dass offensichtlich die politische Gemeinde für dessen Renovation zuständig war, denn das Bestattungswesen gehörte bereits damals zu deren Aufgaben.

Dass 1953 der Vorbau renoviert worden war, zeigt sich übrigens auch an Fotografien aus der Zeit der Gesamtrestaurierung ab Mitte der 1960er-Jahren (Vorbau nicht eingerüstet):


Die Kirche während der Restaurierung, 19. Oktober 1966 (Foto: Kantonales Hochbauamt Zürich; Signatur: 3067/62).


Wozu diente das «Totenhäuschen»?

Der Riegelvorbau ist dank der Erweiterung des Friedhofs im Nachgang zum Bau des Alten Gemeindehauses von 1857 entstanden. Die Mauer zwischen Kirche und Gemeindehaus wurde 1859 an den Verlauf der Nordwestfassaden angeschlossen, ist also nicht mehr im Originalzustand von 1706 erhalten.

Das «Totenhäuschen» wird auch im Turmkugeldokument von 1863 und daraus zitierend in der Jubiläumsbroschüre auf S. 51 erwähnt: «Der Vorbau konnte so um eine «Leichenkammer» erweitert werden. «Die erste erwachsene Person, die auf dem erweiterten Kirchhofe ihre Ruhestätte fand, war eine im Schnee auf Weiachergebiet verunglückte Frau von Hohenthengen, welcher das dortige Pfarramt das Begräbniss in Hohenthengen verweigerte, da sie eine Protestantin sei[...]. Die damalige Leichenkammer ist heute das Sigristenzimmer.» (vgl. auch WeiachBlog Nr. 309). 

Neben dem nun gegen Wind und Wetter optimal geschützten Eingangsportal war ein weiterer Raum erstellt worden. Ob diese «Leichenkammer» nun tatsächlich ein Aufbahrungsraum gewesen ist? Wenn dem so war, dann scheint er spätestens ab den 1960er-Jahren nicht mehr als solcher genutzt worden zu sein.

Leichenaufbahrung erfolgte eigentlich zuhause

Wie alt Gemeindeschreiber Hans Meier auf Anfrage von WeiachBlog erklärte, habe es seit seinem Amtsantritt 1961 keinen Fall gegeben, wo eine Leiche in diesem Anbau aufgebahrt worden sei. 

Wie früher üblich haben die Weiacher ihre Toten in der Regel zuhause behalten  bis sie dann spätestens nach 3 bis 4 Tagen in einem öffentlichen Trauergeleit zur Beerdigung begleitet wurden.

Nur in den Fällen, wo dies nicht möglich gewesen sei, habe er jeweils mit der Gemeinde Stadel Kontakt aufgenommen. Dort habe es damals bereits einen Aufbahrungsraum gegeben. [Bei Todesfällen im Spital wurden die Verstorbenen wohl in deren Kühlräumen aufgebahrt.]

Was Walter Zollinger als «Totenhäuschen» und Pfr. Ludwig Schweizer im Turmkugeldokument von 1863 (OM Weiach KTD 9) als «Leichenkammer» bezeichnen, kann deshalb bis zur Gesamtrestaurierung 1965 auch lediglich ein Magazin für die Aufbewahrung der Gerätschaften für den Totengräber gewesen sein.


Der Riegelvorbau  links das Sigristenzimmer  am 15. September 2011 (Aufnahme: Roland zh; Wikimedia Commons)

Nach 1965 wurde das Totenhäuschen zum Sigristenzimmer. Die Gerätschaften für den Totengräber wurden im ehemaligen Gemeindewaschhäuschen Büelstrasse (vis-à-vis Haupteingang Friedhof) aufbewahrt.

Aus Arrestzellen werden Leichenraum und Toiletten

Noch bis Mitte der 1970er-Jahre wurden die beiden Arrestzellen im Alten Gemeindehaus von der Schweizer Armee genutzt, wenn ein Verband im Dorf einquartiert war (vgl. auch WeiachBlog Nr. 1434 von gestern Samstag).

Mit dessen Umbau und Renovation Ende der 1970er-Jahre hob man diese Zellen auf und richtete die Funktionalität in den unteren Räumen auf das Bestattungswesen aus. Es wurden ein «Leichenraum» sowie Toiletten für die Friedhofs- und Kirchenbesucher eingebaut. 

Davon dass die Gemeinde Weiach bei diesem Vorhaben auch von Bundesbeiträgen profitierte, zeugt das Dossier E7291B#1980/16#133* im Schweizerischen Bundesarchiv:


Das ehemals im Erdgeschoss des Alten Gemeindehauses einquartierte Feuerwehrlokal war bereits 1948 in den Westanbau des neuen Gemeindehauses verlegt worden und 1976 von dort ins Untergeschoss der Mehrzweckhalle Hofwies.

Der Eingang zu den Toiletten liegt friedhofseitig an der linken Ecke des Gemeindehauses  diskret mit aufgemaltem Hinweis bezeichnet.


Der Leichenaufbahrungsraum, eingebaut im unteren Geschoss des Alten Gemeindehauses; 15. September 2011 (Aufnahme: Roland zh; Wikimedia Commons)

Quellen
  • Schweizer, L.: Turmkugeldokument vom 19. Juli 1863. Edition: Wiachiana Fontes, Bd. 1. Original: Archiv des Ortsmuseums Weiach, OM Weiach KTD 9.
  • Zollinger, W.: Chronik des Jahres 1953. Typoskript. Handschriftensammlung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1953 – S. 11.
  • Brandenberger, U.: Telefonate mit alt Gemeindeschreiber Hans Meier und alt Gemeinderat u. Kirchenpfleger Willi Baumgartner-Thut vom 8. Dezember 2019.

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