Freitag, 27. Dezember 2019

Gestaffelte Tarife für die Neuzuzüger-Abgabe

Weiach hatte bereits vor etwas mehr als 420 Jahren ein Problem mit Neuzuzügern. Es gab damals kurz nach dem Erlass der ältesten bekannten Gemeindeordnung von 1596 ganz einfach zu viele Fremde, die in Wiach haushablich werden wollten (also Grundeigentum kauften oder zu kaufen vorgaben) und dadurch auch an den Gemeindegütern partizipieren konnten. Als Fremde galten alle Nicht-Zürcher.

Zu attraktiv für Neuzuzüger

Das Problem: Weiach war zu attraktiv. Verglichen mit anderen Gemeinden verfügte es nämlich über eine relativ grosse Allmend, vor allem aber über viel Gemeindewald, der jährlich eine schöne Dividende in Form von Brennholz, und alle paar Jahrzehnte auch einen grossen Posten vom begehrten Bauholz abwarf. Und verglichen mit all diesen Vorteilen war das Einzugsgeld (eine Art Neuzuzüger-Abgabe) zu tief.

Nach Konsultation der Niedergerichtsherren erliess die Zürcher Obrigkeit als Hochgerichtsherr über Weiach am 15. November 1598 einen neuen Weiacher Einzugsbrief mit höheren Tarifen.

Der eigentlichen Verordnung vorangestellte Erwägungen zeigen, wo die Weiacher der Schuh drückte:
«so werdint aber sy von wegen geringe deß jnzugs unnd dargegen jres schoenen gmeinwerchs jnn holtz und veld, darvon ein jeder jnseß jerlich ein gůte nutzung empfache, mit frömbden, nüwen jnzüglingen nit wenig beschwerdt, dardurch nit allein die koüff der hüseren und güeteren by jnen ufgetriben, sonnder ouch sy jnn der gmeind übersetzt.» (Rechtsquellen Neuamt, Nr. 186 - S. 415)

Dieser wirtschaftliche Druck erhöhte natürlich die Häuser- und Landpreise. Die grosse Nachfrage führte überdies zu einer Verkleinerung der Anteile am Ertrag der Gemeindegüter für die bereits vor Ort Ansässigen, wollte man nicht Raubbau an Feld und Wald treiben.

Erhöhung aufs Zweieinhalbfache verlangt

Die Weiacher hatten deshalb bei der Zürcher Regierung verlangt, ihre kommunale Lenkungsabgabe namens Einzugsgeld von 10 auf 25 Gulden erhöhen zu dürfen.

Was sie erhielten, war tatsächlich eine Erhöhung. Allerdings eine mit sehr differenzierter Tarifstruktur, abgestuft nach Herkunft und Nationalität. Mit einem Obolus zugunsten der Niedergerichtsherren. Und etlichen weiteren Bestimmungen, auf die in diesem Beitrag nicht eingegangen wird.

Unterschieden wurde nicht nur zwischen Personen aus der Eidgenossenschaft und Ausländern. Nein, auch für Schweizer dekretierte der Zürcher Rat mehrere Abstufungen:

Neuämtler, übrige Zürcher Untertanen und andere Eidgenossen

«Das ein jeder, so fürohin zů jnen gehn Wyach züchen und synen hußhablichen sitz by jnen haben, ouch trib, træt, wun, weyd und andere jre grechtigkeiten nutzen und bruchen will, jnen vor synem jnsitz zů jnzug gelt ußrichten unnd bar bezalen sölle, mitnammen:

[a] Einer, so uß einer andern gmeind jm Nüwenampt gelegen, fünffzehen guldin, 

Die Obervogtei Neuamt bestand damals aus folgenden Ortschaften: Raat, Windlach, Schüpfheim ZH, Stadel b. Niederglatt, Neerach, Riedt b. Neerach, Hochfelden, Höri (nur Gebiete westlich der Glatt), Nöschikon, Niederglatt (nur Gebiete westlich der Glatt), Hofstetten, Oberglatt (nur Gebiete westlich der Glatt), Oberhasli, Mettmenhasli, Niederhasli, Nassenwil, Adlikon b. Regensdorf. Dazu kamen noch die Höfe «im Thal» (nordwestlich von Bachs), der «Ditikerhof» (südlich von Dielsdorf) und der Weiler Schachen (westlich der Glatt, südlich von Glattfelden)

[b] demnach einer, so uß anderen unseren grafschafften, herschafften, grichten und gebieten jst, zwentzig guldin,

Darunter fielen Personen, die aus der Grafschaft Kyburg stammten (also beispielsweise Zweidler, Glattfelder und Rheinsfelder), solche aus der Herrschaft Regensberg (d.h. bspw. Bachser und Wehntaler), aber auch solche, die aus dem Rafzerfeld stammten, das bis 1651 lediglich mit der Niedergerichtsbarkeit zum Zürcher Herrschaftsbereich gehörte. Schliesslich Zuzüger aus Stein am Rhein, Ramsen, Hemishofen und Dörflingen (seit 1798 alle beim Kanton Schaffhausen). Nicht aber solche aus Rheinau, das erst 1803 zu Zürich kam und vorher als Abtei ein selbstständiges Territorium war.

[c] wellicher aber frömbd, ußerthalb unnseren herrligkeiten harkompt und doch jnn der Eydtgnoschafft erboren jst, dryßig guldin unnd unnserm obervogt jm Nüwen Ampt zů unseren, als
der hohen oberkeit, handen zů schutz und schirmgelt deß nüwen jnsitzes ouch dryßig guldin,

alles unnser statt Zürich müntz und werung.»

Die letzte Kategorie unter den Schweizern waren nichtzürcherische Eidgenossen. Darunter fielen beispielsweise Kaiserstuhler und Fisibacher (aus der Grafschaft Baden, die seit 1415 eine Gemeine Herrschaft der Acht alten Orte war).

Alle anderen sind frömbde Ausländer

Für alle obigen Kategorien von Eidgenossen konnte die Gemeinde Weiach in eigener Kompetenz über die Aufnahme befinden. Nicht aber, wenn es sich um Ausländer handelte, die nicht als zur Eidgenossenschaft gehörig betrachtet wurden.

Darunter fielen alle Zuzüger aus der benachbarten Landgrafschaft Klettgau (z.B. aus Griessen, Erzingen, Stetten b. Hohentengen) sowie dem Herrschaftsbereich des Fürstbistums Konstanz auf Reichsboden (u.a. Hohentengen, Bergöschingen, Lienheim). Aber auch Fricktaler und andere linksrheinische vorderösterreichische Untertanen.

Für diese Fälle behielt sich die Zürcher Regierung die fremdenpolizeiliche Oberhoheit vor:

«Wenn dann ein frömbder, so usserthalb der Eydtgnoschafft erboren, vorgemelter gstalt zů jnen zezüchen begërte, söllent sy derselben dheinen [keinen] ohne unnsere ald [oder] unnserer obervögten jm Nüwen Ampt vergünstigung und erlaubtnuß anzůnemmen gwallt haben. 

So aber jnen vergundt wirt, einen söllichen frömbden, ußlendischen zů jnen züchen zelaßen, mögent sy nach jrem gfallen und gůt beduncken mit demselben umb das jnzuggelt überkommen. Unnd wie vil deren einer jnen zů jnzug zalt, also vil soll er unnserm obervogt jm Nüwen Ampt zů unseren handen zů schirmgelt vor synem jnsitz ouch zů erleggen schuldig syn.»

Wenn der Zuzug eines Ausländers bewilligt war, dann konnte die Gemeinde nach eigenem Gutdünken das Einzugsgeld festsetzen bzw. mit dem Zuzugswilligen aushandeln. Für den verdoppelte sich die festgelegte Summe, musste er doch gleich nochmal so viel als Schirmgeld (sozusagen eine eidgenössische Schutzabgabe für Neuzuzüger) an den Zürcher Staat entrichten.

Erstaunlicherweise ist kein Minimalbetrag genannt. Man kann aber davon ausgehen, dass Weiach einem solchen wirklich Auswärtigen einiges abknöpfte. Und das war wohl mehr als die 30 Gulden für einen nichtzürcherischen Eidgenossen. Denn jeder Neuzuzüger löste einen Obolus von 5 Gulden an die Niedergerichtsherren aus, den die Gemeinde Weiach aus ihrem Anteil abführen musste.

Quelle

Keine Kommentare: